Kaeser warnt Protestwähler "Wer AfD wählt, entscheidet sich für Wohlstandsverlust"
20.01.2024, 10:48 Uhr Artikel anhören
Joe Kaeser, inzwischen Aufsichtsratschef von Siemens Energy, zeigt sich besorgt.
(Foto: picture alliance / Panama Pictures)
Ex-Siemens-Chef Kaeser gehört zu den wenigen Top-Managern, die sich seit Jahren auch öffentlich gegen Rechtsextremismus stellen. Angesichts der Berichte über ein Treffen rechter Kreise in Potsdam sorgt sich der 66-Jährige um die Demokratie. Eindringlich nimmt er seine Wirtschaftskollegen in die Pflicht.
Der Aufsichtsratschef von Siemens Energy, Joe Kaeser, warnt vor Rechtsextremismus in Deutschland und fordert von den Spitzen von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft ein klares Bekenntnis dagegen. "Nach 1933 gab es eine Zeit, in der die wirtschaftliche und gesellschaftliche Elite noch Position gegen den Kurs des Naziregimes hätte beziehen können", sagte er. Damals hätten aber die meisten geschwiegen. "Diesen Fehler dürfen wir nicht wiederholen. Ich mache mir wirklich Sorgen um unsere Demokratie." Er werde sich an den derzeit in vielen Städten stattfindenden Demonstrationen gegen Rechtsextremismus beteiligen.
Mit Blick auf Berichte über ein Treffen Rechtsextremer in Potsdam sagte er: "Wenn alles so stimmt, wie es berichtet wird, dann ist das ganz abscheulich." Auf der Konferenz, an der auch AfD-Funktionäre und ein CDU-Mitglied teilgenommen hatten, soll über Massendeportationen von Menschen ausländischer Herkunft gesprochen worden sein.
Das Wort "Remigration" klinge fast harmlos und scheine ein dringliches Problem des Landes zu adressieren, nämlich die "bisher nicht gut gelöste" Migrationspolitik, sagte der Ex-Siemens-Chef. Gemeint sei aber am Ende die millionenfache Deportation von Menschen mit Migrationshintergrund. "Das löst bittere Erinnerungen aus", warnte er.
Sicher müssten die Verunsicherung und der Frust von Menschen ernst genommen werden, sagte Kaeser. Aber alle, die mit der Wahl der AfD protestieren wollten, müssten sich über die Konsequenzen im Klaren sein. Verständigung, Toleranz und Respekt seien die Basis für die freiheitliche Grundordnung Deutschlands und seiner Gesellschaft. "Wer die AfD wählt, entscheidet sich für den Verlust des Wohlstands unseres Landes und seiner Bürger", sagte Kaeser, der auch Aufsichtsratschef des LKW-Bauers Daimler Truck ist, weiter.
Man zahle einen Preis, wenn man vor den Gefahren warne, fügte Kaeser in Anspielung auf Drohungen gegen seine Familie nach früherer Kritik an Rechtsextremen hinzu. "Aber ich will mir nicht nachsagen lassen, dass ich geschwiegen hätte, als noch Zeit war, Dinge zu korrigieren." Das sei die Lehre aus der deutschen Geschichte.
AfD-Verbot würde Täter zum Opfer machen
Zuletzt hatten etwa die Chefs des Chip-Herstellers Infineon, des Chemiekonzerns Evonik und des Düsseldorfer Flughafens vor Rassismus und Hetze gewarnt. In den Stellungnahmen wird aber die AfD, die in Umfragen mittlerweile bundesweit bei mehr als 20 Prozent liegt, meist nicht direkt erwähnt. Jeder müsse für sich selbst entscheiden, ob er öffentlich warnen wolle, sagte Kaeser mit Hinweis darauf, dass Manager oft Leitende Angestellte eines Unternehmens seien, das ihnen nicht gehöre. "Deshalb haben eigentümergeführte Unternehmen meistens mehr Gewicht und Glaubwürdigkeit in der Gesellschaft", sagte er.
"Aber führende Manager großer und global agierender Unternehmen haben meines Erachtens die Pflicht, auf die Zusammenhänge zwischen Wohlstand, Wirtschaft, Wachstum und internationaler Zusammenarbeit hinzuweisen und sie den Menschen verständlich zu erklären", betonte er. Man müsse begreiflich machen, welche Konsequenz ein Aufstieg der AfD hätte. "Da sind wir alle gefordert - besonders die Manager, die diese wirtschaftlichen Zusammenhänge kennen", fügte Kaeser hinzu. Es gebe eine Verantwortung der Führungskräfte.
Der Aufsichtsratschef warnte zudem vor einem enormen Imageschaden für die Marke "Made in Germany" durch AfD-Wahlerfolge. "Unsere Kunden und Investoren außerhalb Deutschlands beobachten sehr genau, ob Deutschland wieder sein hässliches nationales Gesicht zeigt und sich in der freien Welt isoliert", sagte Kaeser.
Kaeser hatte sich in den vergangenen Jahren mehrfach zu politischen Themen geäußert und sich bei der Bundestagswahl 2021 für die Wahl der Grünen ausgesprochen. Er wandte sich gegen ein Verbot der AfD. "Man würde wohl nur einen Täter zum Opfer stilisieren", warnte er. Besonders unglücklich sei, wenn führende Politiker der Ampel-Koalition ein Verbot forderten. "Es wäre besser, wenn man diese Energie für bessere Politik für unsere Bürgerinnen und Bürger einsetzen würde", sagte Kaeser.
Quelle: ntv.de, jwu/rts