Wirtschaft

Börsenturbulenzen möglichSollten Anleger lieber alle Aktien verkaufen?

05.11.2024, 11:56 Uhr
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Auch an der New Yorker Börse könnte es in der Wahlnacht turbulent zugehen. (Foto: picture alliance / Xinhua News Agency)

Die vergangenen Tage deuten bereits an, dass die US-Wahl die Börsen extrem bewegen könnte. Für Anleger ist das eine Chance auf hohe Gewinne - aber nicht ohne Risiko. Anlageexperte David Wehner vom Vermögensverwalter FGTC Investment erklärt, was jetzt aus seiner Sicht zu tun ist.

Die vergangenen Tage deuten bereits an, dass die US-Wahl die Börsen extem bewegen könnte. Für Anleger ist das eine Chance auf hohe Gewinne - aber nicht ohne Risiko. Anlageexperte David Wehner vom Vermögensverwalter FGTC Investment erklärt, was jetzt aus seiner Sicht zu tun ist.

ntv.de: So kurz vor der US-Wahl werden Anlegerinnen und Anleger zunehmend nervös. Sollten sie jetzt lieber noch alle Aktien verkaufen? Denn niemand weiß, wie turbulent es in den USA weitergehen wird.

David Wehner: Ich würde mich niemals dazu hinreißen lassen, alles zu verkaufen. Auf Volatilität zu spekulieren, um dann den Tiefpunkt abzupassen und wieder einzusteigen, ist extrem schwierig. Bei den Wahlen 2016 und 2020 haben die Märkte eigentlich gar nicht reagiert, 2012 und 2008 sind sie hingegen gefallen. Jetzt haben wir eine Fifty-fifty-Chance, dass der Markt in Volatilität umschlägt. Ich glaube schon, dass wir in der Wahlnacht eine gewisse Volatilität erleben werden. Aber politische Börsen haben bekanntlich kurze Beine. Kurssprünge könnten sich im Verlauf der nächsten Wochen wieder relativieren und uns wahrscheinlich nicht einmal bis ins Jahresende begleiten.

Was ist dann für Anleger jetzt sinnvoll, kurz vor der Wahl?

Anleger sollten jetzt Gewinne abschöpfen: nicht alles verkaufen und auch nicht alles investieren, sondern sich etwas Luft verschaffen und Liquidität aufbauen. Wir haben bisher ein grandioses Aktienjahr erlebt. Wenn ich Anfang des Jahres mit 100 Euro gestartet bin und jetzt mit Kursgewinnen bei 120 Euro liege, dann würde ich die 20 Euro, die ich als Gewinn vereinnahmt habe, verkaufen. Meine ursprüngliche Investition kann weiterlaufen, und wenn wir Volatilität sehen sollten, kann man zu niedrigeren Kursen aufstocken.

Zum Wochenauftakt halten Anleger die Füße still. Gibt es Werte, bei denen es sich noch lohnen könnte, ein Risiko einzugehen?

Ein Investment von der Wahl abhängig zu machen, ist wie ein Münzwurf. Die Frage ist eher, was danach passiert. Wir sehen, dass die USA unter den Demokraten sehr wirtschaftsfreundlich agieren. Die Republikaner verfolgen ohnehin eine wirtschaftsfreundliche Politik. Am schuldenfinanzierten Wachstum der USA wird sich auch unabhängig vom Wahlausgang nichts ändern. Mit Blick auf die nächsten zwölf Monate halte ich es deshalb für sinnvoll, nicht nur auf die Gewinner der vergangenen zwei Jahre zu setzen, sondern auch auf Sektoren und Marktsegmente, die weniger profitiert haben.

Also auch mal abseits der großen Technologietitel schauen?

Genau. Meiner Meinung nach dürften vor allem Aktien von kleineren und mittelgroßen Unternehmen von neuen konjunkturellen Impulsen nach der Wahl mittel- und langfristig profitieren. Sie hängen stark von der Binnenwirtschaft ab und reagieren sensibel auf konjunkturelle Entwicklungen. Deshalb haben sie die Chance, aufzuholen und die Bewertungslücke zu den großen Unternehmen wieder zu schließen.

Was halten Sie von den sogenannten Trump-Trades, den Spekulationen, die sich im Falle eines Trump-Siegs besonders auszahlen könnten?

Von Trump-Trades halte ich wenig. Der Markt versucht, das zu wiederholen, was bei Trumps letzter Präsidentschaft funktioniert hat. Natürlich könnten der Öl- und Gas-Sektor oder der Infrastrukturaufbau von seinem möglichen Sieg profitieren. Aber vor acht Jahren hatten die USA eine ganz andere Verschuldungsquote, einen geringeren Nominalzins und eine geringere Inflation. Die Aktienmärkte waren zu diesem Zeitpunkt relativ volatil, während sie jetzt neuen Höchstständen nachjagen. Auf eine Wiederholung zu setzen, ist daher zu kurz gegriffen. Außerdem hat die Vorpositionierung schon stattgefunden und jetzt noch auf diesen Zug aufzuspringen, wäre sehr gewagt.

Trump inszeniert sich als Krypto-Fan, aber auch Harris steht Kryptowährungen nicht mehr so ablehnend gegenüber wie früher. Lohnt es sich, jetzt noch in Bitcoin oder Ethereum einzusteigen?

Kryptowährungen sind mittlerweile stark etabliert und viele Kapitalmarktexperten schreiben Bitcoin und Co eine ähnliche Sicherheitsfunktion wie Gold zu. Der Bitcoin hat aus diesem Blickwinkel etwa als Schutz vor neuen fiskalpolitischen, schuldenfinanzierten Programmen oder geldpolitischen Schritten der Zentralbanken eine gewisse Berechtigung. Allerdings ist er sehr volatil und könnte in Zukunft politisch reguliert werden. Wenn sich ein Präsidentschaftskandidat wie Donald Trump dem Thema gegenüber eher positiv zeigt, spricht das viele an. Daraus einen Trend abzuleiten und den Bitcoin kurzfristig als spekulatives Instrument zu nutzen, halte ich aber ebenfalls für gewagt.

Gold dient schon jetzt als eine Absicherung gegen die steigende Verschuldung der USA. Sollten Anleger hier nochmal aufstocken?

Wir rechnen damit, dass der Goldpreis zum Ende des Jahrzehnts höher stehen wird als die Höchststände in diesem Jahr. Aber ich wäre vorsichtig, alles auf eine Wahl zu setzen. Egal ob bei Bitcoin, Aktien oder Gold sollte man einen Anlagezeitraum von fünf bis zehn Jahren ins Auge fassen.

Unabhängig vom Wahlausgang könnten US-Staatsanleihen unter Druck geraten. Dürfen Anleger hier auf steigende Renditen hoffen?

Ja, die Renditen sind sogar schon gestiegen und es hat meines Erachtens ein Frontrunning stattgefunden, weil der Markt mit steigenden Schuldenquoten und Neuemissionen rechnet. Die Renditen könnten sich jetzt auf hohem Niveau einpendeln. Es gibt aber auch das Risikoszenario, dass aufgrund des steigenden Haushaltsdefizits und der höheren Emission an Staatsanleihen, Investoren höhere Risikoprämien verlangen. Zu prognostizieren, was passieren wird, ist aber kaum möglich. Insgesamt ist davon auszugehen, dass die Märkte nicht unbedingt in die Richtung laufen werden, die fast alle Kapitalmarktexperten gerade erwarten.

Mit David Wehner sprach Victoria Robertz

Quelle: ntv.de

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