Das große Aufräumen bei Signa Sanierer Arndt Geiwitz steht vor einer Mammutaufgabe
09.11.2023, 19:44 Uhr Artikel anhören
Arndt Geiwitz hat sich bei den Insolvenzverfahren von Galeria und der Abwicklung der Drogeriekette Schlecker einen Namen gemacht. Bei Signa ist er nicht allein unterwegs. Um das Chaos zu lichten, hat er weitere externe Berater an der Seite.
(Foto: IMAGO/Funke Foto Services)
Nach tagelangem Ringen um die Führung bei Signa beginnt nun die eigentliche Arbeit. Sanierer Arndt Geiwitz soll für Ordnung sorgen. Das komplizierte Firmengeflecht mit Hunderten Unternehmen zu durchforsten, wird Monate dauern. Doch die Zeit drängt. Es droht jetzt schon Ärger.
René Benko ist weg und Arndt Geiwitz nach langem Ringen endlich die augenscheinlich zentrale Instanz bei Signa. Er soll das Chaos lichten. Viele - insbesondere die Gesellschafter, Investoren und involvierten Banken - lässt das erst einmal aufatmen. Was wie ein Befreiungsschlag wirkt, ist jedoch längst noch nicht das Ende des Dramas. Denn die eigentliche Arbeit beginnt jetzt erst. Geiwitz und weitere externe Berater, die zur Unterstützung eilen, müssen in den kommenden Wochen alle Geschäftsbereiche durchforsten, um sich überhaupt erst einmal einen Überblick über die finanzielle Schieflage in der Holding zu verschaffen.
Auf Geiwitz und sein Team wartet Kärrnerarbeit. Der einzige, der sich in dem Dickicht des Unternehmensgeflechts von 7000 Einzelunternehmen auskennt, ist wahrscheinlich Benko. Eine Hilfe wird er nicht sein - das war er bislang auch nicht. Die Arbeit von Geiwitz dürfte also viel vom buchstäblichen Stochern im Nebel haben.
Im Moment regiert bei Signa vor allem eins: Ungewissheit. Da das Unternehmen nicht börsennotiert ist, liegen keine detaillierten, aktuellen Bilanzen vor. "Keiner weiß, wie es dem Unternehmen wirklich geht", sagte ein Insider. "Keiner weiß, wie hoch die Schulden insgesamt sind." Erschwerend kommt hinzu, dass die Frage der Befugnisse von Geiwitz nicht gänzlich geklärt ist. Benko ist zwar nicht mehr Vorsitzender des wichtigen kontrollierenden Beirats im Unternehmen, aber die Privatstiftung der Familie Benko ist immer noch größter Gesellschafter von Signa.
Eine angebliche Bitte um ein dreimonatiges Stillhalteabkommen zwischen Gesellschaftern, Gläubigern und Investoren spricht dafür, dass Geiwitz weiß, auf welche Herkulesarbeit er sich eingelassen hat. Laut einem Insider, den das "Handelsblatt" zitiert, wollen die Sanierer sich Zeit verschaffen, um die Zahlen in Ruhe zu sortieren und mögliche Verkaufsobjekte zu identifizieren. Erst danach werde klar sein, wie viel Geld die Gruppe brauche, heißt es. Einen weiteren Insider zitiert das Blatt allerdings mit den Worten, ein Stillhalteabkommen sei eher das "Wunschdenken einiger Investoren". Angeblich wird über eine Kapitalspritze zwischen 200 Millionen und 400 Millionen Euro verhandelt.
Was sind Benkos Immobilien wert?
Das Finanzpolster bei Signa ist unter dem Druck steigender Zinsen dramatisch geschmolzen, wie ein Blick in die Jahresabschlüsse der Signa-Gesellschaften offenbart. Laut "FAZ" verdiente beispielsweise die Signa Prime Selection AG im vergangenen Jahr nur noch 75 Millionen Euro nach 400 Millionen Euro im Jahr zuvor.
Die Signa Holding mit ihrem Wildwuchs von Firmengeflecht hat aber nicht nur eine, sondern buchstäblich viele Baustellen. Zahlreiche Immobilienprojekte in der Entwicklung brauchen ständig frisches Kapital für den Betrieb und die laufenden Finanzierungen. Das Problem ist, dass Kredite teurer und Banken vorsichtiger geworden sind. Zudem hat die Europäische Zentralbank (EZB) von einigen Banken hohe Abschreibungen auf Engagements bei Benkos Signa-Gruppe gefordert, was es für Benkos Signa nicht leichter gemacht hat, an frisches Kapital zu kommen.
Bei großen Bauprojekten, wie etwa dem Elbtower in Hamburg, liegen die Bauarbeiten bereits auf Eis. Das Problem ist, dass der 46-jährige erfolgshungrige Immobilien-Tycoon aus Österreich seine Unternehmensgruppe auch mithilfe finanzstarker Investoren aufgebaut hat, die zunehmend auf Distanz gegangen sind und zuletzt weiteres Kapital verweigert haben.
Die Frage ist: Was ist sein Immobilienimperium, auf dem die gesamte Signa Holding aufgebaut ist, angesichts fallender Immobilienpreise und schrumpfenden Bedarfs an Büroflächen heute überhaupt noch wert? Benko selbst hat seine Luxusimmobilien immer als "einzigartig" bezeichnet. Auch Geiwitz ist davon überzeugt. Die Qualität sei "hervorragend", sagte er. "Die Entwicklungsperspektive der Development-Projekte, die in den Toplagen der deutschsprachigen Metropolen liegen, ist sehr gut." Ob das Wunschdenken ist und der Prüfung kritischer Augen standhält, muss sich zeigen. Die nächsten Wochen werden Klarheit darüber bringen, wie hoch der Schuldenstand in der Gruppe tatsächlich ist und ob die Vermögenswerte diese Lücke decken.
Abwarten heißt es auch bei dem Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof, der bereits zwei Insolvenzverfahren hinter sich hat. Niemand Geringeres als Geiwitz hat die beiden Verfahren begleitet. Die schlechte Nachricht: Es soll schon wieder Ebbe in den Kassen herrschen. Die Gewerkschaft Verdi forderte Geiwitz deshalb bereits zu einem Bekenntnis zum Warenhausriesen mit seinen rund 12.500 Beschäftigten auf. "Wir erwarten vom Sanierer Geiwitz, dass er jetzt schnellstmöglich Klarheit schafft, welche Perspektiven die Beschäftigten haben und wie groß die möglichen Auswirkungen der von ihm angekündigten, umfassenden Konsolidierung der Signa-Gruppe sein werden", sagte eine Verdi-Sprecherin der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung".
Ärger droht auch von Anleiheinvestoren
Dunkle Wolken, Schwund und Zeitdruck gibt es auch an einer anderen Stelle in Benkos Imperium. Für Diskussionsstoff sorgt eine ausstehende Anleihe der Tochterfirma Signa Development Finance im Volumen von 300 Millionen Euro. Auf Hochzinsanleihen spezialisierte Publikumsfonds wie die DWS sowie die Vermögensverwalter Schroders und Invesco sind laut "Handelsblatt" investiert. Erst vergangene Woche sollen sie erfahren haben, dass die Gesellschaft im abgelaufenen Quartal nur noch über 32 Millionen Euro Cash verfügt, nach 125 Millionen Euro im Quartal zuvor. Die Befürchtung: Das Geld, das eigentlich zur Tilgung der Anleihe zur Verfügung stehen sollte, könnte zur Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen genutzt worden sein.
Laut einem Investor sollte der Gesellschaft Geld aus realisierten Immobilienprojekten zufließen. Nach den jüngsten Zahlen sei jedoch zu befürchten, dass "das Geld die Einheit verlassen hat". Fällig ist die Anleihe zwar erst 2026. Aber viele Investoren sollen die Zinspapiere bereits wegen des rätselhaften Mittelabflusses im großen Stil abgestoßen haben. Seit Mitte vergangener Woche fiel der Kurs um über 60 Prozent. Signa Development hat nach Handelsblatt-Informationen für den kommenden Donnerstag einen Investoren-Call zum Thema angesetzt.
Viel hängt davon ab, was in den nächsten Wochen und Monaten ans Tageslicht kommt. Fest steht: Allein die Tatsache, dass Geiwitz Benko großes Vertrauen genießt und viel Vorschusslorbeeren erntet, bedeutet noch keine Entwarnung. Der Weg bis zu "langfristigen Lösungen", die eine "umfassende Konsolidierung für das Unternehmen einläuten", wie Geiwitz es formuliert hat, könnte mit Überraschungen gepflastert sein.
Quelle: ntv.de