
Der russische Geschäftsmann Michail Fridman würde laut dem Bericht eine Milliarde Dollar zahlen, um von der schwarzen Liste zu verschwinden.
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Die westlichen Sanktionen gegen Russlands Geschäftsleute zeigen Wirkung: Offenbar setzen die Einschränkungen den Milliardären derart zu, dass diese sich nun direkt an Kiew und den Westen wenden. Um ihr Vermögen zurückzubekommen, erhoffen sie sich einen Deal.
Russische Oligarchen bieten der Ukraine offenbar Geld, um im Gegenzug von westlichen Sanktionen befreit zu werden. So schlug der russische Geschäftsmann Michail Fridman vor, eine Milliarde Dollar seines Privatvermögens an die Ukraine zu überweisen. Dies berichtet die "Financial Times" und beruft sich auf Personen, die an den Verhandlungen zwischen dem Milliardär und einer US-Diplomatin beteiligt waren. Fridman, der bis zum Kriegsbeginn vor allem in London lebte, verfolgte demnach einen Plan: Nach der Zahlung sollte Großbritannien die Sanktionen gegen ihn aufheben. Mit einem ähnlichen Angebot haben sich laut dem Bericht auch andere russische Geschäftsleute an westliche Behörden gewandt.
Fridman ist einer der Hauptgründer der russischen Alfa Bank, sein Vermögen wird laut "Financial Times" auf rund 13 Milliarden Dollar geschätzt. Seit Russlands Einmarsch in der Ukraine steht er wie zahlreiche weitere russische Oligarchen auf der schwarzen Liste westlicher Verbündeter. Gegen die russischen Geschäftsleute wurden etwa Einreisesperren verhängt, ihre Vermögen wurden eingefroren. Auch beschlagnahmten die EU und Großbritannien Privatjets, Jachten und Villen. Letzteres dürfte Fridman besonders schmerzen - 2016 hatte er sich für 85 Millionen Dollar ein Anwesen in London gekauft, wie Bloomberg berichtete.
Um sein Vermögen und seine Freiheit zurückzuerlangen, machte der russische Milliardär der US-Botschafterin in Kiew, Kristian Kvien, laut "Financial Times" ein Angebot: Wenn die USA ihm helfen, die Sanktionen zu umgehen, unterstütze er die Ukraine mit einem Teil seines Vermögens beim Wiederaufbau des Landes. Beteiligte berichteten der Zeitung von hitzigen Diskussionen zwischen dem Milliardär und der Diplomatin. Der Deal sei jedoch nicht zustande gekommen. Während das US-Außenministerium sich zu "diplomatischen Gesprächen" nicht äußert, bestreitet Fridman, jemals mit Kvien gesprochen oder der Ukraine Zahlungen angeboten zu haben. Ob andere russische Milliardäre sich mit westlichen Behörden oder Kiew einigten, ist nicht bekannt.
Selenskyj nennt Bedingungen für Deal
Die ukrainische Regierung scheint jedoch nicht viel davon zu halten, mit den russischen Oligarchen zu verhandeln. "Das ist eine Frage des Prinzips", stellt Rostislav Shurma, der stellvertretende Leiter des ukrainischen Präsidentenbüros gegenüber der Zeitung klar. "Die Ukraine benutzt Sanktionen nicht als Verhandlungsinstrument." Das Hauptziel der Sanktionen sei es, "den Krieg zu beenden". Dazu gehöre es eben nicht, Bedingungen für ihre Aufhebung zu finden.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj "sträubt sich" laut dem Bericht regelrecht dagegen, Sanktionen gegen russische Geschäftsleute aufzuheben. Im Fall von dem in der Ukraine geborenen Fridman würde er jedoch eine Ausnahme machen, zitiert die Zeitung Personen aus seinem engsten Kreis. Dazu müsste der Milliardär allerdings seinen russischen Pass vernichten und sich klar gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin und den Angriffskrieg äußern.
Dies sei allerdings nicht ungefährlich, heißt es in dem Bericht weiter. So fühlen sich viele Oligarchen vom Kreml beobachtet. "Viele fürchten, vergiftet zu werden", wenn sie sich gegen den Krieg äußern, zitiert die Zeitung einen russischen Geschäftsmann. Und selbst, wenn sie es täten, hätten sie offenbar keinen Einfluss auf den russischen Präsidenten. Denn keiner der sanktionierten Russen stehe Putin nahe genug. Tatsächlich gibt es auch sechs Monate nach Kriegsbeginn kaum Anzeichen dafür, dass sich vonseiten sanktionierter Oligarchen ernstzunehmender Widerstand gegen den Kreml zusammenbraut. Das war eigentlich das Ziel der Sanktionen gegen sie.
Kiew und die westlichen Verbündeten könnten somit darüber nachdenken, die Oligarchen-Vermögen künftig nicht nur als Druckmittel, sondern auch für den Wiederaufbau zu nutzen. So schlug es Kanadas stellvertretende Premierministerin und Finanzministerin, Chrystia Freeland, laut einem AP-Bericht bereits im Mai vor. Die Ukraine und der Westen könnten die mutmaßlichen Angebote von Fridman und anderen russischen Milliardären dafür zu ihren Konditionen umgestalten. Einen Vorschlag macht der Militärökonom Marcus Keupp auf Twitter: "Alle russischen Oligarchen zahlen 50 Prozent ihres Vermögens in einen Wiederaufbaufonds für die Ukraine ein und erhalten im Gegenzug Immunität und eine Aufhebung der Sanktionen."
Quelle: ntv.de