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Deutschland und andere EU-Länder arbeiten fieberhaft an einer Corona-App. Beim Aufspüren von Infizierten will offenbar auch eine Big-Data-Firma helfen: Palantir, die Überwachungssoftware für US-Geheimdienste entwickelt. Auch deutsche Polizeibehörden sind bereits Kunden.
Die US-Datenanalysefirma Palantir führt derzeit offenbar Gespräche mit mehreren europäischen Ländern über die Lieferung von Software zur Bekämpfung der Corona-Pandemie. Palantir stehe in Verhandlungen mit Behörden in Deutschland, Frankreich, Österreich und der Schweiz, darunter dem Verbund aller Pariser Krankenhäuser, berichtet "Bloomberg" unter Berufung auf einen mit den Vorgängen vertrauten Insider.
Die Technologie kann eingesetzt werden, um die Verbreitung des Virus nachzuverfolgen, zu analysieren und Versorgungsengpässe bei Krankenhäusern sowie im Gesundheitswesen auszumachen. Palantir biete sich zudem auch bei der Erarbeitung von Exit-Plänen aus den Quarantänemaßnahmen an, sagte der Insider. Ein Sprecher von Palantir wollte gegenüber "Bloomberg" zu dem Bericht keine Stellung nehmen.
Die EU-Länder tüfteln derzeit mit Hochdruck an einer Handy-App zur Nachverfolgung von Corona-Infizierten. Die EU sammelt dafür laut Binnenmarktkommissar Thierry Breton bereits Mobilfunkdaten. Deutsche Telekom, Vodafone, Orange, Telefonica, Telecom Italia und weitere Anbieter haben zugesagt, ihre Ortsdaten zur Verfügung zu stellen. Ein Team von Wissenschaftlern aus acht europäischen Staaten unter Beteiligung des Fraunhofer-Instituts arbeitet derzeit im Rahmen der sogenannten Pan-European Privacy Preserving Proximity Tracing-Initiative (PEPP-PT) an den technologischen Grundlagen für Corona-Tracking-Apps.
Daten sammeln gegen die Pandemie
Die Bundesregierung verfolgt die Initiative mit Interesse, allerdings würden verschiedene denkbare technische Lösungen parallel ins Auge gefasst, heißt es aus dem Gesundheitsministerium. Das Modell der PEPP-PT ist lediglich eine und keine fertige App, sondern eine Software, die Entwickler oder Regierungen nutzen können, um damit Tracing-Apps zu bauen.
Auch Palantir hat solche Tools im Angebot. Denkbar wäre der Einsatz einer Analyse-Software namens Foundry: Mit ihr kann Palantir Daten aus weit entlegenen, getrennten Systemen in einer Datenbank zusammenziehen und nach Mustern durchsuchen. Eine ähnliche Plattform namens Gotham wurde für die Nutzung durch Geheimdienste entwickelt. Beide Produkte würden derzeit Gesundheitsbehörden in Europa angeboten, zitiert "Bloomberg" den Insider.
Die britische Gesundheitsbehörde NHS setzt Foundry bereits offiziell im Kampf gegen die Pandemie ein, um "verstreute Daten zu integrieren, säubern und harmonisieren und eine einzige Wissenquelle zur Unterstützung der Entscheidungsfindung zu entwickeln". Neben Palantir hat sie auch Microsoft, Amazon, Google und andere Tech-Firmen als Technologiepartner engagiert. In den USA hat Palantir zudem einen langfristigen Vertrag mit der Seuchenschutzbehörde CDC abgeschlossen. Sie verwende Palantir-Software bereits regelmäßig, um die Verbreitung des Corona-Virus in den USA zu simulieren, berichten das "Wall Street Journal" und "Forbes". Ein Palantir-Sprecher hat den Einsatz bestätigt.
Überwachungsmaschine für US-Geheimdienste
In Europa könnte es Palantir aus Sorge um den Datenschutz womöglich schwerer haben. Gegründet wurde die Firma 2004 im kalifornischen Palo Alto vom US-Tech-Milliardär Peter Thiel und dem Unternehmer Alex Karp, die sich an der US-Eliteuni Stanford kennengelernt hatten. Inzwischen strebt sie an die Börse. Ihr Name kommt nicht von ungefähr: Benannt nach den allsehenden Steinkugeln aus der Fantasie-Trilogie "Herr der Ringe" ist Palantir letztlich eine riesige Datensammelmaschine, die Überwachungssoftware baut.
Ihre ersten Aufträge bekam sie von der CIA und arbeitet seit Jahren vertrauensvoll mit den US-Geheimdiensten zusammen, um die gigantischen Datenmengen aus deren Abhörprogrammen zu analysieren. Auch das Pentagon hat Palantir inzwischen engagiert. Besonders in die Kritik geriet Palantir, weil die Firma der Einwanderungsbehörde ICE mit ihrer Software dabei half, illegale Migranten aufzuspüren und zu deportieren.
In Hessen und Nordrhein-Westfalen baut Palantir bereits für deutsche Polizeibehörden Software, die Ermittlern hilft, Bewegungsprofile von Tatverdächtigen anzulegen und deren Umfeld zu erkunden. Für das Landeskriminalamt in Düsseldorf entwickelt Palantir ein Programm, das großflächig Daten aus polizeieigenen und externen Quellen verknüpft und auswertet. Der Vertrag ist mit 14 Millionen Euro dotiert. In Hessen löste der Einsatz des gleichartigen Palantir-Systems "Hessendata" einen Untersuchungsausschuss aus. In Frankreich ist Palantir-Software seit den Terror-Anschlägen von 2016 beim Inlandsgeheimdienst im Einsatz.
Quelle: ntv.de