Für Rennstrecken elektrifiziert Porsche Mission R - ein echter Gamechanger?
27.11.2021, 20:27 Uhr
Der Mission R soll der Beginn für Fahrzeuge in einer neuen Rennserie sein.
(Foto: Porsche)
Das Zusammenspiel von Elektroautos und Emotionen hat bei aller Begeisterung für die Beschleunigung bislang keine Früchte getragen. Jetzt hat Porsche bei seinem Rundstrecken-Stromer Mission R aber reichlich Adrenalin in die Akkus gefüllt. Bleibt zu hoffen, dass es das Einzelstück in die Serie schafft.
Weil die Rennstrecke - so machen sie es uns in Zuffenhausen zumindest gerne weiß - die Heimat eines jeden Porsche ist und sich auch Cayenne oder Panamera vor allem deshalb so gut verkaufen, weil der Elfer ein Seriensieger ist, sind unterdessen auch elektrische Rennwagen für die Schwaben ein wichtiges Thema. Denn auch ein Taycan hat inzwischen den Ruf ein recht sportliches Elektroauto zu sein und dabei von den Segnungen eines 911er zu profitieren. Nicht umsonst engagiert sich Porsche deshalb auch in der Formel E. Dumm nur, dass gerade dort der Transfer in die Serie eingeschränkt ist und beim Publikum so recht kein Funke überspringen will.
Aber jetzt haben die schnellen Jungs in Flacht, wo Porsche seine Rennwagen entwickelt, ein Auto auf die Räder gestellt, das womöglich das Zeug zum Gamechanger hat: den Mission R. Vom Vorstandschef persönlich als Highlight der IAA initiiert und in nicht einmal neun Monaten von der Vision in die Wirklichkeit gebracht, soll er beweisen, dass die Raserei auf der Rundstrecke auch in einer elektrifizierten Zeit noch eine Zukunft hat.
Lust auf eine neue Kundensportserie
Und so lautet die Mission: Lust auf eine neue Serie im Kundensport zu machen, und zugleich einem elektrischen Sportwagen den Weg auf die Straße zu ebnen. Und weil sie bei Porsche selten nur Autos für die Show bauen und selbst viel zu neugierig auf das neue Fahrerlebnis waren, ist der Mission R eben keines jener Messemodelle, das nur mit besserer Schrittgeschwindigkeit ins Rampenlicht rollen kann. Der futuristische Flachmann mit 4,24 Metern Länge und 1,19 Metern Höhe ist voll funktionsfähig.

Für den Vortrieb des Mission R sorgen zwei E-Motoren mit einer Systemleistung von 1088 PS.
(Foto: Porsche)
Um das zu beweisen, steht er nur zwei Monate nach der Weltpremiere in München in der Boxengasse des Porsche Experience Centers in Los Angeles und wartet darauf, dass ihn ein Techniker endlich von der Ladesäule abnabelt und die Rennleitung den engen und überraschend fordernden Kurs für die Jungfernfahrt freigibt.
Aus dem Hier und Heute katapultiert
Nach der obligatorischen Hochvolt-Schulung eine Handbreit über dem Asphalt in den Sitz gezurrt, sieht der Fahrer, kaum hat sich der rechte Fuß gesenkt, die Welt vor den schmalen Fenstern nur noch schemenhaft vorbeiwischen. Je ein Motor pro Achse reißt ihn nach vorne, wobei 453 PS an der Vorderachse und hinten 653 PS, den Piloten aus dem Hier und Heute in die Zukunft des Kundensports katapultieren. Nur 2,8 Sekunden vergehen bis Tempo 100 und wenn die Gerade auch nur ein bisschen länger und die Angst um das millionenschwere Einzelstück etwas geringer wäre, dann hätte die Raserei erst weit jenseits der 300er-Marke ein Ende. So dagegen zieht die Elektronik den Stecker, weil Porsche mit dem Prototypen noch viel vorhat und der Kurs so ganz ohne Auslaufzonen ziemlich ungnädig auf Fahrfehler reagiert.
Während der ersten paar Runden noch verhalten, steigt mit der Temperatur der Slicks auch das Temperament des Fahrers und mit dem Vertrauen das Tempo. Während die Reifen wie Pattex auf dem glatten Asphalt pappen und der Porsche mit seinen gerade mal 1500 Kilogramm perfekt die Balance hält, werden die Sprints auf den wenigen Geraden engagierter, die Bremspunkte verschieben sich nach hinten und die Abstände zu den Scheitelpunkten schrumpfen Runde um Runde.
Schneller und immer schneller surrt der Sportler über den Kurs, duckt sich mit seiner ausgefeilten Aerodynamik tief unter dem Wind hindurch und nimmt die verzwickten Schikanen so zackig wie die Haie draußen vor der Küste ihre Beute: Rechts, links, rechts, ein paar Grad am Lenkrad, schon reißt es den Renner herum. Und obwohl das Ganze von draußen ziemlich eckig aussieht, fühlt es sich drinnen rund und harmonisch an. Schon nach ein paar Minuten ist man im Flow und die Zukunft ist verdammt gegenwärtig.
Reinrassig und unverfälscht
Der Mission R ist dabei Porsche pur, reinrassig und unverfälscht. Der elektrische Rennwagen ist so analog, wie es nur eben geht. ESP? Servolenkung? Oder gar Torque Vectoring? Wer braucht schon Schaltkreise, wenn er seine Sinne beisammen hat! Nichts, aber auch gar nichts, soll das Gefühl fürs Fahren verfälschen oder gar den Fahrer bevormunden. Das gilt auch fürs Bremsen. Wo man bei anderen Elektroautos nur den Fuß lupfen muss, verzögert der Mission R erst, wenn man auch wirklich in die Eisen tritt. Dafür dann aber mit einer Macht, dass es auch noch das letzte bisschen Luft aus dem Körper presst und die Augäpfel aus dem Kopf treibt. Nur um sie mit einem Kickdown danach wieder einzufangen und hinten an die Hirnschale zu knallen. Das Auto schnellt mit jedem Gas-, pardon, Stromstoß nach vorn und der Puls wieder in die Höhe. Es ist fast wie bei einem Defibrillator, der das Herz mit wohl dosierten Elektroschocks auf Touren hält und Tote zum Leben erwecken kann.
Wer da jetzt auf eine baldige Erholung an der Ladesäule hofft, hat die Rechnung ohne die Truppe aus Flacht gemacht. Der Mission R ist nicht nur dauerhaft vollgasfest und lässt anders als so viele andere Elektroautos in seinem Elan nicht nach. Die rund 80 kWh des Akkus reichen auch noch erschreckend lange. Nach zehn Runden jedenfalls zeigt das Display im Lenkrad noch immer 62 Prozent und es klingt fast wie eine Drohung, wenn die Pit-Crew über Funk verrät, dass sie den Mission R auf mindestens 30 Minuten volles Rohr ausgelegt haben. Und selbst danach kennen die Mannen um Projektleiter Matthias Scholz keine Gnade: Schnell fahren, schnell laden lautet ihr Motto. Schon nach 15 Minuten ist der Akku wieder zu 80 Prozent gefüllt und Captain Future schießt erneut auf den Rundkurs.
Leichter als ein Cayman

Der Mission R hält nicht nur lange durch, er soll den Piloten auch durch kurze Ladezeiten schnell wieder auf die Strecke bringen.
(Foto: Porsche)
In der kurzen Ladepause gibt es für den Fahrer eine Druckbetankung in Theorie und Technik: Während sich die Synapsen erst wieder sortieren müssen, erzählt Scholz von der neuartigen Öldirektkühlung für die hauseigenen E-Motoren, die den Leistungsabbau während des Rennens verhindert, oder von der auf 900 Volt erhöhten Spannung der Hochleistungsakkus. Es gibt eine kurze Vorlesung über die nachwachsenden Rohstoffe, die hier verwendet wurden, über den 3D-Druck als Produktionsverfahren für Kleinserien, und über das Exoskelett aus Karbon, das nicht nur cool aussieht, sondern auch noch ein paar Kilogramm spart.
Nicht umsonst wiegt der Mission R trotz seiner zentnerschweren Akkus weniger als ein konventionell angetriebener Cayman. Doch so überzeugend der Prototyp auch sein mag und soweit die Arbeiten schon gediehen sind, wissen sie auch in Flacht, dass sie einen Serienstart in drei oder vier Jahren nicht alleine werden stemmen können. Und dabei geht es weniger um die Konstruktion als um die Kosten. Denn so, wie die Straßensportwagen die Rundstrecken-Renner fürs Image und für die Glaubwürdigkeit brauchen, so brauchen Autos wie der Mission R die Stückzahlen aus der Serie, um halbwegs bezahlbar zu bleiben.
Viel mehr als der aktuelle Elfer für den Kundensport darf der Mission R nicht kosten, wenn der Markenpokal funktionieren soll. Da ist es für Projektleiter Scholz doch eine glückliche Fügung, dass der 718er so langsam auf die Zielgerade fährt und zur Mitte der Dekade als erster Sportwagen von Porsche elektrisch durchstarten könnte. Und für die Petrolheads auch. Denn wenn der Mission R so bleibt wie er ist und der elektrische Cayman sich daran ein Vorbild nimmt, dann hat die Raserei ganz ohne Reue doch noch eine Zukunft.
Quelle: ntv.de, Benjamin Bessinger, sp-x