Wirtschaft

Brent kratzt an 100-Dollar-Marke Warum am Ölmarkt noch keine Panik herrscht

Ein Iran-Deal könnte dem Ölmarkt etwas Luft verschaffen.

Ein Iran-Deal könnte dem Ölmarkt etwas Luft verschaffen.

(Foto: picture alliance / Zoonar)

Die Zuspitzung der Ukraine-Krise hievt den Ölpreis gefährlich nahe an die psychologisch wichtige 100-Dollar-Marke heran. Dann stoppt die Kletterpartie. Dafür gibt es mehrere Gründe - einer hat mit den Iran-Verhandlungen zu tun.

Das befürchtete Schreckensszenario im Ukraine-Konflikt zwischen Russland und dem Westen nimmt Konturen an: Eine zunehmende Eskalation und ein möglicher Kriegsschauplatz könnten dazu führen, dass Russland Europa vom wichtigen Nachschub bei Öl und Gas abschneidet. Ifo-Präsident Clemens Fuest erwartet im Falle eines russischen Einmarsches in der Ukraine deutlich steigende Preise. "Selbst wenn die Gaslieferungen nicht eingeschränkt würden, käme es zu einem Preisschock, jedenfalls vorübergehend", sagte er. "Das träfe private Haushalte und Industrie in Deutschland gleichermaßen."

Die Gaspreise in Europa zogen um sechs Prozent an. Russland stellt mit 38 Prozent der Importe den wichtigsten Erdgaslieferanten - für Deutschland liegt der Wert sogar noch wesentlich höher. Der Anstieg der Rohstoffpreise befeuert vor allem die Inflationssorgen der Anleger.

Auch die Erdölpreise kletterten in Reaktion auf die jüngste russische Aggression in der Ostukraine. Der Preis für den marktführenden Terminkontrakt der Erdölsorte Brent stieg zuletzt um 0,6 Prozent auf 96,98 US-Dollar - nach einem Tageshoch von 99,50 Dollar. Der Ölpreis lag damit nur noch wenige Cent von der psychologisch wichtigen Marke von 100 Dollar entfernt, die zuletzt vor siebeneinhalb Jahren erreicht worden war.

"Das Potenzial für eine Rally über 100 Dollar pro Barrel hat einen enormen Auftrieb erhalten", kommentierte Tamas Varga vom Ölmakler PVM. "Diejenigen, die auf eine solche Entwicklung gewettet haben, haben die Eskalation des Konflikts vorweggenommen."

Dass die Erdölpreise trotz aller Provokationen und Sorgen bislang trotzdem nicht die Schallmauer von 100 US-Dollar pro Fass erklommen haben und stattdessen von den Tageshochs zurückkommen, grenzt zunächst an ein Wunder. Händler haben aber schnell Erklärungen parat: Unter anderem verweisen sie auf die verhaltene Reaktion des Westens auf die Aggression: "Die bislang angekündigten Sanktionen des Westens verschrecken nicht sonderlich", sagte ein Marktteilnehmer.

Viele Beobachter scheinen sicher, dass bei einer Verschärfung der Sanktionen gegen Russland die Öl- und Gaslieferungen aller Wahrscheinlichkeit nach nicht betroffen wären. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte wissen lassen, die Gaslieferungen nach Westeuropa würden fortgesetzt. Russland ist immerhin auf die Deviseneinnahmen angewiesen.

Und wenn die Sanktionen schärfer werden?

"Ich denke nicht, dass es einen völligen Exportbann geben wird", erklärte Tamas Varga, Analyst von PVM Oil. Die wichtigere Frage sei aber, wie lange Russland die Füße stillhalten werde, und wie Putin auf verschärfte Sanktionen reagiere? Letztlich gebe es nichts, was ihn daran hindern könne, die Lieferungen zu drosseln, so der Experte. Auch eine Unterbrechung russischer Erdöllieferungen sei denkbar.

Laut Händlern hat der Markt derartige Szenarien allerdings noch nicht eingepreist - von Panik könne deshalb keine Rede sein. Die Terminkontrakte mit späteren Lieferterminen im laufenden Jahr würden billiger gehandelt als die marktführenden Kontrakte. Nordseeöl der Sorte Brent mit Lieferung zum Jahresende 2022 wird mit 85,37 Dollar ja Fass gehandelt - 12,73 Dollar unter dem marktführenden Future mit Fälligkeit am 28. Februar 2022.

Letztlich erklären Händler dieses Phänomen auch mit der Erwartung, dass in den kommenden Monaten wieder verstärkt iranisches Erdöl an den Markt kommen könnte. Die Atomverhandlungen mit dem Iran sind offenbar auf der Zielgeraden. Es wird nicht ausgeschlossen, dass es einen Zusammenhang mit drohenden Russland-Sanktionen und der Kompromissbereitschaft des Westens bei den Atomverhandlungen mit dem Iran geben könnte.

"Ein Iran-Deal könnte dem Ölmarkt etwas Luft verschaffen", zitiert das "Handelsblatt" Helima Croft, Rohstoffexpertin der Investmentbank RBC Capital Markets. Doch die Verhandlungen über das iranische Atomprogramm und eine Rückkehr des Landes auf den globalen Ölmarkt stocken seit Monaten.

Quelle: ntv.de, ddi/DJ

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