Wie Verpackungen für Erbgut Sind Viren Lebewesen?
28.08.2021, 12:09 Uhr
Die Aufnahme zeigt eine Zelle (rot), die mit dem Coronavirus (SARS-CoV-2, gelb) infiziert ist. Sie wurde vom US-Forschungszentrum National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) zur Verfügung gestellt.
(Foto: NIAID)
Sie werden entdeckt, untersucht, beobachtet, nachgewiesen und bekämpft: Viren. Doch was sind diese winzigen, unsichtbaren Dinger, die in den Körper gelangen, sich dort ausbreiten und krank machen: Lebewesen im Mikroformat oder eher leblose DNA-Träger?
Dazu gibt es durchaus unterschiedliche Ansichten. Unter Wissenschaftlern verbreitet ist, Viren nicht zu den Lebewesen zu zählen. Es gibt aber auch Wissenschaftler, die dafür plädieren, Viren unter bestimmten Umständen dennoch als Lebewesen einzugliedern.
Viren atmen nicht, sie können sich nicht selbstständig vermehren, haben keinen eigenen Stoffwechsel und auch keine eigene Energiegewinnung. Das alles sind echte Argumente gegen eine Zurechnung zu den Lebewesen. Viren sind diesem Ansatz zufolge vielmehr kleinste, unbewegliche Partikel, die überall auf der Welt zu finden sind. Viren, die sich außerhalb von Wirtszellen befinden, werden übrigens als Virionen bezeichnet.
Moleküle mit Erbinformationen
Viren bestehen weder aus einer noch aus mehreren Zellen. Sie besitzen vielmehr ein oder mehrere Moleküle und sind manchmal von einer Eiweißhülle oder von einer Hülle aus Fett umgeben. Prinzipiell werden zwei Erscheinungsformen unterschieden: Viren, in denen sich DNA, also Desoxyribonukleinsäure befindet, und Viren mit RNA, also Ribonukleinsäure. Diese Erbgutinformationen können sowohl einstrangig als auch doppelstrangig vorliegen. Kleinere Viren besitzen lediglich vier Gene, größere tragen sogar mehrere Hundert in sich.
Die Erbgut-Informationen sind die wichtigsten Bestandteile für die Vermehrung der Viren. Diese gelingt jedoch nur mithilfe sogenannter Wirtszellen. Als Erstes muss ein Virus es schaffen, in eine Zelle einzudringen. Danach schleust es seinen Bauplan in das Erbgut der Wirtszelle ein. Die Zelle wird auf diese Weise gekapert, produziert dann selbst weitere Viren-Partikel, die dann wiederum weitere Zellen kapern. Dieser Vorgang, der auch als Infektion bezeichnet wird, kann nur durch Interventionen gestoppt werden. Das kann durch das körpereigene Immunsystem oder Medikamente geschehen.
Kleinste, unsichtbare Partikel
Viren sind mit bloßem Auge nicht erkennbar. Sie messen zwischen 20 und 300 Nanometer. Deshalb kann man sie auch unter einem gewöhnlichen Lichtmikroskop nicht erkennen. Um Viren sehen zu können, benötigt man ein leistungsfähiges Elektronenmikroskop. Weil Viren im biologischen Sinne nicht den Lebewesen zugerechnet werden, werden sie auch nicht in verschiedene Arten, sondern anhand von verschiedenen Merkmalen klassifiziert. Zudem gibt es verschiedene Klassifikationsansätze. Viren bilden die größte und vielfältigste Gruppe unter den Mikroorganismen.
Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal besteht, wie schon erwähnt, in der Art der Erbinformation, also ob ein Virus DNA oder RNA in seinem Inneren trägt. Ein anderes Merkmal ist die Größe der Viren oder die Beschaffenheit ihrer Hülle. Viren haben zudem unterschiedliche Formen. Einige Viren erinnern an Kaulquappen mit einem langen Schwanz, andere sind rund und wieder andere stäbchenförmig.
Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist die Art der Wirtszellen, die von Viren befallen werden. Menschen, Tiere, Pflanzen, Pilze und sogar Bakterien können von Viren befallen werden. Bisher sind 1,8 Millionen verschiedene Arten von Lebewesen bekannt, die als Wirte für knapp 10.000 verschiedene Viren fungieren.
Viren in der Zelle
Vereinfacht dargestellt könnte man Viren auch als winzige Verpackungen für Erbgut bezeichnen, die in eine Zelle eindringen und nur ein Ziel haben: sich zu vermehren. Aufgrund dieser Fähigkeit und der Tatsache, dass sie sich durch Mutation genetisch weiterentwickeln können, plädieren manche Forscher dafür, Viren doch als Lebewesen zu sehen - zumindest, wenn sich ihr Erbgut in einer Wirtszelle befindet und vermehrt.
Als ein weiteres Argument für diese Zuordnung wird die Herkunft von Viren herangezogen. Obwohl man noch immer nicht viel über deren Entstehungsgeschichte weiß, gibt es Hinweise darauf, dass Viren in früheren Zeiten noch aus Zellen bestanden haben. Vergleiche von Eiweißmolekülen von Bakterien und Viren lassen diese Vermutung zu. Dieser Ansicht zufolge waren Zellen für Viren nicht mehr nötig, als sie zu Zellparasiten wurden, die eine außergewöhnliche, aber aus evolutionärer Sicht erfolgreiche Fortpflanzungsmethode etablierten.
Die These wird durch die Existenz sogenannter Riesenviren gestützt. Diese können so groß wie manches Bakterium werden, tragen ein umfangreiches Erbgut in sich und zeigen in ihrem sogenannten Proteinfaltungs-Muster Ähnlichkeiten zu denen von Mikroben. Für manche Verfechter dieser These ist deshalb denkbar, dass Riesenviren den zellulären Vorläufern aller Viren noch vergleichsweise ähnlich sind.
Übrigens: In und auf dem Menschen sind nicht nur viele verschiedene Bakterien zu finden, sondern auch Viren. Zudem hat fast ein Zehntel des menschlichen Erbguts einen viralen Ursprung. Über den Sinn dieser Verbindung mit Viren ist bisher wenig bekannt.
Quelle: ntv.de