Ziel: 200 Nova-Filialen bis 2025 So will die "Mini-Botschaft für Ukrainer" in Europa wachsen
14.02.2024, 18:45 Uhr Artikel anhören
Ukrainische Flüchtlinge schicken in ihren Paketen vor allem persönliche Dinge in die Heimat, wie Bücher und Dokumente. Die Türen der Nova Post stehen aber allen offen.
(Foto: IMAGO/imagebroker)
In Deutschland gibt es seit einigen Monaten einen neuen Postdienstleister aus der Ukraine: Nova Post betreibt hierzulande inzwischen 15 Filialen - vor allem in großen Städten wie Berlin, wo viele ukrainische Flüchtlinge leben, die Kontakt mit ihrer Heimat halten wollen. Nova schmiedet darüber hinaus größere Pläne: In den kommenden zwei Jahren will der Versanddienstleister 200 Filialen in 30 europäischen Ländern eröffnen und Nova so zu einem europaweit führenden Postunternehmen machen. Im Interview mit ntv.de verrät Europachef Oleksandr Lysovets, wie das Unternehmen das schaffen will.
ntv.de: War die Expansion nach Europa eine wirtschaftliche Entscheidung, weil Sie in der Ukraine nach Beginn des russischen Angriffs Filialen schließen mussten, oder wollten Sie geflüchteten Ukrainern helfen, Pakete in die Heimat zu schicken, nachdem allen anderen Unternehmen das Risiko zu groß war?
Oleksandr Lysovets: Unmittelbar nach der umfassenden Invasion befand sich eine große Zahl ukrainischer Bürger im Ausland. Viele von ihnen verließen das Land in aller Eile und nur mit ein paar Habseligkeiten. Daher war die Nachfrage groß, große Pakete mit persönlichen Gegenständen aus der Ukraine zu erhalten und zurückzuschicken. Wir begannen zu überlegen, wie wir den Ukrainern helfen könnten, und entwickelten den Service "Dinge von zu Hause ins Ausland" mit Rabatten von bis zu 85 Prozent nach Europa. Unsere erste Filiale eröffneten wir am 22. Oktober 2022 in Warschau. So begannen wir unsere internationale Expansion - innerhalb nur eines Jahres eröffneten wir Filialen in fünf neuen Ländern.
Hatten Sie zuvor schon Erfahrungen im Ausland gesammelt?

Oleksandr Lysovets ist verantwortlich für die Einführung von Nova Post in neuen Ländern sowie für die Entwicklung der Infrastruktur und neuer Dienstleistungen in bestehenden Ländern.
(Foto: privat)
Wir haben bereits vor dem Krieg weltweit Pakete verschickt. Unser Unternehmen Nova Global arbeitet mit europäischen Partnern zusammen. Allerdings war der Service nicht besonders preiswert. Unsere erste offizielle Repräsentanz haben wir 2014 in Moldawien eröffnet. Erste Erfahrungen im Ausland hatten wir also schon. Es gab auch schon vor der Invasion Pläne, in den europäischen Markt einzutreten. Die ukrainischen Flüchtlinge waren für uns ein Ansporn, es schneller zu machen.
Und wie schnell ging dann die Expansion?
In den ersten drei Monaten haben wir 17 Filialen in großen polnischen Städten eröffnet. Das waren Krakau, Posen und andere Städte wie Breslau und Rzeszow. Polen hatte seine Grenzen geöffnet und die Zollverfahren für uns vereinfacht.
Wie passen Sie Ihr ukrainisches Geschäftsmodell denn an den deutschen Markt an?
In Europa gehen wir anders vor als in der Ukraine. Wir arbeiten mit Partnern für die Lieferung auf der sogenannten "letzten Meile" zusammen, die bereits in Europa tätig waren. In Deutschland sind es zum Beispiel DPD und DHL. In jedem Land haben wir mindestens einen Partner, der uns Vermittlungsdienste anbietet, wie zum Beispiel Zollabfertigungen. Der unterschiedliche Ablauf hat uns auch dazu angeregt, in der Ukraine Dinge umzusetzen, die in Europa besser funktionieren und umgekehrt.
Und die Kosten?
Bisher haben wir etwa zehn Millionen US-Dollar in den Markteintritt und die Entwicklung in Europa investiert. Das ist nicht sehr viel, aber wir sehen uns in Europa als Startup. Wir bauen keine eigenen Gebäude und lassen unsere Partner sogar gezielt in einzelne Länder liefern. Dieses Jahr werden wir mehr Geld investieren, denn wir wollen neue Länder erschließen und zusätzliche Filialen in Ländern eröffnen, in denen wir bereits tätig sind.
Gab es Verluste in der Logistik?
Wir haben die Lastwagen von Anfang an mit Paketen beladen und im Zuge unseres Wachstums kamen weitere hinzu. Es gab vor allem eine große Nachfrage in Polen, da dort viele Filialen eröffnet wurden. Die Lastwagen fuhren sofort von der Ukraine nach Polen und umgekehrt.
Hat das Unternehmen sein Ziel erreicht, die Liefermengen wieder auf das Vorkriegsniveau zu bringen?
Im vergangenen Jahr haben wir 412 Millionen Pakete zugestellt. Das sind sogar 30 Prozent mehr als im Jahr 2022. Ja, wir haben also das Volumen wiederhergestellt, wir haben das Vorkriegsniveau erreicht und es 2023 sogar übertroffen.
Wer sind Ihre Kunden?
Wir haben eine Studie bei Gradus in der Ukraine bestellt, das Ergebnis erwarten wir im Laufe des Februars. Aber unsere ukrainischen Kunden sagen, Nova ist wie eine Mini-Botschaft der Ukraine in Europa, denn dort trifft man sich, lernt sich kennen und kommuniziert. Alle anderen kommen vor allem aus Neugierde, um sich umzusehen, um etwas Neues zu sehen. Natürlich sind es hauptsächlich Frauen, die viele Dinge nach Hause an ihre Ehemänner oder Verwandten schicken, da die Männer in der Ukraine das Land verteidigen müssen. Leider ist dies die Realität, in der wir heute leben.
Wissen Sie, was die Kunden am häufigsten in ihren Paketen versenden?
Dabei handelt es sich meist um persönliche Dinge: Bücher, Dokumente und so weiter. Und wenn wir über die Feiertage sprechen - zum neuen Jahr, zu Weihnachten haben die Kunden Souvenirs, Geschenke aus Europa, sogar Lebensmittel, und die so viel wie möglich, geschickt. Aber nicht alle Lebensmittel können transportiert werden. Wir behalten den Überblick über die Zollabfertigung und informieren unsere Kunden darüber, was erlaubt und was verboten ist.
Sie schicken, was immer sie wollen, aber das Wichtigste sind Kleidung, Schuhe, Bücher, Dokumente und Waren, die vom deutschen und ukrainischen Zoll für den Transport zugelassen sind, auch Haushaltsgeräte oder Laptops. Aber auch Fahrräder und Skier werden verschickt.
Wie viele Filialen gibt es derzeit im Ausland?
In Europa haben wir derzeit 87 Zweigstellen in elf Ländern, wobei die größte Anzahl von Zweigstellen in Polen liegt, 39, in Deutschland sind es 15. Wenn wir das Partnernetz berücksichtigen, über das wir in Europa zustellen, sind es mehr als 35.000 Servicestellen (Zustellstützpunkte und Postämter) sowie jede Adresse in den Ländern, in denen wir tätig sind.
Das reicht Ihnen vermutlich nicht.
Wir planen die Eröffnung von Filialen in England, Großbritannien, Spanien und Frankreich sowie die Expansion in bestehenden Märkten. In Deutschland streben wir bis Ende des Jahres die Eröffnung von 20 weiteren Filialen an. Unser Lieferservice wird ausgebaut, um schneller als der Markt Abholungen und Zustellungen anzubieten. Unsere Logistik ermöglicht es, Pakete zwischen Städten innerhalb eines Tages zuzustellen.
In der Ukraine bieten wir derzeit mehr Dienstleistungen und Einrichtungen an als in Europa, da wir hier auf lokale Partner zurückgreifen. Wir planen jedoch, unser Angebot in Europa zu erweitern, insbesondere durch eine speziell für diesen Markt entwickelte App. Diese App ist mehrsprachig und beinhaltet einen Paketverwaltungsdienst, der es den Nutzern ermöglicht, Pakete umzuleiten, den Kurierweg auf der Karte zu verfolgen, alternative Zustellpersonen zu wählen und das Zustellzeitfenster anzupassen.
Gibt es irgendwelche Probleme im deutschen und europäischen Markt, die Sie aus der Ukraine nicht kennen?
Das einzige Problem ist die Zeit. Aufgrund der Anforderungen der lokalen Behörden verlieren wir viel Zeit. Zudem müssen wir viele Lizenzen und Genehmigungen einholen, sogar um ein Bankkonto zu eröffnen. In Deutschland haben wir lange gebraucht, um unsere ersten Filialen zu eröffnen. Wir hatten geplant, dass es drei Monate dauern würde, aber es hat sechs Monate gedauert.
Wollen Sie mit großen Konzernen wie DHL und Amazon konkurrieren?
Wir wollen eher Partner als Konkurrenten sein. Im Allgemeinen sind wir sehr offen für eine Zusammenarbeit.
Haben Sie keine Angst vor der Konkurrenz auf dem europäischen Markt?
Ein gesunder Wettbewerb ist immer gut. Ich möchte ergänzen, dass wir die Ukraine als potenziellen Markt mit fast 40 Millionen Kunden hinzufügen können. Mit über 10.000 Filialen und mehr als 15.000 Postämtern ist dies eine beträchtliche Erweiterung. Wir erweitern somit die bestehende Infrastruktur in Europa um Nova Post in der Ukraine.
Mit Oleksandr Lysovets sprach Maryna Bratchyk
Quelle: ntv.de