Huber, "WoPo" und zwei Frauen Neue VW-Riege präsentiert sich Aktionären
04.05.2015, 07:30 Uhr
Wolfgang Porsche (l), Aufsichtsratschef der Porsche-Holding SE und der Porsche AG, und Ferdinand Oliver Porsche, Vorstand der Familie Porsche AG Beteiligungsgesellschaft, bei der Hauptversammlung der Volkswagen AG vor zwei Jahren.
(Foto: picture alliance / dpa)
Mancher Aktionär wird sich die Augen reiben, wenn er beim Aktionärstreffen von Volkswagen aufs Podium schaut. Ur-Gestein Ferdinand Piëch ist weg. Die Reihen haben sich schneller hinter ihm geschlossen als gedacht.
Wer bei der Hauptversammlung am Dienstag nach dem 78-jährigen VW-Patriarchen Ferdinand Piëch und seiner ebenfalls aus dem Aufsichtsrat zurückgetretenen Frau Ursula Ausschau hält, wird vergeblich suchen. Sie werden sich hier wohl nicht blicken lassen. Die Augen der Aktionäre werden auf den bisher weniger beachteten Aufsichtsrat Wolfgang Porsche schwenken.
Erstmals im Fokus steht auch der ehemalige Chef der IG Metall, Berthold Huber, der bisher Vize-Aufsichtsratschef war. Der Gewerkschafter wird sowohl die Aufsichtsratssitzung am Montag als auch das Aktionärstreffen am Dienstag in Hannover kommissarisch leiten. Daneben präsentieren sich die 57-jährige Designerin Louise Kiesling sowie die 34-jährige Juristin und selbstständige Immobilienmanagerin Julia Kuhn-Piëch als neue Aufsichtsratsmitglieder. Die beiden Nichten Piëchs aus der vierten Generation des Porsche/Piëch-Clans sind erst vor kurzem auf die freien Aufsichtsratsplätze nachgerückt.
Wolfgang Porsche: Piëchs Gegenpol
"WoPo", wie Wolfgang Porsche intern genannt wird, ist nach dem Abgang der Piëchs derjenige, der auf der Kapitalseite die Fäden zusammenhält. Seine Maxime hat er noch am selben Tag verkündet, an dem sein Cousin zurückgetreten ist: "Wir werden weiterhin mit großer Loyalität unsere Verantwortung als Großaktionär für den Volkswagen-Konzern und seine 600.000 Mitarbeiter wahrnehmen." Die Art von Piëchs Angriff auf Winterkorn - da sind sie sich an der VW-Spitze inzwischen alle einig - hatte mit Verantwortung nicht viel zu tun. Mitarbeiter wie Aktionäre werden ihn beim Wort nehmen.
Die Enkel von Ferdinand Porsche, der mit dem VW-Käfer der Grundstein für den Weltkonzern gelegt hat, könnten nicht unterschiedlicher sein. Piëch ist autoritär, wortkarg und bärbeißig, sein Cousin versprüht kindliche Freude, wenn er von seinen Autos schwärmt. "Er ist ein wichtiger Ruhepol", sagt Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück über "WoPo", den 71 Jahre alten Doktor der Handelswissenschaften.
"WoPo" kommt aus dem anthroposophischen Familienzweig. "Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, dass man nicht nach Profiten giert, sondern dass man unter Menschen mit Menschen umgeht", sagte er einmal in einem Interview. Sein Neffe Daniell Porsche hat diese Lebenseinstellung des Porsche-Familienzweiges in einer Biografie ausführlich erklärt. Wolfgang Porsche besuchte wie Daniell eine Waldorfschule. Er gilt als bodenständig und traditionsbewusst - ein Familienmensch. Im Nebenerwerb ist er Landwirt. Beide Familienzweige halten über die Hälfte der Stimmrechte bei Europas größtem Autobauer. Die Frage ist, ob "WoPo" die Familie dauerhaft hinter sich versammeln kann.
Berthold Huber: Ein Gewerkschafter an der Spitze
Ein Ex-Gewerkschaftsboss als Wortführer im Aufsichtsrat und Gastgeber des Aktionärstreffens eines großen Dax-Unternehmens hat Seltenheitswert. Es scheint, als sei bei VW im Moment alles möglich. Die Gewerkschaft war im Konzern allerdings schon immer einflussreich. Die Wende durch Piëchs Rücktritt hat die Arbeitnehmerseite noch stärker gemacht.
Bemerkenswert: Huber ist kein unbeschriebenes Blatt. 2009, nach den Wirren des Übernahmekampfes zwischen Porsche und Volkswagen, war er es, der eine Kapital-Beteiligung für die Arbeitnehmer an dem neuen Autokonzern forderte. Satte zehn Prozent nannte er damals als Größenordnung. Damit sollte die Belegschaft als Großaktionär ihre Interessen auf Hauptversammlungen vertreten können.
Aber Huber genießt die volle Unterstützung der Kapitalseite. Unter seiner Leitung werden die Vertreter der Arbeitnehmer und der Kapitalseite auch den neuen Vorsitzenden festlegen. Die Frage ist, wie lange sich das Management damit Zeit lässt. Gesetzlich besteht keine Eile.
Kiesling und Kuhn-Piëch: Seiteneinsteigerinnen ohne Erfahrung?
Mit der Neubestellung von Louise Kiesling und Julia Kuhn- Piëch ist der 20-köpfige Aufsichtsrat rechtzeitig zur Hauptversammlung wieder komplett. Außerdem hat die Familie Piëch nun wieder drei Vertreter im VW-Aufsichtsrat, die Porsches haben zwei - Wolfgang Porsche und Ferdinand Oliver Porsche. Damit ist die Machtbalance gewahrt.
Piëch hält seine Nichten offenbar für zu unerfahren. Deshalb versuchte er ein Veto gegen ihre Berufung einzulegen - vergeblich. Der Vorstand wollte den Querschläger ihres alten Chefs nicht einmal kommentieren. Die als Ersatz bestellten Aufsichtsrätinnen werden die Amtszeit des Ehepaars Piëch somit vollenden - sie läuft bis Frühling 2017. Danach wird man weitersehen.
Als nächstes muss der Aufsichtsrat bestimmen, wer für Interimschef Huber fester Vorsitzender des Kontrollgremiums werden soll. Als naheliegender Kandidat gilt "WoPo", Wolfgang Porsche. Es wird aber auch über andere Kandidaten diskutiert.

Berthold Huber mit Stephan Weil, Niedersachsens Ministerpräsident. Das Land hält mehr als 20 Prozent der VW-Anteile.
(Foto: picture alliance / dpa)
Vom Verfahren her ist es so, dass der Chefkontrolleur und sein Vize aus der Mitte des Aufsichtsrates gewählt werden. Laut Mitbestimmungsgesetz ist dafür eine Mehrheit von zwei Dritteln der Aufsichtsratsmitglieder notwendig - bei Volkswagen sind das 20 Mandatsträger. Auch nach dem Rücktritt des Ehepaars Piëch sind somit 14 der 20 Stimmen nötig. Kommt die Zweidrittelmehrheit im ersten Anlauf nicht zustande, reicht im zweiten Wahlgang die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen.
Erste Schritte in die neue Ära
Schon jetzt ist klar, die Reihen haben sich schneller hinter Piëch geschlossen, als es viele erwartet hatten. Neun Jahre lang war der Großaktionär Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG. Danach 13 Jahre lang Aufsichtsratschef, bis er dieses Amt zusammen mit allen seinen Aufsichtsratsmandaten innerhalb des Volkswagen-Konzerns Ende April überraschend niederlegte. Der Konzern ist nahtlos zur Tagesordnung übergegangen.
Trotzdem harrt mancher noch nervös der Dinge, die da noch kommen mögen. Was hat Piëch vor? Es ist der Machtnimbus, der ihn jahrzehntelang umgab, die Beobachter vorsichtig sein lässt. Anhaltende Personalquerelen wären für den Konzern nicht gut. Schon jetzt hat das Ansehen des Weltkonzerns gelitten.
Wichtig ist deshalb, dass die neue Dreier-Allianz aus Arbeitnehmerseite, Kapitalseite mit Wolfgang Porsche als Sprecher und VW-Großeigner Niedersachsen entschlossen auftritt - so wie sie es in der kurzen Zeit nach Piëchs Rücktritt getan hat.
"Mein Harmoniebedürfnis ist begrenzt", hat Piëch einmal gesagt. Die Aktionäre werden sich am Dienstag mit eigenen Augen ein Bild davon machen wollen, wie es jetzt um die Harmonie an der Konzernspitze bestellt ist - es gibt viele Aufgaben, die schnell angepackt werden müssen. Die Anteilseigner werden deshalb zwei Mal hinschauen, wer sich da wie auf dem Podium präsentiert.
Quelle: ntv.de