Zwei Jahre nach Kriegsbeginn Wie immer noch russisches Gas nach Deutschland strömt


LNG-Tanks in Rotterdam - unter anderem über die Niederlande dürfte russisches Flüssiggas auch nach Deutschland gelangen.
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Im Gegensatz zu anderen EU-Staaten importiert Deutschland kein Gas mehr aus Russland - allerdings nur nicht mehr direkt. Auf anderen Wegen strömt es durchaus. Nicht nur Gas.
Die damals starke Abhängigkeit von russischer Energie westlicher Länder wie Deutschland dürfte ihren Teil dazu beigetragen haben, dass Wladimir Putin vor zwei Jahren entschied, die Ukraine anzugreifen. Die Bundesrepublik reagierte jedoch für ihre Verhältnisse unglaublich schnell. Im Laufe des Jahres 2022 senkte sie ihren Anteil von russischem Pipeline-Gas von mehr als der Hälfte auf nahe null, wie die deutsche Außenwirtschaftsgesellschaft GTAI erläutert. In Rekordtempo brachte die Bundesregierung neue Infrastruktur für Flüssiggas-Importe auf den Weg, um unabhängig von Putins Gas zu werden. Ausgerechnet auf diesem neuen Importweg fließt nun allerdings wieder russisches Gas nach Deutschland.
Den Großteil seiner Gasimporte bezieht Deutschland inzwischen über Pipelines aus Norwegen. "Hier ist eine russische Gasbeimischung ausgeschlossen", erklärt Gasmarktexperte Sebastian Gulbis im Gespräch mit ntv.de. Anders sieht es mit den Einfuhren aus den Niederlanden, Belgien und Frankreich aus. Die Länder importieren auf dem Seeweg weiterhin auch Gas aus russischen Quellen. In diesem Januar war nach Angaben von Gulbis, Geschäftsführer des Energieberatungsunternehmens Enervis, etwa ein Fünftel aller europäischen LNG-Importe russischen Ursprungs - und damit anteilig zuletzt mehr als noch im gesamten vergangenen Jahr, als der russische Importanteil bei 13 Prozent lag.
"Einmal in der EU angelandet, wird das LNG regasifiziert und in das europäische Gasnetz eingespeist", berichtet Gulbis. "Die Herkunft des Gases verschwimmt." Auch wenn sich die genaue Menge nicht bestimmen lasse, sei davon auszugehen, "dass russisches Gas über Frankreich, Belgien und die Niederlande auch nach Deutschland gelangt". Experten und Umweltschützer schätzen, dass sich der Anteil von russischem Flüssiggas an Deutschlands Gasversorgung im mittleren einstelligen bis niedrigen zweistelligen Prozentbereich bewegt.
Russisches Öl gelangt über Indien nach Deutschland
Nichtregierungsorganisationen kritisieren die fehlende Transparenz, so kann etwa auch das Bundeswirtschaftsministerium keine konkrete Auskunft zu russischen Importmengen geben. Gulbis bezweifelt allerdings, dass sich ein "Nullimport" russischer Mengen nach Deutschland überhaupt umsetzen ließe, weil die europäische Gasinfrastruktur stark vernetzt ist. Zumal Russland sein LNG, ähnlich seiner Schattenflotte von Öltankern, unter anderer Flagge transportieren und verkaufen könnte.
An Europas russischen Gasimporten dürfte sich so schnell nichts ändern, Russland ist nach den USA der zweitgrößte LNG-Lieferant der EU. Szymon Kardaś, Energie-Experte im Warschauer Büro des "European Council on Foreign Relations", erklärte im Interview mit ntv.de: "Der erste Grund dafür ist, dass einige EU-Mitgliedsstaaten immer noch langfristige Verträge mit Russland haben", etwa Spanien und Frankreich. Zum anderen brauchten die bisherigen Abnehmer Alternativen zu russischem Pipeline-Gas. Vor Russlands Angriff auf die Ukraine betrug der Anteil des russischen Pipeline-Gases an den Gas-Importen der EU 42 Prozent.
Die EU konnte sich folglich nicht zu einem Embargo auf russisches Gas durchringen - im Gegensatz zu Kohle und Öl aus Russland, wo es weniger weh tut. Aber auch russisches Öl fließt auf Umwegen trotzdem weiter nach Deutschland. So importierte die Bundesrepublik über Indien offenbar weiterhin größere Mengen russischen Öls als verarbeitetes Produkt wie Benzin oder Diesel, was aus Zahlen des Statistischen Bundesamts hervorgeht. Die Einfuhren von Mineralölerzeugnissen aus Indien haben sich in den ersten sieben Monaten des vergangenen Jahres mehr als verzwölffacht. Indien importiert große Mengen Rohöl aus Russland. Auch den Öl-Preisdeckel der EU umschifft Russland erfolgreich, inzwischen wurden die Kontrollen verschärft.
Russisches Uran erreicht Deutschland
Uran und Brennelemente für Atomkraftwerke liefert Russland ebenfalls weiterhin in die EU - der Uran-Import hat sich im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2021 sogar fast verdoppelt, wie Klaus-Jürgen Gern, der am Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel die Analyse der Rohstoffmärkte leitet, auf ntv.de-Anfrage betont. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck brachte nach dem Tod des russischen Oppositionsführers Alexej Nawalny wieder ein Importverbot ins Spiel. Neben Frankreich zählen viele östliche EU-Staaten zu den Abnehmern.
Doch auch nach Deutschland kommt die heikle Fracht. Erst Anfang Februar kam nach Angaben von Atomkraftgegnern russisches Uran in der Brennelementfabrik im niedersächsischen Lingen an. Die französischen Betreiber wollen die Produktion demnach sogar ausweiten - in Kooperation mit einem Tochterunternehmen des russischen Atomkonzerns Rosatom. Die Prüfung durch die deutschen Behörden läuft.
Quelle: ntv.de