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"Blut-Scheich" soll Kredit geben Ist der Big Bang in Benkos Imperium noch abzuwenden?

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Immobilien-Tycoon René Benko steht möglicherweise vor einem Scherbenhaufen.

Immobilien-Tycoon René Benko steht möglicherweise vor einem Scherbenhaufen.

(Foto: picture alliance/dpa)

Jahrelang hat René Benko das Wachstum seiner Signa Gruppe vorangetrieben. Doch jetzt könnte die Holding wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen. Große Hoffnungen ruhen auf Arndt Geiwitz. Der Sanierer und Insolvenzverwalter hat sich bei der Rettung von Galeria Kaufhof und der Abwicklung der Drogeriekette Schlecker einen Namen gemacht. Benko bemüht sich angeblich gleichzeitig beim Staatsfonds von Saudi-Arabien um eine rettende Finanzspritze. Fragen und Antworten zum möglichen Showdown:

Wer ist René Benko?

Der österreichische Investor galt lange Zeit als Vorzeige-Unternehmer. In Deutschland ist seine Signa Gruppe vor allem als Eigentümerin der Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof bekannt. Zu seiner über Jahre rasant gewachsenen Holding gehören milliardenschwere Immobilien und Handelsbeteiligungen. Forbes schätzte sein Vermögen 2021 auf 5,6 Milliarden Dollar, was ihn zum drittreichsten Österreicher macht.

Direkt und indirekt hält Benko über seine Stiftungen rund 50 Prozent der Anteile an der Signa Holding. Er hat aber keine offizielle Funktion inne, sondern ist lediglich Vorsitzender des sogenannten Beirats, einem beratenden Gremium. Dennoch sollen immer noch alle Fäden bei ihm zusammenlaufen.

Benkos Erfolgsrezept: namhafte Geldgeber, die ihm lange Zeit und viel Geld investierten, sowie einflussreiche Freunde aus der Politik. Zu seinen Kapitalgebern zählen Unternehmer wie der österreichische Milliardär und Strabag-Chef Hans-Peter Haselsteiner oder Logistikmilliardär Klaus-Michael Kühne. Auch institutionelle Investoren wie die RAG Stiftung sind mit an Bord. Im Beirat der Signa Holdung sitzen dazu einflussreiche österreichische Politiker wie die Ex-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer oder Sebastian Kurz.

Wo hat Benko überall seine Finger drin?

Das Fundament seines Imperiums bildet das Immobiliengeschäft. Zum Portfolio gehören prestigeträchtige Luxuskaufhäuser wie das KaDeWe in Berlin und das Alsterhaus in Hamburg sowie der in der Hansestadt im Bau befindliche Elbtower (das Projekt liegt mittlerweile wegen Geldmangel auf Eis). Außerdem die sogenannte Alte Akademie in der Fußgängerzone in München (auch hier gibt es Bauverzögerungen) und das Goldene Quartier, ein Geschäftsviertel in Wien, sowie das Chrysler Building in New York. Der Wert der Immobilien in besten Innenstadtlagen wird auf 20 Milliarden Euro geschätzt. Die Perlen wie das KaDeWe sind in der Signa Prime Selection gebündelt. Daneben gibt es noch die Signa Real Estate, die auch die Eigentümerin der Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof ist, und die Entwicklungstochter Signa Development Selection.

Die Signa Sports United (SSU), zu der eine Reihe von Online-Sportshops gehört, hat bereits Insolvenz angemeldet. Darüber hinaus mischt Benko auch im Mediengeschäft mit. 2018 übernahm die Signa Holding Anteile an den österreichischen Tageszeitungen Kronen Zeitung und Kurier. Außerdem investiert Benko in Digitalisierung. Signa hält 70 Prozent an der Agentur Hoods.de.

Warum ist die Signa Gruppe in Schwierigkeiten?

Wie so viele Unternehmen der Branche ächzt Signa unter den rasant gestiegenen Zinsen. Das Problem ist die Kreditfinanzierung. Die laufenden Projekte sind häufig fremdfinanziert und zu variablen Zinssätzen abgeschossen, die sich am europäischen Referenzsinssatz Euribor orientieren, der seit Anfang 2022 kräftig geklettert ist. Im Januar vergangenen Jahres lag der 3-Monatssatz noch bei minus 0,57 Prozent, zuletzt bei 3,95 Prozent (Stand 01.11.2023).

Angeblich werden noch dieses Jahr Kredite in Höhe von 1,3 Milliarden Euro fällig, müssen also bezahlt oder umgeschuldet werden. Hinzu kommt, dass die Immobilienpreise gesunken sind. Signa musste den Wert des Immobilienbestands nach unten korrigieren, die Objekte können also auch nur noch zu niedrigeren Preisen beliehen werden. Signas wichtigste Immobilientochter Signa Prime Selection verbuchte 2022 laut Jahresabschluss einen Verlust von rund 1 Milliarde Euro. Erschwerend hinzu kamen für Signa Belastungen für die Stützung der maroden Kaufhaustochter Galeria.

Die Hinweise, dass es Liquiditätsengpässe in der Gruppe mit ihren kaum durchschaubaren Verzweigungen und Finanzflüssen gibt, mehren sich seit Monaten. Die Gesellschafter mussten immer wieder Geld nachschießen, dafür sind Kapitalerhöhungen nötig. Eine Kapitalerhöhung im Sommer klappte angeblich nur noch mit Ach und Krach. Die Investoren gehen auf Distanz. Die Sporthandelstochter Signa Sports United (SSU) musste jüngst bereits Insolvenz anmelden, weil Benko eine zugesagte Eigenkapitalzusage für die Tochter Signa Sports United zurückzog. Neben der schwierigen ökonomischen Lage gibt es aber auch hausgemachte Probleme, wie etwa Korruptionsermittlungen in Österreich und die erhöhte Wachsamkeit der Aufsichtsbehörden beim Engagement großer Banken bei der Signa Holding. Brancheninsider sprechen von einem "perfekten Sturm".

Wer ist Arndt Geiwitz?

Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz im März diesen Jahres vor der Gläubigerversammlung von Galeria Karstadt Kaufhof.

Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz im März diesen Jahres vor der Gläubigerversammlung von Galeria Karstadt Kaufhof.

(Foto: picture alliance/dpa)

Der 54-jährige Wirtschaftsprüfer und Steuerberater ist der Mann, auf dem jetzt große Hoffnungen ruhen. Er hat einschlägige Vorerfahrung als Sanierer und Insolvenzverwalter. Geiwitz hat sich in der Vergangenheit bei den Insolvenzverfahren der Kaufhaus-Kette Galeria und der Drogeriekette Schlecker einen Namen gemacht. Angeblich ist Geiwitz‘ höchste Priorität immer die Fortführung eines Unternehmens gewesen, nie die Abwicklung.

Was soll oder kann Geiwitz konkret machen?

Geiwitz hat einen Beratungsauftrag von Signa erhalten. Seine Aufgabe ist laut dem Wirtschafts- und Steuerberaterbüro SGP Schneider Geiwitz & Partner, "sich einzuarbeiten und einen Überblick über die Unternehmensgruppe zu gewinnen". Läuft es, wie die Gesellschafter es fordern, wird er demnächst noch in eine andere Rolle schlüpfen: Benko soll ihm seine Stimmrechte übertragen. Damit hätte Geiwitz den Vorsitz im Beirat, er wäre Treuhänder für Benko und der direkte Ansprechpartner für Gesellschafter und Investoren.

Schnelle Lösungen sind allerdings nicht zu erwarten. Allein Licht ins Dunkle des weitverzweigten Firmenimperiums zu bringen, wird laut Insidern, die die "FAZ" zitiert, Wochen in Anspruch nehmen. Die Rolle des Insolvenzverwalters wird Geiwitz - sollte Signa pleitegehen - nicht übernehmen. Dafür ist er wegen Galeria Kaufhof und seiner Nähe zu Benko zu parteiisch.

Kann Geiwitz das Ruder herumreißen?

Fraglich. Das Insolvenzverfahren bei Schlecker kostete am Ende 25.000 "Schlecker-Frauen" ihre Jobs. Er hatte damals zwar Investoren an der Hand, doch letztlich winkten alle ab. Die Rettung von Galeria Kaufhof ist auch nur bedingt eine Empfehlung. Die Kette musste bereits durch zwei Insolvenzen, der Bund verlor knapp 600 Millionen Euro. Im vergangenen Jahr beantragte Benko das dritte Mal Staatshilfen, und in der Kasse des Warenhausriesen soll schon wieder Ebbe herrschen.

Wie geht es weiter?

Ob Signa noch zu retten ist, weiß derzeit wahrscheinlich nicht einmal Arndt Geiwitz. Es gibt zu viele offene Fragen: Findet Benko noch Geldgeber? Wie tief steckt Benkos verschachteltes Imperium tatsächlich in den Miesen? Fest steht nur: Benko sitzt weiter auf dem Schleudersitz. Die Gesellschafter fordern unverändert seinen Rückzug als Vorsitzender aus dem Beirat der Signa Holding. Eine Einigung darüber ist - anders, als in der vergangenen Woche verlautbart wurde - noch nicht besiegelt. Benko knüpft seinen Rückzug immer noch an Bedingungen, und die Gesellschafter sind uneins. Die internen Gespräche laufen.

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An anderer Stelle wird angeblich ebenfalls geredet und an einer Rettung gebastelt: Laut Business Insider verhandelt Benko seit Wochen persönlich mit dem Staatsfonds von Saudi-Arabien - dem Public Investment Fund (PIF). Eine Finanzspritze in dreistelliger Millionenhöhe für die Immobiliensparte Signa Prime Selection soll die akuten Zahlungsschwierigkeiten überbrücken. Der Fonds verfügt über ein Vermögen von über 700 Milliarden Euro und wird vom Kronprinzen Mohammed bin Salman kontrolliert. Er wird mit einem Auftragsmord an dem Journalisten Jamal Khashoggi 2018 in Istanbul in Verbindung gebracht und ist seither auch als "Blut-Scheich" bekannt.

Ob Geiwitz über diese Gespräche informiert ist oder nicht, ist unklar. Die Schweizer "SonntagsZeitung" schreibt, es handele sich um einen Alleingang Benkos, bei Signa wisse niemand etwas davon. Angeblich haben die Saudis Hunderte Millionen Euro von PIF in Signa investiert. Demnach hätten sie ein konkretes Interesse, ihr Investment zu schützen. Aber die Zeit drängt. Laut Business Insider muss Geld bis Anfang nächster Woche aus Riad kommen.

Quelle: ntv.de

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