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Notstand auf Lampedusa Deutschland setzt freiwillige Aufnahme von 1800 Migranten aus

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In Italien hat einen besonders hohen Zustrom an Flüchtlingen. Viele kommen auf der Mittelmeerinsel Lampedusa an.

In Italien hat einen besonders hohen Zustrom an Flüchtlingen. Viele kommen auf der Mittelmeerinsel Lampedusa an.

(Foto: IMAGO/ZUMA Press)

Statt der zugesagten 3500 Schutzsuchenden nimmt Deutschland wohl nur 1700 im Rahmen eines freiwilligen Aufnahmeprogramms auf. Das betrifft vor allem Italien. Von der dortigen Insel Lampedusa kommt wegen des starken Zustroms derweil ein Hilferuf. Der Stadtrat ruft den Notstand aus.

Deutschland hat ein Programm zur freiwilligen Aufnahme von Migranten aus Italien ausgesetzt, wie das Bundesinnenministerium bestätigte. Ursprünglich hatte Berlin zugesagt, 3500 Asylbewerber aus besonders belasteten Staaten an Europas Außengrenzen im Süden zu übernehmen. Bislang wurden über den sogenannten freiwilligen europäischen Solidaritätsmechanismus 1700 Schutzsuchende überstellt, damit sie in Deutschland ihr Asylverfahren durchlaufen.

Weitere Aufnahmen seien nun nicht mehr geplant, auch weil es bei der Rückübernahme von Migranten nach den sogenannten Dublin-Regeln hakt, so das Ministerium. Diese Regeln sehen vor, dass Asylbewerber ihren Antrag - bis auf wenige Ausnahmefälle - im ersten EU-Land stellen müssen, in dem sie registriert wurden. Wer es dennoch in einem anderen Staat versucht, kann dorthin zurückgeschickt werden.

"Angesichts des bestehenden hohen Migrationsdrucks nach Deutschland verstärkt die anhaltende Aussetzung von Dublin-Überstellungen durch einige Mitgliedstaaten, auch durch Italien, die großen Herausforderungen, vor denen Deutschland zurzeit hinsichtlich seiner Aufnahme- und Unterbringungskapazitäten steht", erklärte ein Ministeriumssprecher. Bis Ende August sind demnach erst zehn Dublin-Überstellungen nach Italien erfolgt. Rom sei informiert worden, dass der Auswahlprozess für Migranten verschoben werde.

Lampedusa ruft um Hilfe

Auf der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa kommen derweil wieder jeden Tag mehrere Tausend Bootsmigranten an. Innerhalb von 24 Stunden registrierten die Behörden am Dienstag mehr als 5000 Menschen, wie aus Zahlen des Innenministeriums hervorging. Die Nachrichtenagentur Ansa berichtete von mehr als 5100 - so viele wie noch nie an einem einzigen Tag.

Der Stadtrat von Lampedusa hat den Notstand ausgerufen. Das gab Bürgermeister Filippo Mannino am Mittwochabend bekannt, wie Ansa meldete. Er verlangte mehr Unterstützung für die kleine Insel, die unter "großem Stress" stehe. Die Bürger Lampedusas seien verzweifelt. "Jeder hat in irgendeiner Weise den Migranten geholfen, die Hilfe brauchten. Aber jetzt ist es wirklich an der Zeit, nach einer strukturellen Lösung zu suchen", so Mannino.

In der Nacht auf Mittwoch kam es zu einem tragischen Unglück: Beim Versuch, ein erst fünf Monate altes Kind an Land zu bringen, fiel der Säugling ins Wasser und ertrank. Die Insel zwischen Sizilien und Nordafrika gehört seit Jahren zu den Brennpunkten der Migration nach Europa.

Neuer Rekord in diesem Jahr möglich

Nach einer Zeit, in der weniger Migranten auf der Insel landeten, muss Lampedusa wieder mit Tausenden Neuankömmlingen zurechtkommen. Nach Zahlen des Innenministeriums in Rom wurden seit Beginn des Jahres bereits mehr als 123.800 Menschen registriert, die auf Booten Italien erreichten - im Vorjahr waren es von Januar bis Mitte September 65.500. Sollte der Trend anhalten, könnte bis Ende des Jahres gar die Rekordzahl von 2016 übertroffen werden. Damals kamen 181.000 Menschen.

"Einwanderung ist ein europäisches Problem", schrieb Italiens Außenminister Antonio Tajani auf der Online-Plattform X. Es müsse unter Beteiligung aller EU-Länder gelöst werden. Auch EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola betonte, die Lösungen lägen nicht auf nationaler, sondern nur auf europäischer Ebene.

Lampedusa liegt 190 Kilometer von der tunesischen Küstenstadt Sfax entfernt, wo viele Flüchtlingsboote nach Europa starten. Immer wieder kommt es bei den hochgefährlichen Überfahrten zu Unglücken mit Toten. Bürgermeister Filippo Mannino bezeichnete die Situation als nicht mehr tragbar. "Vor diesem Hintergrund ist es unmöglich, eine angemessene Hilfe für die Migranten zu gewährleisten, trotz immenser logistischer Anstrengungen."

Das Erstaufnahmelager mit Platz für rund 400 Menschen ist erneut überfüllt. Knapp 6800 Migranten befinden sich derzeit auf der Insel - die meisten im Lager. Mannino forderte, Boote mit Migranten abzufangen und nach Sizilien oder aufs Festland zu bringen. Die Familie des ertrunkenen Kindes hatte sich aus dem westafrikanischen Land Guinea auf den Weg nach Europa gemacht. Die Mutter ist minderjährig.

Quelle: ntv.de, rog/dpa

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