Unu-Gründer im Interview "Wir wollten den Tesla auf zwei Rädern bauen"
17.06.2023, 15:10 Uhr
Laut Firmengründer Pascal Blum ist damit gut jeder fünfte E-Scooter in Deutschland ein Unu und seine Rollermarke Marktführer.
(Foto: picture alliance / Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/ZB)
2013 wurde in Berlin die Elektroroller-Marke Unu gegründet. Rund 15.000 emissionsfreie Scooter der 50er-Klasse konnte das Startup seither hierzulande absetzen. Laut Firmengründer Pascal Blum ist damit gut jeder fünfte E-Scooter in Deutschland ein Unu und seine Rollermarke Marktführer. Der Erfolg machte die Berliner euphorisch. Doch es gab Rückschläge. Jungunternehmer Blum ist dennoch zuversichtlich, Unu für die nächsten 10 Jahre und die Verkehrswende gut aufgestellt zu haben.
Wenn Sie auf zehn Jahre Unu zurückblicken: Was waren Highlights?
Pascal Blum: Gut gelaufen ist, dass wir das Unternehmen aus der Uni heraus gegründet und ein tolles Produkt entwickelt haben, was relativ schnell Anklang gefunden hat. 2018 waren wir schon Marktführer in Deutschland. Das ist besser gelaufen, als wir erwartet hatten. Wir haben dann auch große Partner wie Bosch an Bord genommen, die unseren Service machen.
Was waren Tiefschläge?
Die großen Schwierigkeiten sind um das Jahr 2020 entstanden. Wenn man jung ist und es gut läuft, überschätzt man sich schnell selbst. Wir hatten damals das Gefühl, wir können einen Tesla auf zwei Rädern bauen und alles selbst entwickeln - vom gesamten Fahrzeug, Elektronik sowie Software in der Cloud und App. Mit diesem Anspruch sind wir an das nächste Modell, den Scooter Pro, gegangen. Wir haben außerdem den Kunden zugehört, um deren Wunschfahrzeug zu entwickeln und waren der Meinung, das schnell und kostengünstig hinzubekommen. Am Schluss hat es fünfmal mehr gekostet und zudem länger gedauert als gedacht.
Woran hat das gelegen?
Anfang 2020 sind wir endlich in die Produktion gekommen. Wir produzieren in Asien. Doch bereits nach zwei bis drei Wochen war bei unserer Lieferkette Schicht im Schacht. Am Ende waren es sieben Monate, in denen wir unseren Kunden kein Produkt liefern und keinen Umsatz machen konnten. Da sind wir ganz hart mit den Risiken von Supply-Chain konfrontiert worden. Dann hat sich außerdem die Chipkrise entwickelt. Der Roller hat unglaublich viele Chips. Wir waren natürlich die Letzten hinter den ganzen Großen, die welche bekamen. Dann kamen noch die Container-Krise und ein Batterie-Rückruf vom ersten Produkt. Nach all dem Glück in den Jahren zuvor hat uns 2020 das Karma eingeholt.
Wie haben Sie reagiert?
Wir mussten die Firma ganz anders aufstellen, um durch diese Krise zu kommen. Wir haben unsere Supply-Chain umstrukturiert, wir haben viel früher auf Vorrat bestimmte Komponenten gekauft. Wir haben die Logistik umgebaut. Außerdem mussten wir uns als Firma umstellen und verkleinern, um eine Kostenstruktur zu haben, mit der wir weiterleben konnten. Eine schwierige Phase. Rückblickend können wir viele positive Entwicklungen auf die Initiativen zurückführen, die wir als Gegenreaktion implementiert haben. Jetzt haben wir eine stabile Supply-Chain, Planungssicherheit für unsere Komponenten bis ins nächste Jahr hinein und können diese Probleme stabil umschiffen. Zusätzlich haben wir unsere Produktstruktur überarbeitet und mit dem Move ein günstigeres Modell im Angebot.
In der jüngeren Vergangenheit konnte man Mobilitäts-Startups kommen und gehen sehen. Warum hat Unu einen längeren Atem?
Wir sind zu der Feststellung gekommen, dass die große Veränderung in der Mobilität, weg vom Auto hin zu nachhaltigeren Antriebsformen, länger dauert. Das zweite Thema: Mobilität ist ein Hardware-Geschäft, das viel kapitalintensiver ist als eine App-Entwicklung. Wir hatten den Vorteil, dass wir Schwierigkeiten früher als andere hatten und daraus früher gelernt und uns früher stabiler aufgestellt haben. Wir sehen jetzt, dass es zu einer Konsolidierung kommt. Aber der grundsätzliche Trend zu nachhaltigeren Entwicklungsformen und leichteren Fahrzeugen gewinnt tatsächlich jetzt an Fahrt.
In den unteren Leistungsklassen ist der E-Antrieb bei Rollern eine mittlerweile gute Alternative zum Verbrennungsmotor. Wird sich hier Elektro durchsetzen?
Ja. Tatsächlich kann man das schon jetzt sehen, wenn man sich die Zahlen in Europa anguckt. In Holland sind bereits mehr als 20 Prozent der Neufahrzeuge elektrisch. In zwei bis drei Jahren werden es 50 Prozent sein. Im 50-ccm-Bereich hat ein Benziner keinen Vorteil mehr zum Elektroroller. Die Anschaffung ist ähnlich teuer, die laufenden Kosten des E-Rollers hingegen viel niedriger. Die Akkus sind relativ leicht und handlich und lassen sich überall an der Steckdose aufladen. Man kann ohne Emissionen zudem besser beschleunigen. Entsprechend setzt sich der E-Antrieb im 50er-Segment durch. Im 125er-Segment und aufwärts passiert dies, wenn man die Zahlen anschaut, mit ein paar Jahren Verzögerung. Auch hier ist Elektro 2022 stark gewachsen, wenn auch auf niedrigem Niveau. Hier ist das Problem, dass bei höheren Geschwindigkeiten die Reichweiten stark abnehmen. Physische Wunder sind hier nicht möglich. Doch dank technischer Entwicklungen im Batteriebereich werden auch hier immer bessere Ergebnisse erzielt und drängen immer schnellere Modelle mit größeren Reichweiten in den Markt. Entsprechend wird hier das Segment mit drei bis vier Jahren Verzögerung dem Trend der 50er-Klasse folgen.
Als Unu gegründet wurde, war die Verkehrswende in aller Munde. Smarte, saubere Mobilität, lebenswerte Städte - so die hoffnungsvolle Vision. Geändert hat sich in Deutschland bisher wenig. Glauben Sie noch an die Wende?
Mittlerweile blicken wir realistischer darauf. Vor zehn Jahren waren wir euphorisch. Damals haben wir geglaubt, in den nächsten zehn verändert sich mehr als in den vergangenen 50 Jahren. Das ist nicht wahr geworden. Das Schöne: Trotz der langsameren Geschwindigkeit der Verkehrswende ist sie sehr nachhaltig. Das sind Trends, die sich nicht mehr umkehren lassen. Dementsprechend sehe ich, dass es längere Zeit braucht. Aber der Druck auf die Politik wird größer und die Politik agiert ja auch immer mehr. Im Städtebereich gibt es für Roller viele Fördermittel. National gibt es die THG-Quote. Die Förderung sorgt dafür, dass dieser Trend eine Größe erreicht und in den nächsten fünf Jahren den Rollermarkt fundamental verändern wird.
Quelle: ntv.de, Mario Hommen, sp-x