Viel mehr Dosen als gebraucht Osteuropäer wollen Impfstoffverträge neu verhandeln
14.06.2022, 17:44 Uhr
Laut Aussagen einiger osteuropäischer Vertreter könnten massenhaft Impfdosen verfallen, da die Staaten Verträge mit hohen Abnahmemengen abgeschlossen haben.
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Angesichts zahlreicher verabreichter Impfungen und einer Pandemie auf Sparflamme fordern viele osteuropäische Staaten, die Lieferverträge über Corona-Vakzine neu zu verhandeln. Andernfalls würden viele Dosen verfallen, weil sie nicht verimpft würden. Es geht aber auch um sehr viel Geld.
Osteuropäische EU-Mitgliedsländer verstärken den Druck auf Pfizer und andere Hersteller zur Neuverhandlung von Covid-19-Impfstoffverträgen. In einem Schreiben an die Kommission drängt der polnische Gesundheitsminister Adam Niedzielski zusammen mit seinen Amtskollegen aus Bulgarien, Kroatien, Estland, Ungarn, Lettland, Litauen und Rumänien auf eine "Reduzierung der bestellten Impfstoffmengen". Die Verträge seien zu einem Zeitpunkt geschlossen worden, als die Entwicklung der Pandemie noch nicht absehbar war, und sollten nun angesichts einer Verbesserung der Lage geändert werden. Andernfalls drohe eine Verschwendung der Vakzine.
Polen, das bei diesen Gesprächen eine federführende Rolle einnimmt, hat alleine mehr als 30 Millionen Covid-Impfdosen auf Lager und müsste im Rahmen der bestehenden Vereinbarungen weitere 70 Millionen kaufen, wie ein polnischer Diplomat gegenüber Reuters sagte. "Wir sehen eine übermäßige Belastung der Staatshaushalte, verbunden mit der Lieferung unnötiger Impfstoffmengen", heißt es in dem gemeinsamen Schreiben. "Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die an die Europäische Union gelieferten Dosen am Ende entsorgt werden."
Das Thema soll auch beim Treffen der EU-Gesundheitsminister in Luxemburg erörtert werden, wie Frankreichs Gesundheitsministerin Brigitte Bourgignon sagte. EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides erklärte, die Kommission werde weiter daran arbeiten, die Versorgung mit Impfstoffen sicherzustellen, die auf die Bedürfnisse der Mitgliedstaaten zugeschnitten seien, einschließlich potenziell angepasster Impfstoffe. "Die Pandemie ist noch nicht vorbei. Wir müssen für die kommenden Monate gerüstet sein", schrieb sie auf Twitter. Die Verträge mit den Unternehmen müssten eingehalten und könnten von der EU nicht einseitig geändert werden.
EU-Staaten kauften Impfstoffe gemeinsam ein
Während der akuten Phase der Pandemie hatten die EU-Kommission und die Regierungen der Staatengemeinschaft beschlossen, große Impfstoffmengen zu kaufen, vor allem von Pfizer und seinem Partner Biontech, da sie eine unzureichende Versorgung befürchteten. Die Zahl der Impfungen ist inzwischen jedoch deutlich zurückgegangen, sodass viele Länder nun auf eine Veränderung der Verträge dringen, um die Mengen zu verringern und ihre Ausgaben zu senken.
In Polen sind etwa 60 Prozent der rund 38 Millionen Einwohner vollständig geimpft, während es in der EU insgesamt über 70 Prozent sind. Pfizer und Moderna - ebenfalls ein wichtiger Lieferant von Covid-Impfstoffen für die EU - haben sich bereits bereit erklärt, einige Lieferungen zu verschieben. Das sei aber eine "unzureichend Lösung und verzögere das Problem nur", heißt es in dem gemeinsamen Schreiben der Minister. Ein Sprecher von Pfizer wollte sich nicht dazu äußern, verwies aber auf die bereits vorgenommenen Vertragsänderungen zur Anpassung der Liefertermine.
Quelle: ntv.de, als/rts