Neue US-Hilfen für Kiew möglich Trumps Taschenspielertrick lässt Ukraine hoffen
14.03.2024, 22:50 Uhr Artikel anhören
Erst blockierte er, jetzt zeigt er sich gnädig: Donald Trump.
(Foto: REUTERS)
Monatelang verhandeln die Republikaner im US-Kongress über weitere militärische Unterstützung für die Ukraine. Dann lassen sie die Hilfspakete auf Donald Trumps Geheiß auflaufen. Doch nun wird ein Weg sichtbar, auf dem die Beteiligten ihr Gesicht wahren könnten.
Es bewegt sich was im Fernduell um den Ukraine-Krieg. Seit Monaten drängt US-Präsident Joe Biden den Kongress in Washington dazu, neue Militärhilfen zu verabschieden. Seit Monaten blockieren die Republikaner im Repräsentantenhaus auf Geheiß von Ex-Präsident Donald Trump. Nun hat Mike Johnson, Sprecher der Konservativen in der Kongresskammer, angekündigt, er werde "nach dem Willen des Repräsentantenhauses" handeln und ein Hilfspaket zur Abstimmung bringen. Die Republikaner "arbeiten sich durch alle verschiedenen Optionen". Ein Votum über die dringendst benötigte neue Ukraine-Hilfen wird es laut US-Medien jedoch nicht vor Ende des Monats geben. Auch der Senat muss zustimmen.
Das innenpolitische Gerangel des mächtigsten Verbündeten wirkt sich unmittelbar auf die Kriegslage in Osteuropa aus. Kiew und die ukrainischen Soldaten warten schon lange auf eine Breaking News aus Washington, die ihnen neue Hoffnung in ihrem Verteidigungskrieg gegen Russland geben könnte. Die Munition ist knapp, ohne die Unterstützung der USA kann die Ukraine ihr Territorium trotz aller Anstrengungen der europäischen Alliierten nicht verteidigen.
Die Warterei ist nervenzehrend. Allein die Tatsache, dass Johnson jetzt Bewegung ankündigt, ist ein riesiger Fortschritt. Verhandlungen zwischen den Interessengruppen im Kongress gibt es schon seit November. Neues Geld für Kiew keines. Zwei vom Senat mit breiter Mehrheit beider Parteien verabschiedete Hilfspakete lagen schon auf Johnsons Tisch, sind von ihm aber nie zur Abstimmung gestellt und deshalb für tot erklärt worden.
Für Biden ist die Ukraine ein erster Dominostein, der nicht nur den Konflikt des Westens mit Russland, sondern auch der Demokratien gegen autoritäre Regime entscheiden kann. Die Republikaner wissen um die Dringlichkeit, das sagen viele von ihnen selbst. Doch warum auf dem Weg nicht noch Wahlkampf für November machen? "Niemand will, dass Wladimir Putin sich durchsetzt", sagte Johnson am Mittwoch: "Ich bin der Meinung, dass er in der Ukraine nicht aufhört und durch ganz Europa marschieren würde."
Wahlkampftaktik und Asylrückstau
Für ihre Zustimmung zum ersten Hilfspaket hatten die Republikaner mit den Demokraten schon neue Maßnahmen wegen der Lage im Süden ausgehandelt. Dort werden nahe der Grenze zu Mexiko historisch viele Immigranten aufgegriffen. Im vergangenen Jahr gab es abseits der offiziellen Übergänge 2,5 Millionen registrierte Übertritte. Nie waren es mehr. Die Republikaner wollten strengere Kontrollen, stärkere Grenzbarrieren und mehr Personal. Die Demokraten kamen ihnen so weit wie noch nie entgegen, wollten unter anderem eine Obergrenze von 1,8 Millionen Übertritten pro Jahr einführen.

Sieht nun einen Weg: Mike Johnson, Sprecher der Republikaner im Repräsentantenhaus
(Foto: IMAGO/ABACAPRESS)
Im letzten Moment ließen sie den Kuhhandel im Repräsentantenhaus platzen. Johnson hatte sich Trumps Willen gebeugt, der seinen Einfluss über die Republikaner deutlich machte. Dem designierten Präsidentschaftskandidaten und Rivalen von Biden kommt im Hinblick auf November jegliche Krise zupass, um sich als möglicher Retter zu inszenieren. Ein weiteres Paket des Senats, mit 60 Milliarden Dollar neuen Militärhilfen, stellte Johnson danach ebenso wenig zur Abstimmung.
Jeder, der US-amerikanischen Boden erreicht, darf Asyl beantragen. Etwa 30 bis 40 Prozent werden jährlich genehmigt. Doch derzeit dauert die Bearbeitung etwa sechs Jahre, währenddessen die Menschen in den USA bleiben. Mehr als eine Million Antragssteller warten auf eine Entscheidung. Trump wollte verhindern, dass sich an der Südgrenze tatsächlich etwas ändert, was Biden im Wahlkampf als Erfolg hätte präsentieren können.
Nun haben Johnson und weitere einflussreiche Kongressmitglieder die Hoffnung geweckt, dass sich doch unabhängig von der Grenzfrage bei den Ukraine-Hilfen etwas bewegen könnte. Und zwar mit einem politischen Taschenspielertrick, der ihm bei der Gesichtswahrung hilft: Trump sinnierte am Wochenende, man könne die Militärhilfen ja als zinslose Kredite ohne Rückzahlungsziel deklarieren. "Gebt ihnen das Geld, und wenn sie es zurückzahlen können, zahlen sie es zurück", sagte er. Kaum war Trumps Absolution neuer Hilfen in der Öffentlichkeit, bewegten sich auch die Republikaner im Repräsentantenhaus.
Priorität ist die Südgrenze
Ist es überhaupt ein Unterschied, wenn die USA gar nicht auf eine Rückzahlung pochen? Für Kiew wohl nicht, aber für die Republikaner und Trump. Der hämmert seinen Anhängern bei jeder sich bietenden Gelegenheit ein, dass es der Wirtschaft schlecht gehe und die Preise hoch seien. Da ist es für die Republikaner schwierig, gleichzeitig Dutzende Milliarden "geschenkte" Dollar zu rechtfertigen, für einen Krieg auf einem fernen Kontinent, bei dem kein Ende abzusehen ist.
Eine knappe Mehrheit republikanischer Wähler sagt, die USA sollten sich aus internationalen Konflikten einfach heraushalten, und Abgeordnete im Repräsentantenhaus stellen sich alle zwei Jahre erneut zur Wahl. Ihre Parteikollegen im Senat haben viel mehr politischen Spielraum. Ihr Mandat dauert jeweils sechs Jahre. Zudem sind die Demokraten dort in der Mehrheit, sie können die Abstimmungen ansetzen.
Während Johnson nun den Weg aufgezeigt hat, mit dem womöglich alle Interessengruppen leben können, haben er und andere Verbündete Trumps die Prioritäten klargemacht: Sie wollen zunächst die Finanzierung der Südgrenze sichern, die Teil des Budgets im Ministerium für Heimatsicherheit ist - und damit Teil des sich wie Kaugummi ziehenden Streits über den Haushalt im Kongress. Also sagte Johnson: Erst lässt er über das Budget abstimmen. Dann kann er sich um das Notfall-Hilfspaket für Kiew kümmern. Die Soldaten in den Schützengräben brauchen Geduld.
Quelle: ntv.de