Schattenflotte für Russland Öltanker umgehen Sanktionen mit gefälschten Signalen
01.06.2023, 20:23 Uhr Artikel anhören
Ein chinesischer Tanker liegt im russischen Hafen Kosmino.
(Foto: REUTERS)
Auf einer Vielzahl von Wegen umgeht Russlands Ölwirtschaft die Sanktionen der westlichen Allianz. Etwa über ein Firmengeflecht mit globaler Schattenflotte. Manche Tanker fälschen dafür ihre Positionsdaten, um den Versicherungsschutz zu behalten.
Schiffe geben Positionssignale ab. Dadurch ist nachvollziehbar, in welche Häfen sie einlaufen, welche Route sie genommen haben, wann sie sich bewegen oder stehen. Und manchmal, so eine Recherche der "New York Times", stehen Tanker, die russisches Öl transportieren, auffällig lange und irgendwo in neutralen Seezonen in Asien herum. Manche vollführen demnach völlig sinnlose Manöver. Warum? Weil die Signale gefälscht sind, möglicherweise mit spezieller Software. Dies ergab der Abgleich mit anderen Daten, etwa Funksprüche und Fotos.
Im Februar sendete beispielsweise der Öltanker Cathay Phoenix westlich von Japan ein regelmäßiges Signal, das Bewegung im Kreis vortäuschte, wieder und wieder. Am Ende sah die Kurslinie aus wie geometrische Kunst per Schablone. Doch auf einem Satellitenbild des entsprechenden Gebiets war die Cathay Phoenix nicht zu sehen. Wohl aber im russischen Hafen Kosmino, 400 Kilometer weiter nördlich in der Bucht von Nachodka, wo der Tanker Öl lud, das er dann nach China transportierte.
Das US-Medium verfolgte bei seiner Recherche sechs Tanker, die ihre Signale fälschten. Davon transportierten mindestens drei russisches Rohöl, das sie für höhere Preise als erlaubt in China verkauften. Die Schiffe verbergen ihre wahren Routen, um die Sanktionen der USA zu umgehen und ihren Versicherungsschutz zu behalten. Global gesehen ist dies höchstwahrscheinlich nur ein kleiner Ausschnitt einer Vielzahl von Umgehungstaktiken, etwa geheimes Umladen auf See. So fließt mehr Geld an staatliche Ölkonzerne und in den russischen Haushalt, als es bei Einhaltung der Strafmaßnahmen der Fall wäre. Dies wiederum hat potenziellen Einfluss auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine.
Eine Milliarde Dollar in Tankern
Seit Dezember 2022 gilt auf dem westlichen Markt eine Preisobergrenze von 60 Dollar für russisches Rohöl. Falls Käufer mehr bezahlen, darf der Transport nicht versichert werden. Laut der internationalen Energieagentur IEA sind Russlands Einnahmen aus Öl- und Gaseinnahmen seither offiziell von 22,5 Milliarden Dollar auf 8,1 Milliarden Dollar im April geschrumpft. Im selben Monat exportierte Russland 8,3 Millionen Fass Öl pro Tag, so viel wie nie seit seinem Großangriff auf die Ukraine. Nach Ansicht der US-Regierung und der EU wirken die Sanktionen - sie verringern russische Einnahmen, lassen das Öl aber weiter fließen. Beide haben den Rohölimport aus Russland verboten.
Die westliche Allianz hat eine Vielzahl von Strafmaßnahmen gegen Moskau und die russische Wirtschaft verhängt. Doch trotz des finanziellen Schadens könnte die in diesem Jahr sogar um 0,7 Prozent wachsen, schätzt der Internationale Währungsfonds. Laut einer Kalkulation von tankertrackers.com, die den globalen Seeverkehr beobachten, wird russisches Rohöl im Wert von etwa einer Milliarde Dollar von einer Schattenflotte transportiert, die aber trotzdem im Westen versichert ist.
Russisches Öl, das wie in den von der "New York Times" festgestellten Fällen nach China verkauft wird, ist völlig legal und außerhalb des Sanktionsbereichs der westlichen Allianz. Doch der größte Teil des internationalen Schiffsverkehrs ist in Mitgliedsländern der Allianz versichert, im Fall der sechs nachverfolgten Schiffe bei der US-Firma American Club. Damit verstoßen sowohl die Transportunternehmen als auch der Versicherer gegen die Strafmaßnahmen. Russland zeige beim Verkauf seines Öls auf dem Weltmarkt ein "Muster der Sanktionsumgehung auf See", wird eine Analystin zitiert.
Nicht nur Öl aus Russland
Laut dem US-Finanzministerium müssen Versicherer den Schutz auf der Stelle fristlos aussetzen, falls unter ihrem Deckmantel die Preisobergrenze überschritten wird. "Das Fälschungsausmaß ist ungewöhnlich und ausgeklügelt", sagte ein früherer Sanktionsexperte des Ministeriums. American Club wollte den Bericht nicht kommentieren, teilte aber mit, es beobachte die Einhaltung der Einschränkungen.
Mindestens dreizehnmal gaben die beobachteten Tanker mit gefälschten Positionssignalen vor, in der westlichen japanischen See zu sein, lagen aber an russischen Schiffsterminals und transportierten Öl nach China. Fünf der sechs Schiffe verschleierten mit ihren gefälschten Signalen auch Öltransporte aus den international sanktionierten Iran oder Venezuela. Sie sind nur Teil einer Schattenflotte unterschiedlicher Unternehmen, die sich nicht um Sanktionen des Westens scheren. Sie machen ihr Geschäft trotzdem.
Quelle: ntv.de