Italiener starten Comeback Lancia Pu+Ra HPE - elektrisch und mit hohen Reichweiten
18.04.2023, 10:05 Uhr Artikel anhören
Hoher Wiedererkennungswert: Den Lancia Pu+Ra HPE wird man immer identifizieren, aber leider nie auf der Autobahn antreffen.
(Foto: Lancia)
Lancia fristet seit Jahren ein Nischendasein in Europa und ist nur noch in Italien zu haben. Damit soll bald Schluss sein, Lancia kommt zurück auf den gesamten europäischen Markt. Als Vorhut schicken die Italiener eine spannende Studie. Erstes Serienmodell wird nächstes Jahr der neue Ypsilon.
Reisen nach Mailand sind eigentlich keine große Sache, die Stadt in der Lombardei ist selbst vom Westen Deutschlands schnell erreicht. Der Stellantis-Konzern nutzt die Metropole häufig für Aktivitäten und Präsentationen. Aber diesmal wird der Besuch zur emotionalen Angelegenheit. Denn mit dem kompakten Shootingbrake-Concept Lancia Pu+Ra HPE gibt die Marke quasi den Startschuss zu ihrem groß angelegten Comeback.
Im Mai 2017 war vorerst Schluss mit Lancia-Modellen in Deutschland und im restlichen Europa ebenfalls - bis auf Italien. Hier läuft der inzwischen alternde Ypsilon übrigens noch heute vom Band und erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit. Bisher setzt Lancia jährlich um die 40.000 Exemplare von dem Kleinwagen ab.
Doch Lancia war früher ein stolzer Hersteller prestigeträchtiger sowie technisch innovativer Reise- und Sportwagen, man denke bloß an Modelle wie Aurelia, Flaminia oder Flavia. Und in diese Richtung möchte Markenchef Luca Napolitano das Label auch wieder entwickeln, was mit dem Concept untermauert werden soll. Namensgeber war der praktische und zugleich sportliche Beta-Ableger HPE - das Kürzel stand für "High Performance Estate".
Ob irgendwann tatsächlich mal wieder mit einem direkten Nachfolger im Beta-HPE-Style zu rechnen ist? Das verrät Lancia-Chefdesigner Jean-Pierre Ploué natürlich nicht, aber die Wahrscheinlichkeit dürfte eher gering sein. Was er dafür verrät, ist, dass die Jahre 2024 und 2025 im Zeichen des neuen Ypsilon stehen werden.
Etwa 25 Lancia-Händler anfangs in Deutschland
Der runderneuerte Kleinwagen soll nämlich ab dem zweiten Quartal des nächsten Jahres über etwa 25 Händler auch wieder in Deutschland ausgeliefert werden. Ein Jahr später folgt dann eine besonders performante HF-Version des Cityflitzers. Ein neues Vertriebskonzept soll für gute Laune im Handel sorgen, der natürlich auch weiß, dass man mit Lancia eher keine großen Stückzahlen wird drehen können. Der Stellantis-Importeur tritt als Agentur auf und unterstützt die Händler beispielsweise mit Vorführwagen - so entstehen für den Vertrieb zumindest keine überbordenden Kosten.
Geordert wird bei Stellantis direkt und der Kunde darf im Internet aussuchen, über welchen Betrieb ausgeliefert und die Inspektion später durchgeführt werden soll. Verfügbar sein werden elektrifizierte Verbrenner-Varianten sowie eine rein elektrische Version. Liegt auf der Hand, DS3 Sportback und Peugeot 208 zum Beispiel sind ja auch Konzern-Kleinwagen mit exakt diesen Konfigurationsmöglichkeiten.
Noch deutlich spannender wird es ab dem Jahr 2026. Dann nämlich soll das familientaugliche Lancia-Mitglied mit der historischen Bezeichnung Gamma erscheinen. Ein SUV steht indes nicht zur Debatte, verspricht Ploué. Man orientiere sich bei Lancia an der Markengeschichte, führt er aus. Und historische SUV gibt es bei Lancia schließlich keine. Zwei Jahre später, also für 2028, ist dann der Delta geplant. Wie genau diese Kreationen aussehen werden, ist den Referenten hier und heute natürlich nicht zu entlocken. Dass sie allesamt Elemente der Studie Pu+Ra HPE tragen werden, wird indes betont.
Mit der etwas kryptisch anmutenden Namensgebung möchte Lancia die Botschaft transportieren, dass der HPE pur und radikal angelegt ist. Ich finde ihn allerdings eher futuristisch. Beim Blick auf das Heck mit den runden Rückleuchten kommen Erinnerungen an den legendären Lancia Stratos auf, während bei der Front bloß der Lancia-Schriftzug auf die Marke hinweist. Innen mutet die Neuinterpretation des HPE ganz schön plüschig an.
Bis zu 350 kW Ladeleistung und 700 Kilometer Reichweite
Beim salonähnlichen Interieur hatte ja schließlich der Luxusmöbelhersteller "Cassina" ein Wörtchen mitzureden. Eine erste Tuchfühlung zeigt tatsächlich, dass die Studie ziemlich wohnlich geraten ist: Üppige Polster dürften in der Kombination mit fortschrittlichem Infotainment (der Fokus liegt auf einfacher Bedienung und einer deutlich verbesserten Sprachsteuerung) jenen Komfort schaffen, den potenzielle Kunden von einem luxuriösen Fahrzeug erwarten. Riesige Glasflächen samt Panoramadach taucht das Innenleben in viel Licht. Und außerdem verströmt die Architektur einen typischen italienischen Stil.

Das neue, reduzierte Infotainment-System "Sala" soll extrem einfach zu bedienen sein.
(Foto: Lancia)
Damit dieser ohne Reue genossen werden darf, erklärt Lancia Nachhaltigkeit für eine wichtige Säule. So sollen bis zu 70 Prozent der Innenraum-Oberflächen in den künftigen Serienmodellen aus umweltschonenden Materialien bestehen. Komfort ist natürlich ebenso ein großes Thema, und hier könnte es spannend werden. Denn er erfordert im Kontext mit batterieelektrischen Fahrzeugen bestimmte technische Kompetenzen. Wenn nämlich lange Strecken Spaß machen sollen mit den künftigen Lancia-Offerten, dann muss die Ladeperformance stimmen. Als Unterbau für den künftigen Gamma (irgendwo im Bereich der Mittelklasse angesiedelt) wird die neu entwickelte, mittlere "STLA"-Plattform dienen, deren Batterie- und Ladespezifikationen sich jedenfalls sehen lassen können.

Ob man auf diesen Möbeln gut sitzen kann? Mal sehen, wie viel davon in der Serie übrigbleiben wird.
(Foto: Lancia)
Stellantis-Cheftechniker Ned Curic verspricht bis zu 700 Kilometer Reichweite - kein Wunder bei angestrebten Akkugrößen von 87 bis 104 kWh. Das sitzt. Noch beeindruckender aber ist, dass die 800-Volt-Architektur Ladeleistungen von bis zu 350 kW erlauben wird. Für die Zeit ab dem Jahr 2028 rechnet Curic gar mit Feststoffbatterien in der Serienproduktion. Diese sollen dann sukzessive Einzug in die bestehende Modellpalette halten. Mit der Modellvorschau gibt Lancia einen Ausblick auf die nächsten zehn Jahre.
Man darf gespannt bleiben, ob die Stückzahlen ausreichen werden, um dauerhaft einen wirtschaftlichen Businesscase für die 106 Jahre alte Traditionsmarke zu schaffen. Die Chancen dafür sind im Stellantis-Verbund jedenfalls gestiegen. Enthusiasten dürfen sich jedenfalls darüber freuen, dass Lancia in Kürze wieder die europäische Autolandschaft bereichern wird.
Quelle: ntv.de