Wirtschaft

Gut gemeint, schlecht gemachtLockerung des Verbrenner-Aus würde für Autobauer teuer 

06.12.2025, 09:02 Uhr Christina-LohnerVon Christina Lohner
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Ein Aus des Verbrenner-Aus ist auch finanziell zu kurz gedacht, warnen Autoexperten. (Foto: picture alliance / SvenSimon)

Die Bundesregierung möchte die stark kriselnde Autoindustrie stützen. Doch Branchenexperten zufolge bewirken Union und SPD mit ihren Forderungen nach einem Aufweichen des geplanten EU-Verbots neuer Verbrenner genau das Gegenteil. Mehr Geld brächte das nur kurzfristig.

In der kommenden Woche wollte die EU-Kommission ihre überarbeiteten Pläne zum Verbrenner-Aus präsentieren. Verkehrskommissar Apostolos Tzitzikostas hat allerdings schon durchklingen lassen, dass es später werden dürfte. Zu erwarten ist, dass das für 2035 geplante Verbrenner-Aus aufgeweicht wird. Zu tief scheint die Krise der europäischen Autoindustrie, als dass ihr nun die scharfen CO2-Vorgaben zugemutet werden könnten.

Auch die SPD ist eingeknickt, die Bundesregierung macht sich in Brüssel nun für ein "Aus vom ganz starren Verbrenner-Aus" stark, wie es CSU-Chef Markus Söder zufrieden formulierte. Schwarz-Rot kämpft nach eigenen Angaben für die Zukunftsfähigkeit der deutschen Automobilbranche und die Sicherung von Arbeitsplätzen. Doch laut Branchenexperten bewirkt die neue Haltung der Bundesregierung genau das Gegenteil: Eine Lockerung des Verbrenner-Aus würde die Zukunft der deutschen Hersteller gefährden. Denn dann würden sie weniger in Innovationen investieren - und damit die globale Wende zur Elektromobilität endgültig verpassen.

"Das Wichtigste für die deutsche Autoindustrie ist, wieder vor die technologische Welle zu kommen", sagt Stefan Bratzel im Gespräch mit ntv.de, also technisch wieder führend zu werden. "Andernfalls werden wir den globalen Wettbewerb in der Autoindustrie verlieren", betont der Leiter des Center of Automotive Management an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach. "Die deutschen Hersteller werden nie günstiger sein, deshalb müssen sie besser sein." Derzeit seien ihre Autos viel zu teuer für eine mit chinesischen Herstellern vergleichbare Qualität.

"Je länger wir uns mit diesen Kämpfen aufhalten und Parallelentwicklungen betreiben, etwa Benziner neu entwickeln, desto länger halten wir uns selbst davon ab, wieder vor die technologische Welle zu kommen", meint der Branchenkenner. Er war zwar nie Fan eines absoluten Verbrenner-Verbots, weil dieses absehbar zu Glaubenskämpfen zwischen Gegnern und Befürwortern führte. Für die CO2-Bilanz wäre es seiner Ansicht nach nicht entscheidend gewesen, ob nach 2035 noch ein paar Prozent neue Verbrenner zugelassen werden. Denn Anfang der 2030er Jahre wird sich seiner Prognose nach die Elektromobilität ohnehin durchsetzen, "weil sie die deutlich bessere, effizientere und begehrlichere Technologie ist, auch aus Kundensicht". Jetzt am Verbrenner-Aus zu rütteln, wäre aber kontraproduktiv.

Kurzfristig rentabel, langfristig weniger Gewinn

Zwar könnten die Hersteller bei einer Lockerung kurzfristig mehr Geld verdienen, wenn sie weniger E-Autos günstiger auf den Markt bringen müssen, um die CO2-Vorgaben zu erfüllen. Doch mittel- und langfristig führe deren Aufweichen dazu, "dass die Hersteller den Fuß vom Innovations-Gas nehmen", warnt Bratzel - und ohne Innovationen sieht er für die deutschen Autobauer im internationalen Wettbewerb schwarz.

Frank Schwope, Lehrbeauftragter für Automotive Management an der Fachhochschule des Mittelstands (FHM), sieht es ähnlich: Kurzfristig dürfte etwa eine verlängerte Erlaubnis von Plug-in-Hybriden und Range-Extendern, wie die Bundesregierung sie nun fordert, den deutschen Herstellern höhere Gewinne bringen - diese könnten sie allerdings "möglicherweise mit geringeren Investitionen in die Elektromobilität und perspektivisch geringeren Gewinnen durch Elektroautos bezahlen".

Langfristig gehe der Trend in Europa eindeutig Richtung Elektromobilität. "Möglicherweise fragt man sich 2035, was die ganze Aufregung um das Aus des Verbrenner-Aus sollte", sagt Schwope. Wichtig sei, "dass die Politik nicht dazwischengrätscht und den Markt wieder zum Erliegen bringt". Toyota und Mercedes-Benz hätten zudem für Ende der Dekade Feststoff-Batterien angekündigt, "was die Batterieindustrie noch einmal durcheinanderwirbeln kann. Damit sind größere Reichweiten und schnellere Ladezeiten möglich, potenziell ein Gamechanger".

Neue Unsicherheit für Kunden

Bratzel betont, "wir können uns nicht schützen, indem wir versuchen, Entwicklungen aufzuhalten". Durch die erneute Diskussion um ein Aus vom Verbrenner-Aus werde die enorme Verunsicherung der Verbraucher noch verstärkt. "Und wer verunsichert ist, bleibt in der Regel beim Alten." Auch Schwope mahnt: "Was dringend notwendig ist, sind stabile Rahmenbedingungen sowohl für die Autokäufer als auch für die Auto-Bosse." Damit wäre der deutschen Autoindustrie am meisten geholfen, nicht mit einem "ewigen Hü und Hott der Politik". Beide Branchenkenner plädieren daher dafür, es beim beschlossenen Verbrenner-Aus zu belassen.

Je weniger E-Autos die Hersteller verkaufen, desto weniger Stückkosten-Vorteile lassen sich zudem erzielen, sowohl von Autobauern als auch Zulieferern - eine weitere Gefahr, in dem Bereich weniger zu investieren. Statt immer weiter das Verbrenner-Aus infrage zu stellen, sollte der Fokus von Herstellern wie Politik nach Bratzels Meinung auf dem Aufholprozess vor allem gegenüber China liegen: bei Batteriezelle und Rohstoffen genauso wie bei der Ladeinfrastruktur.

Der Staat müsse das Ökosystem der Elektromobilität stärker unterstützen, "damit die Vorteile, die ein Verbrenner nie leisten kann, schneller klar werden", fordert Bratzel. "Ich kann mit meinem E-Auto Geld sparen, indem ich es ins Stromnetz einbinde: Laden, wenn nachts der Strom günstig ist oder tagsüber meine Photovoltaikanlage läuft, und das Auto als Speicher nutzen, der den Strom später zur Verfügung stellt oder sogar ins öffentliche Netz einspeist." Vor allem der neue Nutzen für Kunden werde dazu führen, dass sich die Antriebsart von selbst durchsetzt.

Der Branchenkenner sieht eine weitere Eigendynamik: "Jetzt lassen sich noch ein paar Entwicklungen in der Verbrennertechnologie beobachten, aber insgesamt geht das globale Volumen in dem Bereich zurück. Das heißt, es wird auch immer weniger Zulieferer geben, die Investitionen in diesem Bereich tätigen können." Am Ende werde somit auch eine Art Dominoeffekt die Transformation zur Elektromobilität beschleunigen.

Bei Strafen sieht Experte Spielraum

Bei Plug-in-Hybriden müsste Bratzels Ansicht nach der tatsächliche elektrische Fahranteil bei der CO2-Bilanz berücksichtigt und im Fall einer Förderung zur Voraussetzung gemacht werden. Deren Realverbrauch sei etwa dreimal so hoch wie die Norm, wie die an die EU gemeldeten Verbrauchsdaten zeigten. Denn ein großer Teil der Hybride wird nicht regelmäßig geladen, sondern überwiegend mit dem Verbrennungsmotor gefahren.

Entgegenkommen könnte die Politik der Branche seiner Meinung nach bei den geplanten Strafzahlungen, wenn die Hersteller die CO2-Vorgaben mit ihrer verkauften Flotte nicht erreichen. Da die derzeitigen Belastungen der Autoindustrie - etwa durch die hinzugekommenen US-Zölle - sehr hoch seien, wäre es in Bratzels Augen sinnvoll, die Strafen zu stunden oder reduzieren.

Der Autoexperte warnt hingegen davor, die für das Jahr 2030 geplanten CO2-Vorgaben zu kassieren. Deren Verschärfung ist schrittweise geplant. "Eine Lockerung würde den Hochlauf der Elektromobilität deutlich verlangsamen." Die Förderung mehr eigener Produktion in Europa hält Bratzel jedoch für sinnvoll. "Falls BYD und Co. hier Fabriken bauen, werden sie dies in der Türkei oder Ungarn tun. Das würde Deutschland kostenmäßig noch mehr unter Druck setzen."

Die hiesige Wettbewerbsfähigkeit muss Bratzel zufolge deutlich zunehmen. "Wir verlieren hier seit Jahren massiv, in den vergangenen Jahren hat deshalb schon eine schleichende Produktionsverlagerung stattgefunden. Das liegt an hohen Kosten durch Löhne, Abgaben und Energie sowie geringer Arbeitszeit und einem hohen Krankenstand." Würden diese Probleme nicht gelöst, werde der Autostandort Deutschland weiter geschwächt. "Die Autoindustrie braucht aber einen innovativen Heimatmarkt, um erfolgreich zu sein."

Anfang der 2030er Jahre wird nach Einschätzung der beiden Experten auch hierzulande die Mehrheit der neu zugelassenen Autos elektrisch fahren. Schwope: "Sofern keine massiven Änderungen der Rahmenbedingungen erfolgen."

Quelle: ntv.de

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