Ausfälle auch bei Air Berlin Tuifly stellt Flugbetrieb am Freitag ein
06.10.2016, 19:04 Uhr
Am Freitag bleiben alle Flieger des Konzerns am Boden.
(Foto: imago/Becker&Bredel)
Der Ferienflieger-Konzern Tuifly hat alle 108 Flüge für Freitag gestrichen. Das Unternehmen reagiert damit auf eine Welle von Krankheitsmeldungen. Die Ausfälle betreffen auch Air Berlin. In den kommenden Tagen drohen weitere Flug-Streichungen.
Wegen massenhaften Krankmeldungen des Kabinenpersonals stellt der Ferienflieger Tuifly am Freitag seinen Betrieb ein. Insgesamt fallen an dem Tag alle 108 Verbindungen aus, wie Tuifly mitteilte. Um Urlauber trotzdem aus den Feriengebieten nach Hause zu bringen, habe die Konzernmutter TUI Flugzeuge anderer Airlines gemietet.Auf der Konzernseite wurde eine Liste der zehn Flüge veröffentlicht, die am Freitag mit eingekauften Flugzeugen und Crews absolviert werden.
In den nächsten Tagen sei mit weiteren Annullierungen zu rechnen. Bereits am Donnerstag mussten von 110 vorgesehenen Flügen 47 Flüge ersatzlos gestrichen werden, wie die Airline in Hannover mitteilte. Tausende Passagiere mussten auf ihre Verbindungen warten oder ihre Urlaubsreisen zu den Herbstferien gleich ganz abblasen.
Air Berlin setzt auf Freiwillige
In Deutschland: 0800 900 609 0 (kostenfrei) oder 0511 942 796 10 (Ortstarif)
In Großbritannien: 020 7048 0143 (lokale Rate, Mobilfunk abweichend)
In Italien: 899 03 20 31 (0,63 € pro Minute, Mobilfunk abweichend)
In Spanien: 902 012 512 (0,09 € pro Minute)
Weitere Service-Nummern finden Sie auf der Tuifly-Website.
Denn auch der Tuifly-Kunde AirBerlin ist betroffen: Tuifly habe am Donnerstag für Air Berlin keinen einzigen der geplanten 90 Flüge durchgeführt, sagte Air-Berlin-Sprecher Uwe Kattwinkel. Mit Hilfe anderer Crews habe Air Berlin 30 dieser 90 Flüge anbieten können, so dass letztlich 60 Flüge ausgefallen seien. Kattwinkel sprach von einer "schwierigen, dramatischen Situation vor allem für unsere Fluggäste".
Air Berlin schloss mit den Gewerkschaften Verdi und Vereinigung Cockpit sowie dem Gesamtbetriebsrat eine Krisenvereinbarung, in der Piloten, Flugbegleiter und Bodenpersonal bis einschließlich Sonntag zu freiwilligen Einsätzen aufgerufen werden.
Seit dem Wochenende melden sich Kabinen- und Cockpitcrews massenweise vom Dienst ab. Als Hintergrund werden der tiefgreifende Umbau der hoch verschuldeten Air Berlin und damit einhergehende Veränderungen bei der Tuifly gesehen. Die deutsche Fluggesellschaft des Touristikkonzern Tui soll gemeinsam mit Air-Berlin-Teilen in eine neue Dachholding für Ferienflieger integriert werden. Arbeitnehmervertreter fürchten Job-Verluste und schlechtere Tarifbedingungen.
Ufo zweifelt an Jobgarantien an
Der neue Airline-Verbund soll insgesamt gut 60 Flugzeuge stark werden, 20 von der Air-Berlin-Tochter Niki und 40 von Tuifly. Nach früheren Aussagen eines TUI-Sprecher sind die Tarifverträge bei Tuifly sowie der Standort Hannover durch die Neuordnung nicht gefährdet. Bei der Airline arbeiten 2400 Menschen.
An der neuen Holding sollen der Reisekonzern TUI sowie Air-Berlin-Großaktionär Etihad jeweils ein Viertel der Anteile halten. Die Mehrheit läge einer mit den Planungen vertrauten Person zufolge bei einer österreichischen Stiftung.
Die Flugbegleitergewerkschaft Ufo kritisiert die Job-Zusagen. "Die Tuifly und die Air Berlin können gar keine Garantien geben, weil sie selbst sagen: Sie werden dort nur Minderheitseigner sein", sagte Ufo-Tarifexperte Nicoley Baublies dem Radiosender "SWR Info". Wegen der Krankschreibungen fordere er nun gewerkschafts- und unternehmensübergreifend Gespräche, um die Lage in den Griff zu bekommen.
Tuifly verweigert Entschädigung
Ihre Gäste will die Tuifly nicht entschädigen und beruft sich auf höhere Gewalt, die für die Ausfälle und Verspätungen verantwortlich sei. "Entschädigungs- beziehungsweise Schadensersatzansprüche der Kunden entstehen daraus nicht", teilte Tui mit. Eine Sprecherin betonte: "Die massenhaften und äußerst kurzfristigen Krankmeldungen sind ein außergewöhnlicher und nicht vermeidbarer Umstand im Sinne von höherer Gewalt."
Ganz anders sieht das Philipp Kadelbach vom Flugrechtsportal Flightright. Tuifly könne sich nicht auf höhere Gewalt berufen. Krankheitswellen zählten zu den normalen Betriebsrisiken, die Airlines zu jeder Zeit einkalkulieren müssten. Dies gelte auch bei Zweifeln, ob tatsächlich eine Krankheit vorliege. Er empfehle allen betroffenen Passagieren, ihre Entschädigungsansprüche geltend zu machen. Bislang habe man rund 500 Ansprüche auf Ausgleichszahlung verärgerter Kunden auf dem Tisch. Sollte es weiterhin zu Flugausfällen kommen, rechne man innerhalb kurzer Zeit mit 1500 bis 2000 weiteren Anträgen.
Die Unternehmen haben nach Einschätzung des Berliner Arbeitsrechtlers Robert von Steinau-Steinrück kaum Möglichkeiten, die Krankmeldungen der Beschäftigten zu hinterfragen oder ihnen gar einen "wilden Streik" zu unterstellen. Es sei sehr schwierig zu beweisen, dass die Beschäftigten die Krankheit nur vortäuschten. Ärztliche Atteste hätten eine hohe Beweiskraft. Falsche Krankmeldungen erfüllen dem Fachanwalt zufolge allerdings den Straftatbestand des Betruges.
Auch bei Eurowings drohen Streiks
Die Flugbegleitergewerkschaft Ufo lehnte jegliche Verantwortung für die massenhaften Krankmeldungen ab. "Das ist definitiv kein Mittel zum Arbeitskampf für uns", sagte Baublies. Man rufe dazu nicht auf und distanziere sich klar von einem Missbrauch.
Die Lufthansa-Tochter Eurowings wies Ufo-Informationen zurück, dass sich auch bei ihr der Krankenstand verdoppelt habe. Nach einigen Krankheitsfällen am Wochenende habe man den eigenen Flugplan "sehr sauber" abgeflogen, sagte ein Sprecher.
Ab der kommenden Woche will die Ufo bei der Eurowings Warnstreiks organisieren, die sich laut Baublies auch auf die Schwester Germanwings erstrecken könnten. Ein Eurowings-Sprecher zeigte sich hingegen zuversichtlich, dass man auf der Basis eines verbesserten Angebots schnell wieder in Verhandlungen einsteigen könne.
Quelle: ntv.de, shu/DJ/rts