Wirtschaft

Schifffahrtsdaten ausgewertet Russland umschifft den Ölpreisdeckel immer erfolgreicher

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Öltanker in Murmansk - Russland verschifft inzwischen den Großteil seines Öls so, dass die Preisgrenze des Westens nicht greift.

Öltanker in Murmansk - Russland verschifft inzwischen den Großteil seines Öls so, dass die Preisgrenze des Westens nicht greift.

(Foto: imago images/imagebroker)

Um Russlands Öleinnahmen zu schmälern, verpflichtet der Westen seine Reedereien und Versicherer, russisches Öl für höchstens 60 Dollar pro Barrel zu verschiffen. Russland verkauft sein Öl trotzdem zu höheren Preisen.

Angesichts des aktuellen Ölpreis-Anstiegs dürften seine Ölexporte Russland zusätzliche Einnahmen in die Kriegskasse spülen. Denn der von westlichen Staaten eingeführte Preisdeckel für russisches Öl funktioniert nicht - beim Großteil seiner Ölausfuhren umgeht Russland die Sanktionen des Westens.

G7, EU und Australien hatten sich im vergangenen Jahr darauf verständigt, dass für russisches Öl nicht mehr als 60 Dollar pro Barrel gezahlt werden sollten. Um das zu erreichen, dürfen Reedereien und Versicherungen - deren Markt die Industriestaaten dominieren - teureres russisches Öl nicht mehr transportieren. Doch eine aktuelle Auswertung von Schifffahrts- und Versicherungsdaten durch die "Financial Times" zeigt, dass im August fast drei Viertel der russischen Rohöltransporte per Schiff ohne westliche Versicherung abgewickelt wurden. Nach Angaben von Versicherern und des Analyseunternehmens Kpler war es demnach im Frühjahr noch die Hälfte. Moskau umgeht die Preisobergrenze also offenbar immer geschickter.

Die Kyiv School of Economics schätzt nach eigenen Angaben, dass steigende Ölpreise, auch aufgrund der steigenden Weltmarktpreise, Russland in diesem Jahr 17 Milliarden Dollar zusätzlich an Exporteinnahmen einbringen werden, im kommenden Jahr sogar 33 Milliarden. Russisches Öl wurde nach Untersuchungen des Instituts in den wichtigsten Exporthäfen des Landes zuletzt für mehr als 70 Dollar pro Barrel verkauft. Die Kiewer Ökonomen werfen westlichen Regierungen mangelnde Durchsetzung der Sanktionen, also fehlende Kontrolle vor.

Experten fordern schärfere Sanktionen

Es ist nicht so, dass die Sanktionen des Westens überhaupt nicht wirken, wie die International Working Group on Russian Sanctions der Stanford University in einer aktuellen Analyse erklärt. Die Verbündeten der Ukraine kaufen demnach kaum noch russisches Öl, und an andere Länder kann Russland sein Öl nur mit Preisabschlag verkaufen. Die Gruppe unabhängiger, internationaler Experten, die sich für möglichst effiziente Sanktionen gegen Russland einsetzt, schätzt, dass dem Land seit Kriegsbeginn zwischen 140 und 170 Milliarden Dollar an Öl- und Gaseinnahmen entgangen sind. In diesem Jahr verlor der Aggressor demnach die Hälfte seiner Haushaltseinnahmen aus dem Öl- und Gassektor - nach Rekordexporteinnahmen von 350 Milliarden Dollar aus dem Sektor im vergangenen Jahr.

Doch einen Teil der Einbußen holt sich Russland zurück, mithilfe einer Schattenflotte aus alten, ausgemusterten Öltankern, die ohne westliche Versicherung und andere Dienstleistungen operiert. Bereits zu Jahresbeginn wurde die Zahl dieser Schiffe im Besitz von schwer zurückverfolgbaren Offshore-Firmen auf 600 geschätzt. Manche Tanker fälschen Medienrecherchen zufolge ihre Positionsdaten, um weiterhin westlichen Versicherungsschutz zu erhalten. Dass die Menge westlich versicherter Ölexporte aus Russland so stark gesunken ist, dürfte aber teilweise auch auf eine gewisse Zurückhaltung von Versicherern und Reedereien aufgrund der Sanktionen zurückzuführen sein.

Um zu verhindern, dass Russland den Preisdeckel noch stärker umschifft, schlägt die International Working Group on Russian Sanctions die Aufstellung einer sogenannten weißen Liste vor: Nur noch ausgewählte Händler sollten Preisbescheinigungen für russische Ölladungen ausstellen dürfen. Außerdem wollen die Experten die russische Schattenflotte ausbremsen, indem alle Tanker, die ökologisch sensible Hoheitsgewässer der EU durchfahren, eine angemessene Ölunfallversicherung nachweisen müssen.

Den größten Erfolg verspricht sich die Gruppe von einer Senkung des Ölpreisdeckels - auf nur noch 30 Dollar pro Barrel. Je weniger russisches Öl die Preisgrenze des Westens erreicht, desto weniger hart würde eine Halbierung den Aggressor allerdings treffen.

Quelle: ntv.de

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