Auto

Seit 40 Jahren klappt es Die Geschichte des Systemhelms

Der Systemhelm hat in 40 Jahren fast die ganze Motorradwelt erobert.

Der Systemhelm hat in 40 Jahren fast die ganze Motorradwelt erobert.

(Foto: BMW)

Integralhelme gelten seit mehr als 40 Jahren als die sicherste Kopfbedeckung für Motorradfahrer, aber nicht unbedingt als die bequemste Art, den Kopf zu schützen. Sicher war das einer der Gründe, der in Bayern die Idee des Systemhelms wachsen ließ und ihn in die Helm-Topliste brachte.

Es war mutmaßlich ein Motorrad fahrender, rauchender Brillenträger, der mit seinem Zweirad unterwegs war und vor über 40 Jahren die Idee des Systemhelms hatte: Warum nicht bei einem Vollintegralhelm das Kinnteil hochklappen, um die Brille einfach aufzusetzen oder kurz eine Kippe zu rauchen - ohne den Kopfschutz abzusetzen? Das könnte die alles entscheidende Frage gewesen sein. Genau ermitteln lässt sich der Erfinder zwar nicht, dafür aber das Unternehmen, das diesen universellen Klapphelm erstmals entwickelte.

Der System- oder Klapphelm verkauft sich über die Jahrzehnte wie geschnitten Brot.

Der System- oder Klapphelm verkauft sich über die Jahrzehnte wie geschnitten Brot.

(Foto: BMW)

1975 beschließt BMW mit der Firma Römer eine Kooperation, bietet ein Sondermodell passend zum damaligen Supersportler BMW R 90S an, in der knalligen Farbe Daytona Orange. Und die Idee kommt bei Motorradfahrern gut an. Die Bayern verkaufen auf einen Schlag etwa 11.000 Helme mit der speziellen Lackierung. Keine Selbstverständlichkeit, denn eine Helmpflicht für Zweiräder, die schneller als 20 km/h fahren, gibt es damals noch nicht - sie wird erst ein Jahr später eingeführt. In der DDR sogar erst im Jahr 1980.

Der Sicherheits-Mikrokosmos

Doch der eigene Helm gehört zum neuen Sicherheitskonzept von BMW. Neben dem Helm planen die Münchner einen eigenen Sicherheits-Mikrokosmos. "Nebenbei entwickelte BMW neue Fahrertrainings und ab 1978 Schutzkleidung und Zubehör", sagt Fred Jakobs, BMW Group Archiv Leiter. Für die damalige Zeit schnittige Lederanzüge zählen ebenso dazu wie Regenüberzüge, Unterwäsche, Taschen und Tankrucksäcke. Ein selbst entwickelter und bei einem Spezialisten produzierter Helm scheint die logische Konsequenz.

Das klappende Kinnteil eines Integralhelms war der absolute Clou der Systemhelme.

Das klappende Kinnteil eines Integralhelms war der absolute Clou der Systemhelme.

(Foto: BMW)

1981 ergänzt dann der neue Helmtyp das Programm: der Klapphelm. Erstmals kombinieren die Tüftler den mit der höchsten Sicherheitsstufe geadelten Vollintegralhelm mit der Bequemlichkeit eines halboffenen Jethelms. Der Clou: Dank einer neuen Mechanik im Helm klappt das Kinnteil nach oben. So muss die Brille nicht durch die Visieröffnung gequetscht werden, sondern lässt sich mit etwas Übung sogar ganz entspannt vorher aufsetzen. Zudem kann die Zigarette zwischendurch in den Mundwinkel geschoben werden, ohne den Kopfschutz abzusetzen. Selbst beim Bezahlen nach dem Tanken müssen Motorradfahrer nicht mehr ihre Hartschale abnehmen. An besonders heißen Tagen können Biker das Kinnteil in der obersten Stellung arretieren oder mit zwei Handgriffen demontieren - für noch mehr Luft im Gesicht.

20 Jahre alleiniger Hersteller

BMW lässt sich das System patentieren. 20 Jahre lange bleibt das Unternehmen exklusiver Hersteller der Systemhelme, die eigentlich nur zwei Nachteile bieten: Sie sind teurer und schwerer als konventionelle Integralhelme. Das scheint viele Motorradfahrer aber nicht zu stören. Vom System Helm 1, so der Name, verkauft BMW 177.000 Stück, von der zweiten und dritten Generation etwa 200.000 Exemplare, bei den darauffolgenden Generationen greifen fast 300.000 Kunden zu der besonderen Helmschale.

BMW verkauft zwischenzeitlich mehr Systemhelme als Motorräder.

BMW verkauft zwischenzeitlich mehr Systemhelme als Motorräder.

(Foto: BMW)

Kurios: Anfang der 1990er-Jahre verkauft BMW jährlich etwa 50.000 Helme - und damit deutlich mehr als Motorräder. 1993 waren es "nur" 35.000 Maschinen. Heißt: Nicht nur Besitzer von Maschinen aus Bayern nutzen die BMW-Helme, sondern auch Besitzer von Fremdfabrikaten. Das ist doppelt ungewöhnlich: Einmal sind Biker sehr markentreu und nutzen eher selten Zubehör von anderen Herstellern, zum anderen müssen sie für den Kauf extra einen BMW-Händler besuchen, denn wie erwähnt boten andere Unternehmen den Systemhelm lange nicht an. Heute zählt der BMW-Systemhelm zu den meistverkauften Helmen überhaupt.

Einer für alles

Doch von der ersten Idee bis zur Produktion vergehen knapp 3,5 Jahre. Den Systemhelm gibt es derzeit in der siebten Generation, an der nächsten wird gerade intensiv gearbeitet. Produziert wird lange in Deutschland bei Schuberth, seit einiger Zeit in Italien. Außer in China und den USA werden die Helme weltweit verkauft, primär über die 1500 BMW-Händler, aber bald auch über Filial- und Versandhändler für Motorradbekleidung. Der aktuelle Systemhelm 7 kostet je nach Ausstattung zwischen 595 Euro und 820 Euro, wiegt um die 1,5 Kilogramm und lässt sich mit Zubehör wie einem helmspezifischen Kommunikationsmodul aufrüsten. Damit können Passagiere während der Fahrt Musik hören, telefonieren, miteinander sprechen oder die Ansagen vom Navi hören (hier geht es zum Motorrad-Navi Vergleich).

Die Aerodynamik ist natürlich auch beim Systemhelm ein ganz wichtiger Faktor.

Die Aerodynamik ist natürlich auch beim Systemhelm ein ganz wichtiger Faktor.

Zwar offeriert BMW seine Helme weiter für jeden Fahrer auf jeder Maschine. Doch die Kombination aus einem Zweirad mit dem weiß-blauen Logo und einem dafür entwickelten Sicherheitshelm ist einmalig. BMW testet nämlich seine Helme im eigenen Auto-Windkanal bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten, Wind und Regen nicht nur separat, sondern vor allem in Kombination mit den eigenen Maschinen und diversen Akustik- und Kommunikationssystemen.

"Je nach Verkleidung und den daraus folgenden Windverwirbelungen hinter der Windabrisskante reagieren Helme unterschiedlich. Eine ausgeklügelte Aerodynamik ist deshalb wichtig, damit der Helm innen leise ist, nicht wummert oder unnötig Druck aufbaut", sagt Gregor Alff, bei BMW verantwortlich für Helme und Fahrerausstattung.

Je nach Fahrergröße und Länge der Spoilerscheibe treten andere Verwirbelungen auf. Ein Grund, weshalb Motorradfahrer vor dem Kauf einen neuen Helm unbedingt auf der eigenen Maschine testen sollten. Sonst kann auch der leiseste Helm bei der Fahrt sehr laut werden.

In den vergangenen 40 Jahren haben sich Helme weiterentwickelt, nicht nur bei BMW. Demnächst löst die neue Norm 22.06 die noch gültige EC-Norm 22.05 ab. Anfang der 2000er-Jahre lief das Patent von BMW übrigens aus, so dass andere Hersteller mit eigenen Klapphelmen auf den Markt kamen. Die Auswahl an Klapphelmen ist inzwischen wesentlich größer und günstige Einstiegsmodelle kosten kaum mehr als 100 Euro. Und so ist der Systemhelm unterdessen durchaus eine praktische Wahl geworden. Und das nicht nur für rauchende Brillenträger.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen