Gegen den Strom Mazda CX-60 - ein neues Dieselmodell aus Japan
31.03.2023, 09:50 Uhr
Markant am Mazda CX-60: der große Kühlergrill. Das Licht aus den LED-Scheinwerfern wird auf Wunsch adaptiv gestreut (Matrix-Technologie).
(Foto: Patrick Broich)
Aktuell wird ein Elektroauto nach dem anderen vorgestellt, währenddessen schiebt Mazda mal eben den CX-60 mit Sechszylinder-Diesel in den Markt. Ist das ungewöhnlich? Nicht für deutsche Premiumhersteller, für eine japanische Automarke aber schon.
Es gibt hierzulande mindestens drei unterschiedliche Realitäten derzeit bezüglich des automobilen Geschehens. Eine spiegelt sich in der Erzählung der Automobilindustrie wider, wie schnell die Elektrifizierung voranschreite, welche Modelle man bereits im Köcher habe und was man überhaupt plane - nämlich viel Elektro in den nächsten Jahren. Die zweite entstammt ökologisch angehauchten politischen Kräften, von denen einige am liebsten schon 2030 keine neuen Verbrenner mehr erlauben und die womöglich sogar deren Bestandsschutz (bereits zugelassene Verbrenner dürfen auf unbestimmte Zeit in Betrieb bleiben) gerne kippen würden.

Auf den etwas sperrigen Namen "e-Skyactiv D" hört der Mazda mit dem neuen Diesel unter der Haube. Um welche der beiden Leistungsstufen es sich handelt, ist anhand dieses Schriftzuges nicht auszumachen.
(Foto: Patrick Broich)
Und die dritte Realität ist die, die ein Autokunde empfindet, wenn er zügig an weite Ziele gelangen will, daher einfach auf den Diesel setzt und Elektromobilität eher ablehnt. Von solchen Kunden gibt es eine nicht zu unterschätzende Menge. Und auch laut diversen Umfragen lehnen die meisten Bundesbürger einen Elektroauto-Zwang ab.
Bei Mazda hat sich längst eine andere Philosophie durchgesetzt als bei den meisten Herstellern. "Rightsizing" statt Downsizing geben Mazdas Ingenieure und Marketingspezialisten schon seit Jahren als Leitbild aus und trotzten daher dem Trend, immer kleinervolumige Verbrenner zu bauen. Klein dagegen ist der Akku ihres Elektroautos MX-30, weil kleine Akkus die Umwelt schonen. Wer schneller weiter kommen will, erhält den cool gezeichneten Allrounder mit den gegenläufigen Türen ab sofort mit sogenanntem Range-Extender. Und der kommt in Gestalt eines Wankel-Benziners - wenn das nicht mal Traditionspflege ist.
Eine Ansage: 3,3 Liter Hubraum und sechs Zylinder in Reihe

Der Mazda CX-60 ist eine durchaus stattliche Erscheinung. Dank 4,75 Metern Länge und 1,68 Metern Höhe bietet er reichlich Platz für seine Fahrgäste.
(Foto: Patrick Broich)
Und dann jüngst der dickste Brocken: Reihensechszylinder-Diesel mit 3,3 Litern Hubraum im CX-60, Mazdas frischem Mittelklasse-SUV. Also wieder gegen den Strom mit einfachem und klassischem Motorenbau? Doch ganz so schlicht ist das moderne Triebwerk gar nicht. Ein im Achtgang-Automatikgetriebe auf die Eingangswelle wirkender Startergenerator mit 17 PS unterstützt den Selbstzünder und hat noch weitere Funktionen, aber dazu später noch mehr.
Zur Kategorie Traditionspflege gehört gewiss auch der Reihensechszylinder. Letzterer hat in Form der für Europa vorgehaltenen benzinbefeuerten Xedos-Modellen aus den Neunzigerjahren längst bewiesen, dass feine Laufkultur mit den Ingenieuren aus Hiroshima möglich ist. Die ersten Assoziation nach Aufbruch mit dem CX-60 gehen allerdings in eine andere Richtung. Klanglich erinnert das in der schwächeren Leistungsstufe (200 PS) mit Hinterradantrieb antretende SUV an den Nissan Patrol der Achtziger - seinerzeit ebenfalls mit Reihensechser und 2,8 Litern am Start.
Mehr Laufkultur als hier ist kaum möglich

Ein bisschen einfallslos wirkt die Mittelklasse mit der hohen Gürtellinie. Aber Konservatismus beim Design schadet den Verkaufszahlen meist nicht.
(Foto: Patrick Broich)
Aber jetzt ist natürlich alles viel leiser und feiner. Je nach Lastzustand dringen mal gedämpft gurgelnde Töne, mal ein leises Schnarren in die adrett hergerichtete Architektur. Und die Techniker helfen sogar nach: Mittels einem Schlauchsystem können die Akustiker verstärken, was der 3.3 an Ton-Bandbreite produziert, und die Frequenzen in wohldosierter Form an die Ohrmuscheln der Mitfahrer geleiten. Vibrationen? Fehlanzeige, ausgeglichener Massenkräfte zweiter Ordnung sei Dank. Danke also an den Reihensechszylinder.
Was tut der sonst so? Wenn man ehrlich ist, reicht die Basis mit 450 Newtonmetern für die zufrieden dreinblickende Miene. Das Einstiegsaggregat agiert nicht biestig, aber baut schon satt Druck auf. Druck auf die Rücken der Passagiere, aber es gibt keine Traktionsprobleme auf Asphalt, obwohl nur eine Achse angetrieben wird. Und wie sieht das beim 254-PS-Brocken aus im Vergleich? Jetzt ist der Allradantrieb gesetzt, ein bisschen mehr Schleppmoment gilt es zu überwinden plus die Massenträgheit, die Zweitonner so mit sich bringen.

Stolz ist Mazda auf den Reihensechszylinder - sonst würde es der Konzern nicht per seitlichem Schriftzug kundtun. Aber richtig so! Diese Motorenbauart hat ihre Fangemeinde.
(Foto: Patrick Broich)
Na ja, 8,4 Sekunden stehen 7,4 Sekunden gegenüber, was die Sprintwerte auf 100 km/h angeht. Ein Quäntchen mehr Längsdynamik erzeugt der Allradler in der Praxis schon, gefühlt aber weniger beim Durchbeschleunigen als beim Zwischenspurt im großen Gang, wo 100 Newtonmeter mehr (550 Nm) ein zumindest leicht spürbares Resultat liefern.
Aber noch einmal kurz zum Getriebe: Wer im Prospekt oder Internet gelesen hat, dass diese Achtgang-Automatik keinen hydrodynamischen Drehmomentwandler besitzt, hat richtig verstanden. Es gibt stattdessen eine klassische Lamellenkupplung, wie sie aus Effizienzgründen auch gerne bei Doppelkupplern verwendet wird. Fährt dann nicht ganz so sämig an in der Regel. Aber nicht so bei Mazda. Weil ja der kräftige E-Motor im Getriebe hockt, übernimmt dieser also das Kriechen bei Loslassen der Bremse. Somit fährt der Diesel maximal geschmeidig an.
Der Antriebsstrang ist sophisticated
Und es geht noch weiter mit technischen Raffinessen. Segeln oder rekuperieren - kann der CX-60 beides. Und noch mehr: Verspürt der Fahrer beim Dahingleiten mit ausgeschaltetem Motor (übernimmt die Elektronik) zu viel Bremsmoment, kann er ganz leicht das Gaspedal antippen, um die Rekuperationsleistung zu reduzieren. Der Motor bleibt aber dennoch vorerst ausgeschaltet. Darüber hinaus verwendet Mazda ein völlig neues Brennverfahren, um seinen Selbstzünder effizient zu machen. Der Diesel nutzt die überschüssige Luft, die der Turbolader produziert, um je nach Lastzustand noch magerer zu laufen. Durch den doppelt eiförmig geformten Kolbenboden kann sich der in mehreren Zyklen eingespritzte Kraftstoff besser mit der Luft vermischen, bevor er sich entzündet. Das reduziert einerseits NOx und Rußbildung, anderseits kann der maximale Verbrennungsdruck trotzdem zum richtigen Zeitpunkt auf den Kolben wirken. Verbräuche um fünf Liter je 100 Kilometer in der Praxis sind realistisch.

Der Innenraum des Mazda CX-60 sieht schnieke aus und ist sauber verarbeitet. An Display gibt es reichlich.
(Foto: Patrick Broich)
Das alles klingt nach einem Rezept, um etliche Kunden abzuholen, die mit einem geräumigen Auto gerne hin und wieder auf die längere Reise gehen würden. Dass der realistischerweise meist mit 20-Zöllern bestückte Allrounder (18-Zöller trägt nur das Grundmodell) einen Hauch flauschiger über Kanaldeckel rollen könnte - geschenkt. Design-Experimente verkneift sich Mazda übrigens, bleibt eher konservativ mit seinem SUV.
Schon weniger konservativ dagegen ist das inzwischen erreichte Maß an Anzeigefläche inklusive Head-up-Display und Kombiinstrument als reine Monitorzone. Dass der zentrale Screen aber nur berührungsempfindlich ist, wenn man beispielsweise Apple CarPlay per Smartphone-Integration nutzt, macht nachdenklich. Letzteres gilt auch für die neuartige Funktion, den Bordcomputer einfach nur mit seiner persönlichen Körperlänge zu füttern, woraufhin viele kleine kleine Stellmotoren das Mobiliar in die (vermeintlich) richtige Position manövrieren. Kann klappen, muss aber nicht. Ist dennoch ein witziges Gimmick.

Einfach die Körpergröße eingeben, schon fährt der Sitz in die richtige Position. Ist natürlich Wunschdenken – man muss entsprechend anpassen. Aber die Idee ist super.
(Foto: Patrick Broich)
Wer sich nach ein paar Stunden aus den konturierten Ledersesseln erhebt inmitten einer schnieken Umgebung aus Ahornholz-Elementen samt Armaturentafel mit fancy gestaltetem Stoffüberzug (soll japanische Kakenui-Nähtechnik sein, was immer das auch ist), dürfte ein glückliches Gesicht machen.
Ach ja, die Kleinigkeit von 46.150 Euro (für den 200 PS-Diesel) und 51.350 Euro für den Mazda CX-60 e-Skyactiv D 254, puh, was für ein Name, müssten auch noch an den Händler des Vertrauens überwiesen werden. Weil das 4,75 Meter lange SUV aber serienmäßig bereits über Brocken wie LED-Scheinwerfer, Navigationssystem, Smartphone-Integration und Tempomat verfügt, kann man am Preis nichts aussetzen. Und die gängigen Assistenten sind natürlich auch an Bord.
Quelle: ntv.de