
Das Fahrzeug für die Reise über die B3, die Traumstraße nach Süden, ist der BMW 2002 aus dem Jahr 1975.
(Foto: Wolfgang Groeger-Meier)
Die Bundesstraße 3 ist die direkte Verbindung von Buxtehude nach Weil am Rhein. Sie ist, jedenfalls in den Augen von Wolfgang Groeger-Meier, die deutsche Route 66. Mit sechs Autoren hat er sie bereist und ein eindrucksvolles Bild des gemeinsam zurückgelegten Weges gezeichnet.
Wenn man den Buchtitel "Lockruf des Südens" liest, denkt man eher an einen Roman von Jack London als an ein Buch über eine Reise auf der "deutschen Traumstraße", der B3. Hm, Traumstraßen in Deutschland? Tatsächlich wird die Bundesstraße 3, die sich von Hamburg bis nach Weil am Rhein zieht, nicht nur als deutsche Route 66 beschrieben, sondern auch als eine der schönsten Wege, Deutschland einmal von Nord nach Süd zu durchqueren. Nun gut, denkt der Autor dieser Zeilen, bevor ich mich tagelang auf einer Bundesstraße langweile, versuche ich es mal mit dem Buch.
Und so lasse ich mir im Vorwort von Wolfgang Groeger-Meier erklären, wo sich denn die B3 genau langwindet. Da wird die Lüneburger Heide ebenso genannt wie das Markgräflerland, da ist von Städten wie Hannover, Göttingen, Marburg, Frankfurt, Heidelberg und Freiburg die Rede, also deutschen Orten mit historischer Strahlkraft. Aber allein diese Aufzählung überzeugt mich nicht, die B3 über ihre 800 Kilometer zu bereisen.
Kinder der Bundesstraße 3

Eine alte Tankstelle an der Bundesstraße 3 in Wolthausen bei Celle in Niedersachsen.
(Foto: Wolfgang Groeger-Meier)
Groeger-Meier selbst ist an der B3 aufgewachsen. Für ihn war sie die Reiseader aus der und in die Heimat. Dabei ist dieses Wort Heimat so etwas wie der Schlüssel für die Reise über die "Traumstraße". Denn Groeger-Meier hat für seine Reise nicht nur den 1975er BMW 2002 gesattelt und die Kameras eingepackt, er hat auch Freunde auf die Fahrt eingeladen. Allesamt Kinder der Region, die die Bundesstraße bei der Fahrt ganz neu erleben werden.
Während die einen vom 2002 in eine mobile Vergangenheit versetzt werden, sehen die anderen die Landschaften, Weinberge und Architektur, die beredt von dem erzählen, was die B3 einst war, wie sie sich verändert hat und was sie jetzt ist. Und die Autoren begegnen Menschen - die gegangen sind, die wiederkamen oder das Umland der B3 für sich entdeckten. Was sie am Ende alle eint, ist, dass das Land um die B3 Heimat für sie geworden ist oder schon immer war.
Alles verändert sich

Man muss sehr früh aufstehen, will man die Bundesstraße 3 bei Pattensen in diesem Licht sehen.
(Foto: Wolfgang Groeger-Meier)
So unterwegs, zeichnen die Autoren nicht nur Bilder der Menschen, die ihnen begegnen, sondern auch von sich selbst. Und Groeger-Meier hält die Kamera drauf. Dabei sind die Fotos nicht spektakulär, fangen einfach den Moment ein, zeigen Menschen, die der B3 ihr Gesicht geben. Da sind Maren und Lüder Springhorn, die Möbel entwerfen, bauen und über ihre eigene Agentur vertreiben. Das hätten sie auch in der Stadt machen können, aber sie haben sich bewusst für ein Leben auf dem Land entschieden. Denn der gewählte Standort besitzt für sie eine "eigene Magie und ist mehr als nur ein Firmensitz".
Über die Jahre haben sich die Bundesstraße und ihre Umgebung verändert. Nicht immer zum Besseren. Da ist zum Beispiel das einstige Hotel, in dem die freundliche Frau von der Tankstelle als kleines Mädchen Minigolf spielte und in dem heute Hartz-IV-Empfänger leben. Und längst ist die B3 nicht mehr die einzige Art, von Nord nach Süden zu reisen. Neben ihr tut sich die Autobahn auf, die ihre Reisenden deutlich schneller, aber auch unpersönlicher als Ziel bringt.
Perspektiven wechseln
Auf den deutschen Schnellstraßen könnte der BMW 2002 auch gar nicht so schön sein Vierzylinder-Lied singen. Mit seinen 100 PS brennt er nach heutigen Maßstäben keine schwarzen Streifen mehr in den Asphalt. Dafür bringt er seine Insassen aber ganz famos über die engen Kehren und kurzen Geraden der B3. Die vier Gänge reichen, weiß Michael Godde zu berichten und schwärmt über die Strecke.
Doch am schönsten fasst es wohl Katharina Meyer zusammen, die mit Groeger-Meier die Etappe von Frankfurt nach Heidelberg im 2002 bewältigte: "Wenn wir neue Orte kennenlernen oder Orte neu kennenlernen, Fremden nahekommen, Perspektiven wechseln, fügen sich wie ganz von alleine neue Farben und Formen in unser Bild von der Welt ein." Und genauso ging es dem Autor dieser Zeilen beim Lesen von "Lockruf des Südens". Er fühlte sich mitgenommen auf eine Straße, die er nicht kennt und die wohl auch nie in seinen Fokus gerückt wäre, wenn er das Buch nicht in die Finger bekommen hätte.
Jetzt, nach knapp 200 Seiten, zieht es ihn zur B3 und er möchte die 800 Kilometer der Bundesstraße kennenlernen. Möchte selbst die Menschen erleben, die hier beschrieben werden, das Bier und den Wein trinken, das Heidelberger Schloss bestaunen und den ersten Bau von Walter Gropius, das Fagus-Werk in Alfeld, sehen und die Apotheke, in der Bertha Benz das Ligroin für ihren Motorwagen kaufte. Wann? Keine Ahnung, aber das Buch hat es geschafft, dass es einen B3-Plan auf der Agenda der noch zu bewältigenden Wege gibt.
Quelle: ntv.de