
Die BMW S 1000 XR ist auch in ihrer Neuauflage ein echtes Adventure Sport Bike.
Wenn man die Leistungswerte der alten S 1000 XR mit denen der Nachfolgerin vergleicht, ist man enttäuscht. Bis auf das letzte Komma scheint alles gleich. Aber wenn man erstmal aufgesattelt hat, dann weiß man, was man hier für ein edles Power-Ross reitet.
Die BMW S 1000 XR ist das bestverkaufte Adventure Sport Bike in Deutschland. Insofern war das Lastenheft für die Neuauflage mit einigen Anforderungen vollgepackt, die es zu erfüllen galt: leichter, wendiger, langstreckentauglicher und noch sportlicher sollte die Neue werden.
Um dem letztgenannten Anspruch gerecht zu werden, haben die Bayern den für die S 1000 RR neu entwickelten Reihenvierzylinder in den Rahmen der XR gehängt. Satte 165 PS leistet der Vierender und zimmert ein maximales Drehmoment von 114 Newtonmetern ab 9250 Kurbelwellenumdrehungen auf die Kette. Wer hier also den Hahn richtig aufzieht, der kann im 6,5 Zoll großen Vollfarbdisplay die Traktionskontrolle wie ein Stroboskop blitzen sehen.
Wenn Reiter und Ross eins werden
Doch der Reihe nach: Der Kenner wird zu Recht fragen, was denn nun an dem 2020er Modell der S 1000 XR anders ist als an der namensgleichen Vorgängerin. Auch die hatte den Treibsatz der RR und tatsächlich glichen sich auch die oben schon erwähnten Leistungswerte aufs Haar. Nun, die Ingenieure haben bei der Neuen die Verdichtung von 12,0 auf 12,5 angehoben und den Drehzahlmomentenverlauf noch etwas breiter und damit harmonischer gemacht. Zudem wurden die Gänge 4, 5 und 6 länger übersetzt. Das senkt zum einen den Verbrauch und macht zum anderen den Wechsel zwischen lässigem Touren und lustvollem Kurvenwedeln noch intensiver.

BMW sieht die S 1000 XR auch auf dem Rundkurs. Richtig wohl fühlen sich Ross und Reiter aber auf der Landstraße.
(Foto: Daniel Kraus)
BMW sieht die S 1000 XR für den hammerharten Racer sogar auf dem Rundkurs. Zweifelsohne kann man das machen, sicher auch problemlos, aber die eigentlichen Vorzüge hat dieses Motorrad auf der Langstrecke und auf kurvigen Bergstraßen. In beiden Fällen kommt dem Fahrer zugute, dass er nicht windschnittig mit gekrümmten Armen über dem Tank liegt, sondern in einer Höhe von 840 Millimetern in die Maschine integriert ist, wie der stolze Reiter auf seinem Ross.
Im Vergleich zum Vorgänger schiebt sich der Fahrer zwei Zentimeter nach vorn, presst seine Schenkel aber weiterhin an einen 20 Liter fassenden Tank und hält die Zügel in Form eines recht breiten Lenkers fest in den Händen. Selbst Piloten unter 1,75 Meter dürften sich hier wohlfühlen und die Füße bei Bedarf problemlos auf den Boden bringen. Und genau aus dieser Position heraus lässt sich die fahrfertig 226 Kilogramm schwere S 1000 XR dank des serienmäßigen ABS Pro feinnervig an jeden Kurvenradius anbremsen und mit immenser Kraft herausbeschleunigen.
Im Kurvenrausch
Dabei kann es schon passieren, dass man sich in einen wahren Rausch fährt und irgendwann ob der eigenen Geschwindigkeit mal kräftig den Anker werfen muss. Kein Problem, denn das ABS Pro ist in Habachtstellung und verhindert auch in Schräglage ein Blockieren der Räder. Dabei ist es auch völlig egal, ob im Fahrmodi "Rain", "Road" oder "Dynamic" gefahren wird. Die Charakteristik des ABS Pro ist im Speicher permanent hinterlegt. Wem das zu wenig ist, der kann natürlich auch in "Dynamic Pro" ums Eck wetzen. Hier gibt es fünf unterschiedliche Varianten, das ABS einzustellen oder es ganz zu deaktivieren, um eine Anbremsdrift möglich zu machen. Also, wer es braucht, der hat es und kann danach mit der Einstellung "Power Wheelie" den Gaul auch noch mal richtig aufsteigen lassen.
Doch zurück zum Bremsen und einem nicht seltenen Fahrfehler: Wer hat es nicht schon erlebt, dass er beim Betätigen der Stopper versehentlich am Hahn zieht? Bei der S 1000 XR sorgt die Dynamik Break Control dafür, dass diese kontraproduktive Handlung keine bösen Folgen hat: Sobald die Sensorbox nämlich einen gewissen Verzögerungswert liefert, wird ein gleichzeitiger Beschleunigungsversuch als unplausibel erkannt und das Öffnen der Drosselklappen unterbunden. Dadurch bleibt die Maschine stabil und der Bremsweg verkürzt sich. Auch das leidige Stempeln hat BMW der S 1000 XR dank der Motor-Schleppmoment-Regelung (MSR) ausgetrieben.

Exakt 3,3 Sekunden braucht die S 1000 XR, um sich und den Piloten auf Landstraßentempo zu beschleunigen.
(Foto: Daniel Kraus)
Doch am Ende des Tages geht es ja gar nicht ums Bremsen, sondern ums Fahren, und zwar um das schnelle Fahren. Egal, ob auf der Langstrecke oder im schon erwähnten Kurvengewirr, wo der Swing einen einfach mitnimmt und in einen ganz eigenen lustvollen Rhythmus zwingt. Und wie gesagt, den kann man im GP-Stil oder aber einfach ganz entspannt als Weltenbummler erleben. Das eine steht mit 3,3 Sekunden von 0 auf 100 km/h im Datenblatt geschrieben, alles andere lässt im großen Vollfarb-TFT, den die XR von der RR übernommen hat, ablesen.
Vorher und nachher alles im Blick
Neben der Anzeige von Geschwindigkeit, Drehzahl, Fahrmodi, ABS, DTC und Dynamic ESA gibt es auch noch solche Schmankerl wie gefahrene Schräglagen, Verzögerung, Drehmomentreduzierung, Speedwarning, Durchschnittsgeschwindigkeit, Verbrauch, Restreichweite, Gesamtkilometer und Tankfüllstand. Zu viele Infos? Mitnichten. Man muss sie sich beim besten Willen nicht ansehen, wenn man gerade kurz vor Knieschliff in der Kurve ist. Die Elektronik malt das nämlich alles auf und schickt es bei Bedarf an die BMW-Motorrad-App, wo im stillen Kämmerlein oder am Stammtisch dann ganz geschmeidig ausgewertet werden kann, ob denn nun die S 1000 XR der schnellste Landstraßen-Hobel ever ist oder nicht.

Die LED-Leuchten im ameisengleichen Gesicht der BMW S 1000 XR können auf Wunsch auch die Kurven ausleuchten.
(Foto: Daniel Kraus)
Auf jeden Fall ist sie im BMW-Portfolio ein Motorrad, das neben der neuen F 900 R und F 900 XR mit einem adaptiven Kurvenlicht die Straßen in der Nacht ausleuchtet. Mit LED-Scheinwerfern, versteht sich. Wem das nicht reicht und wer zwingend den groben GS-Charme an sein Sport Adventure Bike heften möchte, der kann sich optional auf Höhe der Kurbelwelle zwei LED-Zusatzscheinwerfer montieren lassen. Ob man das schick findet, ist dann wohl Geschmackssache. Ebenso wie die Farbgebung. Lediglich zwei stehen zur Verfügung: Ice Grey und Racingred. Die Aussagen der beiden sind klar. Während die eine die dynamischen Toureneigenschaften unterstreichen will, steht die andere für die sportlichen Qualitäten der S 1000 XR. Also, wo auch immer Sie sich als Fahrer sehen, Sie können es farblich untermalen. Wer das nicht möchte, der muss sich dagegen entscheiden oder schweige für immer.
Viel Motorrad für viel Geld
Fakt ist, dass man für die von BMW aufgerufenen 16.950 Euro enorm viel Motorrad bekommt. Den schon beschriebenen Kurvenwedler oder eine Tempomaschine, die auf der Autobahn ohne einem die Arme lang zu ziehen in Nullkommanichts auf über 200 km/h fliegt. Dabei einen Schlachtruf ausstößt, der der Konkurrenz Mark und Bein erschüttern dürfte, den Piloten aber auch nah an den Rand der Taubheit führt, wenn er dieses Akustik-Tempo-Feuerwerk über hunderte Kilometer durchhält. Aber wo geht das schon? Hier wie dort eher nicht.

Das 6,5 Zoll große Vollfarbdisplay der BMW S 1000 XR lässt sich wirklich bei jedem Licht ablesen.
(Foto: Daniel Kraus)
Natürlich ist mit den knapp 17.000 Euro noch nicht alles in das bayrische Abenteuer-Bike gebaut, was möglich ist. Optional gibt es das Touren-Paket für 430 Euro, das Navi-Vorbereitung, Gepäckbrücke, Handschutz und Kippständer beinhaltet. Das Dynamik-Paket hat für satte 1240 Euro den sehr zu empfehlenden Schaltassistenten, Heizgriffe und den schlüssellosen Start sowie eine für Motorräder eher unnütze Temporegelung im Angebot. Bleibt noch das zu hinterfragende Carbon-Paket für 1700 Euro. Lässt man Letztgenanntes - weil echt überflüssig - weg, landet man bei einem stolzen Preis von 18.620 Euro. Dazu kommen noch Kurvenlicht, Reifendruckkontrolle und der intelligente Notruf und schon erleichtert sich das Bankkonto um 19.340 Euro.
Ja, dafür gibt es auch gut und gerne ein Auto, aber auf keinen Fall solch unverfälschten Fahrspaß. Die BMW S 1000 XR dürfte es also auch in Zukunft der Konkurrenz nicht leicht machen, denn sie hat - außer den richtigen Farben, aber das ist die subjektive Meinung des Autors - alles, was das Touren in jedweder Form zur echten Performance machen kann. Immer vorausgesetzt, der Reiter beherrscht am Ende des Tages bei allen Helferlein sein stolzes Ross.
Quelle: ntv.de