Wirtschaft

Ausblick nach 2035"Über Verbrenner wird man dann nur noch schmunzeln"

17.12.2025, 16:29 Uhr
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Bisher war vorgesehen, dass die Hersteller den CO2-Ausstoß um hundert Prozent - also auf Null - senken müssen. (Foto: picture alliance / dpa)

Das in der EU geplante absolute Aus für neue Verbrenner-Autos ab 2035 ist vom Tisch. Die EU-Kommission passte ihre Emissionsrichtlinien für die Autobranche an. Die CO2-Flottenemissionen müssen nach den neuen Regelungen ab 2035 nur noch um 90 Prozent sinken, statt um 100 Prozent. Damit können auch danach noch neue Hybrid- oder Benzinautos oder Elektrofahrzeuge mit kraftstoffbetriebenem Generator an Bord, sogenannte Range Extender, zugelassen werden. Autoexperte Frank Schwope erklärt, warum der Kurswechsel die Branche kurzfristig entlastet, langfristig aber Risiken birgt – und weshalb Förderungen und Quoten den Markt eher verzerren als stärken.

ntv.de: Die EU rückt vom geplanten vollständigen Verbrenner-Aus ab. Wie bewerten Sie diesen Kurswechsel? Wird der Automobilstandort Europa davon profitieren?

Frank Schwope: Für die Autobosse ist das erstmal eine gute Nachricht. Einige Arbeitsplätze werden mittelfristig gesichert, und man kann den Verbrenner noch ein bisschen weiter 'melken'. Langfristig ist es jedoch nicht unbedingt positiv. Dadurch fließt ein Teil der Investitionen in den Verbrenner, statt vollständig in Zukunftstechnologien zu gehen.

Autohersteller können jetzt entscheiden, ob sie weiter auf Verbrenner setzen oder in E-Mobilität investieren. Wo sehen Sie da ein Problem?

Im Grunde genommen ist daran nichts falsch. Der Staat ist aber kein guter Unternehmer. Autobauer sollten selbst entscheiden können, welche Technologien sinnvoll sind. Gleichzeitig besteht durch die Konkurrenz aus China die Gefahr, im Bereich der Elektromobilität weiter zurückzufallen. Wenn sich Hersteller weiterhin stark auf den Verbrenner konzentrieren und Elektromobilität nur halbherzig verfolgen, kann man den Anschluss an die chinesischen Hersteller verlieren, die komplett auf Elektroautos setzen.

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Frank Schwope ist Lehrbeauftragter für Automobilwirtschaft an der Fachhochschule des Mittelstands in Hannover. (Foto: Frank Schwope/dpa)

Reagiert die EU-Kommission mit ihrer Entscheidung stärker auf Marktrealitäten oder auf den Druck der Autoindustrie?

Eindeutig auf den Druck der Autoindustrie - beziehungsweise der deutschen Regierung. Die Marktrealität spielt hier aber auch eine Rolle. Nicht jeder hat eine Ladesäule vor der Haustür oder eine Wallbox in der Garage. In einigen Jahren wird das meiner Meinung nach ganz anders aussehen, wenn die Solid-State-Batterien auf den Markt kommen - vermutlich gegen Ende der Dekade. Mit diesen Batterien werden deutlich größere Reichweiten und kürzere Ladezeiten möglich sein. Dann wird das Elektroauto für viele Menschen auch deutlich realistischer und attraktiver.

Für wie sinnvoll halten Sie den Vorschlag, Emissionen von Verbrennerfahrzeugen über grünen Stahl oder klimaneutrale Kraftstoffe auszugleichen?

Das ist eine Scheinlösung, die einiges verschleiert. Hier wird wild hin- und hergerechnet, sodass man kaum nachvollziehen kann, wie das funktionieren soll. Wahrscheinlich wird es wieder Ausnahmen geben oder man kommt in den nächsten Jahren davon wieder ab.

Ist die geplante Förderung kleiner europäischer E-Autos ein sinnvoller Hebel?

Noch ist die genaue Ausgestaltung nicht bekannt. Eine direkte Förderung von Herstellern ist selten eine gute Lösung. Wenn die Förderung aber dazu führt, dass Menschen mit geringem Einkommen sich ein Auto für 15.000 Euro leisten können, wäre das sicherlich sinnvoll. Anders wäre es, wenn beispielsweise jemand einen Tesla für 60.000 Euro kauft und dafür eine Förderung bekommt. Das halte ich für verfehlte Politik, weil die meisten diese Unterstützung gar nicht brauchen.

Reicht Förderung allein aus, um den E-Auto-Markt wieder in Schwung zu bringen?

Die Pläne der Bundesregierung erinnern mich stark an die Abwrackprämie von 2009: Damals stiegen die Verkaufszahlen kurzfristig massiv an - von 3,1 Millionen auf 3,8 Millionen Autos - nur um danach in den folgenden fünf Jahren wieder stark einzubrechen. Jetzt droht ein ähnlicher Effekt. Alle warten zunächst auf die Prämie, bevor sie kaufen. Wenn das Förderbudget dann aufgebraucht ist, bricht der Markt wieder ein. Solche kurzfristigen Subventionen kurbeln die Nachfrage nur temporär an. Langfristig verzerren sie den Markt und sind daher aus meiner Sicht keine gute Politik. Dabei funktioniert der Markt aktuell eigentlich ganz gut. Bei den Neuzulassungen in Deutschland liegen batterieelektrische Fahrzeuge derzeit bei etwa 22 Prozent, zusammen mit Voll- und Plug-in-Hybriden kommen wir auf über 50 Prozent. Das ist ein gesunder, funktionierender Markt. Eingriffe mit staatlichen Subventionen halte ich daher für problematisch – zumal der Staat selbst sparen muss.

Wie bewerten Sie die geplanten E-Auto-Quoten für Unternehmen und Mietwagenfirmen?

Bei Quoten bin ich grundsätzlich der Meinung: Unternehmen sollten selbst entscheiden, der Staat sollte sich da heraushalten. Natürlich kann es für die Umwelt und die Transformation hilfreich sein, wenn Großkunden nach und nach höhere Elektroautoquoten erfüllen müssen. Das kann durchaus ein Ziel unterstützen und die Transformation vorantreiben. Grundsätzlich sollte die Entscheidung aber eher den Unternehmen überlassen bleiben.

Die EU-Kommission will den Übergang zur E-Mobilität außerdem mit Förderungen der Batterieindustrie unterstützen. Wie wichtig ist der Aufbau einer europäischen Batterie- und Rohstoffkette?

Europa darf sich nicht von einzelnen Staaten oder Regionen abhängig machen. Gleichzeitig können Unternehmen wie VW oder Mercedes den Aufbau der Industrie auch selbst stemmen. VW hat zum Beispiel gerade in Salzgitter die Batterieproduktion gestartet und arbeitet in Kooperation mit einem chinesischen Partner daran, die Herstellung hochzufahren. Wenn der Verbrenner ausläuft, aber keine eigene Batterieproduktion vorhanden ist, wird Europa abhängig von asiatischen Lieferanten - etwa aus China. Sollte China Rohstoffe oder Batterien zurückhalten, hätten wir ein ernsthaftes Problem. Dann würden die kritischen Stimmen hierzulande sofort laut werden: Wie konnte man den Verbrenner auslaufen lassen und sich gleichzeitig in Abhängigkeit begeben?

Ist indirekte Regulierung effektiver als ein generelles Verbrenner-Verbot?

Das wird sich erst 2035 wirklich zeigen. Wenn sich die Rahmenbedingungen nicht stark ändern - und die Asiaten uns weiterhin mit Batterien beliefern - dann werden wir uns 2035 vielleicht zurücklehnen und über die heutige Diskussion nur noch müde lächeln. Ich glaube, dass bis dahin batterieelektrische Fahrzeuge das Nonplusultra sein werden. Über Verbrenner wird man dann nur noch schmunzeln, weil die Fortschritte bei Batterien einfach riesig sein werden. Bei Verbrennungsmotoren gibt es kaum noch Spielraum, aber bei batterieelektrischen Fahrzeugen kann noch enorm viel verbessert werden.

Kann Europa überhaupt noch zu China aufschließen?

VW, BMW und Mercedes werden auch langfristig bestehen können. VW ist weltweit aktuell Nummer vier oder fünf bei batterieelektrischen Fahrzeugen und fährt Batteriewerke hoch. Für Ende der Dekade haben Toyota und Mercedes Solid-State-Batterien angekündigt. Wenn diese Batterien wirklich kommen, könnte das noch einmal ein echter Game Changer werden und einiges durcheinanderwirbeln. Natürlich werden nicht alle heutigen Hersteller überleben, aber ich denke schon, dass die großen deutschen Autobauer auch über 2030 hinaus eine Zukunft haben.

Mit Frank Schwope sprach Juliane Kipper

Quelle: ntv.de

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