30 Jahre Porsche 968 Der vielleicht beste Vierzylinder der Welt
25.12.2020, 17:41 Uhr
Während der Porsche 968 im Sport punkten konnte, wurde er von den Käufern verschmäht.
(Foto: Markus Leser)
Vor 30 Jahren löste der Porsche 968 den Vorgänger 944 ab. Genutzt hat es wenig, nach vier Jahren fiel er wieder aus dem Programm. Heute unverständlich, so gut wie sich das Coupé fährt.
Runde Scheinwerfer, gewölbte Kotflügel und ein ausgewogenes Fahrwerk: Eigentlich hätte der Porsche 968 erfolgreich sein müssen, als er vor 30 Jahren auf dem Markt eingeführt wird. Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Porsche musste das schmerzhaft erleben. Nach nur vier Jahren stellt Porsche die Produktion des Coupés 1995 wieder ein.
Design und Motor werden ihm zum Verhängnis. Von der Seite sieht er noch aus wie ein überarbeiteter 944 - sein Vorgängermodell, das schon seit zehn Jahren verkauft wird. Unter der vorderen Haube des 968 arbeitet zudem ein Vierzylinder und damit kein Sechszylinder-Boxer im Heck. Für gusseiserne Porsche-Fans immer noch Blasphemie - ähnlich wie die Wasserkühlung bei einem Boxermotor.
Vierzylinder lange in Porsche präsent
Dabei treiben Vierzylinder Porsche-Fahrzeuge bereits länger an als Sechszylinder, seit 1948 im 356. Im 968 arbeitet ein Sahnemotor mit 3,0 Litern Hubraum. Grob formuliert stammt der aus dem größeren 928 mit V8 - die rechte Zylinderbank des V8 sitzt nun im 968er, entwickelt 240 PS und 305 Newtonmeter Drehmoment, dreht bis 6200 Touren. Anfang der 1990er-Jahre ist der 968 damit der größte und stärkste in Serie gebaute Vierzylinder, ganz ohne Turbolader. Auch wenn der Motor schon im Vorgänger 944 S2 zum Einsatz kommt, verfeinern ihn die Ingenieure grundlegend: höhere Verdichtung, leichtere Kurbelwelle, Pleuel und Kolben.
Größere Einlassventile und Kühlwasserkanäle sorgen für einen besseren Durchsatz, Ansaugbrücke und Nockenverstellung für einen schnelleren Gasdurchsatz. Erstmals setzt Porsche im 968 die hydraulische Verstellung VarioCam ein. Wie im 924 setzt der 968 weiterhin auf die Transaxle-Bauweise. Heißt: Motor vorn, Getriebe an der Hinterachse, was für eine ausgewogene Gewichtsverteilung sorgt. Damit fährt sich das Coupé mit der großen Heckklappe noch heute sehr sportlich.
Ab rund 2000 Kurbelwellenumdrehungen bietet der Vierzylinder im Coupé viel Kraft, dreht willig bis über 4100 Touren hoch und fängt dann an, mit 305 Newtonmeter Drehmoment sanft an, an der Hinterachse zu schieben. Aus dem Stand könnte der 968 in 6,5 Sekunden auf 100 km/h sprinten und bis zu 252 km/h schnell fahren. Das straffe Fahrwerk federt hart, für den Alltag eine Spur zu hart. Die Reifen 205/45 ZR16 vorne und 225/40 ZR16 hinten laufen Spurrillen bedingungslos hinterher, so dass der Fahrer die Hände fest am Lenkrad haben sollte.
Verspottet als "Hausfrauen-Porsche"
Dafür lassen sich die Gänge präzise und schnell wechseln, so akkurat arbeitet das Getriebe - übrigens als erster Porsche mit einem manuellen Sechsganggetriebe. Die Kupplung verlangt weniger Pedalkraft als ein Elfer aus derselben Zeit und auch die Lenkung arbeitet leichter. Ein Porsche für jeden Tag. Dazu säuselt und zischt der Vierzylinder leise unter der vorderen Motorhaube - und klingt so ganz anders als ein Boxer.
Genau ist sein Problem. Mit dem 968 entwickelte Porsche den 944 und damit auch den 924 nur weiter - und der gilt schon Ende der 1970er als "Hausfrauen-Porsche". Zu bieder, zu langweilig, zu wenig extrem, zu praktisch. Porsche-Fans wollen zur damaligen Zeit einen reinrassigen Sportwagen ohne Kompromisse - was ein paar Jahre später der erste Boxster erfüllt.
Doch der 968 bietet ein paar Vorteile, die heute noch überzeugen: Während Elfer-Fahrer nur ein paar Taschen auf den Beifahrer-Sitz oder unter die vordere Haube packen können, lädt der 968er selbst Wasserkisten im Heck ein. Der Vierzylinder wird schneller warm als der Sechszylinder-Boxer mit seinem großen Öl-Reservoir, die Transaxle-Bauweise bietet ein ausgeglichenes Fahrverhalten auch in schnell gefahrenen Kurven. Abseits des Elfers bietet der 968 viel Porsche-Gefühl für wenig Geld, dazu verschiedene Modelle Coupé, Cabrio, Sportversionen CS, Turbo S und Turbo RS.
Clubsport soll Image verbessern
Mit dem Clubsport will Porsche 1993 das Image verbessern. Weniger Luxus, 50 Kilogramm weniger Gewicht, mehr Sportlichkeit, mehr Fahrspaß. Elektrische Fensterheber, Kofferraumentriegelung, Außenspiegelverstellung, Sitzverstellung und automatische Temperaturregelung fehlen ebenso im Motorraum wie Plastikabdeckungen und Dämmmatten.
Vor fast 30 Jahren kostete der 986 mindestens 89.900 Mark, das Cabrio fast 100.000 Mark. Im Modelljahr 1993 folgt die leichtere Clubsport-Variante für 77.500 Mark, um den Absatz zu steigern. Heute bei Porsche unvorstellbar: ein Clubsport für weniger Geld. Und ein Schnäppchen im Vergleich zum nur 10 PS stärkeren Elfer (964) - dafür mussten Kunden über 122.000 Mark hinlegen. Unpraktisch sind dafür die Sitze des sportlichen CS. Sie sind eng, drücken und lassen sich wegen ihrer festen Rückenschale kaum verstellen.
Der gesenkte Preis des CS kann den Absatz nicht ankurbeln. Die Verkaufszahlen brechen Mitte der 1990er-Jahre weiter ein. Viele Kunden sehen in dem Modell nur eine Weiterentwicklung des 944, die seit 1981 gebaut wird. Tatsächlich ändert Porsche an dem neuen Modell primär Vorderwagen und Heck, von der Seite ähnelt der 968 dem 944 ebenso wie der Innenraum. Von vorne gleicht der Sportwagen dem 928, auch wenn sich der spätere 911 der Baureihe 993 an dem Front-Design orientiert.
Den Kultstatus eines 911 kann der 968 nie erreichen - auch wenn er nur noch selten zu sehen ist und noch seltener angeboten wird. Insgesamt werden in den vier Jahren nur 11.241 Fahrzeuge gebaut, vom CS innerhalb der dreijährigen Bauzeit nur 1538 Fahrzeuge. Überlebt haben nur wenige. Auf den bekannten Gebrauchtwagenbörsen werden nur einige Autos angeboten, zum Teil schon ab 15.000 Euro. Nicht viel für einen wahren Exoten und einen echten Porsche.
Quelle: ntv.de