Weltpremiere auf Autosalon Paris Mercedes EQE SUV - nützlich und nicht ganz so groß
17.10.2022, 08:50 Uhr
Die Längsstreben im angedeuteten Kühlergrill des Mercedes EQE SUV sehen sportlich aus.
(Foto: Mercedes)
Auf dem Pariser Autosalon zeigt Mercedes dem Publikum zum ersten Mal sein EQE SUV. Die AMG-Version mit bis zu 1000 Newtonmetern Drehmoment haben die Schwaben gleich mitgebracht - und ntv.de hat bereits Platz genommen in dem luxuriösen SUV.
Natürlich, es musste ja so kommen. Heutige Autokunden sind maximale Vielfalt gewöhnt und da SUV ja sowieso zu den beliebtesten Karossen gehören, hat man ein solches Derivat in der Kategorie der gehobenen Mittelklasse fast schon vermisst. Als Präsentationsort wählte Mercedes publikumswirksam das pompöse Museum Rodin im siebenten Arrondissement am Vorabend des Pariser Autosalons. Das Pariser Stadtzentrum als Sinnbild für die scheinbar dringend notwendige Umstellung auf lokal emissionsfreie Mobilität einerseits und den kaum stillbaren Hunger nach SUV anderseits - besser passend geht es kaum.
Und da zumindest auf dieser Plattform ohnehin keine elektrische Variante eines T-Modells (Kombi) vorgesehen ist und die Untertürkheimer Kombis sogar mittelfristig aufs Altenteil schicken könnten (festlegen möchte man sich beim Daimler noch nicht), dürfte das praxistaugliche SUV tatsächlich wichtiger denn je werden. Et voilà.
Und wer sagt denn bitte, dass neue Autos immer größer werden? Das taufrische Mercedes SUV der EQE-Baureihe jedenfalls erfreut durch verhältnismäßig kompakte Abmessungen. Nicht, dass er klein wäre, aber der Businessklässler rangiert mit einer Länge von 4,86 Metern ungefähr auf dem Level des W210, also der E-Klasse aus den Neunzigerjahren. Dank klugem Packaging ist das SUV dennoch so geräumig, wie man es in diesem Segment anno 2022 erwartet. Es glänzt mit benchmarkiger Beinfreiheit und eine erste Tuchfühlung bestätigt tatsächlich herrschaftliche Raumverhältnisse. Ähnliches gilt auch für das Gepäckabteil, denn nach Umklappen der Rücksitzlehnen dürfen immerhin 1675 Liter Volumen ausgefüllt werden.
Keine Dach-Haltegriffe für das junge Mercedes-SUV
Und da der Redakteur sowieso schon im Auto hockt, schweift der Blick prüfend durch den Innenraum auf der Suche nach Verarbeitungspatzern. Stattdessen finden sich schicke Gimmicks wie extravagant geformte Kopfstützen und anspruchsvoll designte Innenleuchten. Jede Wette, dass Features wie schrille Ambientelichtfarben den Spieltrieb der asiatischen Kundschaft wecken? Aber wenn sie auch Europäer zum Schmunzeln anregen, ist doch alles okay. Aber warum fehlen die Haltegriffe über den Türen? Die sind doch eigentlich recht angenehm.
Natürlich werden sich manche vom Werk angegebenen Parameter hier und jetzt nicht überprüfen lassen. Wie lange hält das EQE SUV seine versprochene Ladeleistung von 170 kW? Jedenfalls soll ein ausgeklügeltes Lademanagement bewirken, den Akku möglichst schnell wieder in Saft und Kraft zu bringen. Der Hersteller beziffert das so: Binnen einer Viertelstunde sollen sich im besten Falle 220 Kilometer Reichweite nachladen lassen.
Das dürfte natürlich nur klappen, wenn die Batterie optimal lädt. Bei vollem Akku (90,6 kWh) soll man nach gemittelter WLTP-Manier 590 Kilometer weit kommen, damit wäre der praktische Allrounder definitiv langstreckenfähig. Mit der hinterradangetriebenen Basisversion mag das gelingen, der AMG-Topliner wird vorher an den Strom müssen.
1000 Newtonmeter Drehmoment für das Topmodell
Und wenn sich denn genügend Power im Speicher befindet, soll es mit Schmackes vorangehen. Unter 215 kW, also 292 PS in klassischer Währung, leistet keine E-Maschine des jüngsten Mercedes-SUV. Dieser Output verteilt sich wahlweise auf die Hinterachse (EQE 350+) oder beide Achsen (EQE 350 4Matic). Der EQE 500 4Matic powert gar 408 Pferdestärken zwingend auf beide Achsen. Richtige Performance-Liebhaber dürften die AMG-Varianten 43 4Matic (476 PS), 53 4Matic+ (626 PS) oder 53 4Matic+ mit AMG Dynamik Plus Paket (687 PS) reizen.
Die Topversion erreicht übrigens 240 km/h Spitzentempo, was in der Welt der batterieelektrisch angetriebenen Fahrzeuge eher selten anzutreffen ist. Die Beschleunigungswerte des Spitzenmodells fallen schon allein auf dem Papier atemberaubend aus - mit einer "Race-Startfunktion" lassen sich kurzzeitig zehn Prozentpunkte mehr Leistung abrufen. Dann soll der 2,6-Tonner binnen 3,5 Sekunden 100 km/h schnell sein. Sein Drehmoment beläuft sich auf 1000 Newtonmeter.
Sämtliche Versionen verfügen auf Wunsch über anspruchsvolle Fahrwerkstechnologie. Dazu zählt beispielsweise die Luftfederung, um in puncto Dämpferhärte möglichst umfangreich variieren zu können. So lässt sich das Chassis außerdem im leichten Gelände anheben. Ein besonderes Schmankerl jedoch hat sich bereits bei den großen Limousinen der Marke bewährt: die Hinterachslenkung. Mit zehn Grad Lenkwinkel gehört die Hinterachse aus Untertürkheim zu denen mit dem größten Lenkeinschlag der hinteren Räder. Mercedes' Versprechen, die großen Baureihen so handlich wie eine Kompaktklasse zu machen, ist keine hohle Marketingphrase. Tatsächlich reduziert sich der Wendekreis von 12,3 auf 10,5 Meter. Optional gibt es darüber hinaus Stabilisatoren mit elektrischen Stellmotoren, um Wankbewegungen auszugleichen.
Ein bisschen schade ist, dass die Zeit ästhetisch gestalteter Cockpits vorbei zu sein scheint. Zwar ist der im Mercedes-Jargon "Hyperscreen" genannte Monster-Bildschirm von 1,41 Meter Anzeigebreite ein architektonisch ebenfalls beeindruckendes Gebilde und bietet auch einen gewissen praktischen Wert. Aber das klassische automobile Flair fehlt einfach.
Auf Wunsch wird das EQE SUV zum Konzertsaal
Sonst noch etwas? Dass das EQE SUV über so viele elektronische Assistenten und Funktionen verfügt, dass man sie nicht binnen weniger Stunden durchdringen kann, liegt auf der Hand. Beruhigend zu wissen, dass die bei Mercedes heute übliche Armada an sicherheitsrelevanter Funktionalität an Bord weilt. Freilich beschleunigt und bremst der EQE auch in der hohen 1,69-Meter-Ausführung in zahlreichen Fällen assistiert, um Unfälle zu vermeiden.
Elektronik sorgt auch für akustisches Wohl: Man kann im EQE SUV lupenreinen 4D-Musikklang aus 31 Lautsprecherboxen genießen, wenn man für diese Option Geld ausgeben möchte. Wer übrigens bisher Angst davor hatte, angesichts der heute überbordenden Datenverarbeitung (Navigationssystem und Co.) seine Diskretion mit einem Werkstatt- oder Hotelbesuch durch etwaiges Valetparking aufgeben zu müssen, kann beruhigt sein. Je nach aktiviertem Modus sind beispielsweise die letzten Ziele gesperrt.
Und die Befürchtung, den neu erworbenen Luxusliner bald nur noch als Klumpen Altmetall auffinden zu müssen, nachdem sich der Junior verausgabt hat - ebenfalls passé. Es gibt eine Stellung für Fahranfänger, in der sich Leistung und Tempo begrenzen lassen.
Über Preise schweigt sich Mercedes noch aus, knapp unter 80.000 Euro sollten aber kalkuliert werden. Beim Topmodell sind je nach Ausstattung sicherlich auch deutlich über 100.000 Euro nicht unrealistisch. Erste Auslieferungen an Kunden beginnen übrigens Mitte nächsten Jahres. Das ist zwar noch ein Weilchen hin, aber bekanntermaßen ist ja Vorfreude die schönste Freude.
Quelle: ntv.de