Designerstück aus München BMW iX M60 - zwischen sportlich und komfortabel
02.08.2023, 08:05 Uhr
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Seien wir ehrlich: Wer extrovertierte Fahrzeuge ablehnt, ist mit dem iX vielleicht nicht optimal bedient.
(Foto: Patrick Broich)
Müssen rein elektrisch angetriebene Autos immer spacig aussehen? BMW ist sich in dieser Frage nicht schlüssig. Der BMW iX gehört jedenfalls zu den besonders coolen, eigenständigen BEV-Baureihen. ntv.de hat ihn ausprobiert als Spitzenvariante M60.
Bei BMW kommen konservative und progressive Kunden gleichermaßen zu ihren Lieblingsautos - so könnte man es einigermaßen treffend sagen. Warum genau die Münchener allerdings ein bisschen inkonsequent sind in der Frage, ob sie nun eigenständige Baureihen für Fahrzeuge mit elektrischem Antrieb am Markt platzieren oder nicht, das kann man hingegen nicht genau sagen. Fünfer und Siebener werden ebenso durch E-Maschinen wie durch Verbrenner angetrieben, während dem hier besprochenen iX ausschließlich der lautlose Antrieb beschieden ist. So war es auch beim gestalterisch eigenwilligen i3.
Mit den schneidigen LED-Scheinwerfern (auf Wunsch plus Laserlicht) polarisiert der iX.
(Foto: Patrick Broich)
Vielleicht hat man mit den besonders progressiv gezeichneten Kreationen inter dem "BMW i"-Label eine gewisse Klientel im Sinne, von der man überzeugt ist, sie lediglich mit speziellen Produkten abholen zu können. Ob es diese Klientel gibt, sei dahingestellt. Ich empfinde den zweifellos außergewöhnlich wirkenden iX mit der Zeit jedenfalls immer konventioneller. Ein Hauch Futurismus schwingt aber dennoch mit beim Anblick des 4,95 langen SUV, der schon irgendwie technisch zur Schau stellt (geschlossene Niere, der braucht keinen klassischen Kühlergrill), dass er elektrisch angetrieben wird.
Und er demonstriert Nachhaltigkeit aus jeder Pore. Selbst das innen zum Einsatz kommende Dekorholz stammt aus nachhaltiger Waldwirtschaft, wie der sogenannte "Forest Stewardship Council" mit seinem Siegel bescheinigt - eine internationale Organisation, die sich für verantwortungsvolle Waldnutzung einsetzt.
Sportlich und samtig zugleich
Das riesige, leicht gebogene Display im iX ist ein absoluter Hingucker. Es sitzt auf optisch ansprechenden Halterungen. Zu denen passt das Designerlenkrad im Hexagonalstil.
(Foto: Patrick Broich)
Aber soll der iX jetzt eigentlich sportiv oder gediegen sein? Mit seiner Höhe von kaum 1,70 Metern gehört er zu den mittelhohen Alleskönnern (BMW selbst spricht vom "Sports Activity Vehicle"), und der generelle Habitus ist eher der des Andersartigen - er verrät also zunächst nicht, was er eigentlich sein will. Erst das Entern des Allradlers bringt dann die Gewissheit. Reinfläzen in die mit "Naturleder" (was immer das auch ist) bezogenen iX-Fauteuils ist schon ein besonderer Moment: Die sind nämlich so flauschig-weich, dass man einfach gar nicht mehr aussteigen möchte. Das hat BMW ja gut hinbekommen. Jetzt sind lange Strecken kein notwendiges Übel mehr, sondern sie werden zum gefragten Unterfangen. Muss nur noch das Fahrwerk mitspielen, was mit seinen Skills ja auch dazu beitragen kann, die Passagiere lange bei Laune zu halten.
Um das herauszufinden, muss man allerdings erst einmal losfahren. Und dann kommt einem beim Fahrwerkinspizieren plötzlich noch eine ganz andere Sache in die Quere. Und zwar die Beschleunigung des 619 PS starken M60. Der Schub erwischt einen immer so überraschend, insbesondere wenn man aus einem leistungsschwächeren Auto umsteigt: Lass mal die Welle auf dich wirken, die entsteht, wenn es in 3,8 Sekunden auf 100 km/h geht. Und auch darüber hinaus verliert der M60 kaum etwas von seinem Vorwärtsdrang. Vor allem gibt es ja keine wechselbaren Übersetzungen, demnach also auch keine Zugkraftunterbrechungen. Das geht allein traktionsmäßig lediglich mit doppelter Motorenbestückung (eine E-Maschine pro Achse) und entsprechendem Allrad. Also puncht dir Volllast mit Wucht in die Nackenmuskulatur. In Windeseile zeigt der Tachometer auf dem "curved" Display 100 km/h und dann kurze Zeit später sogar 200 km/h.
Gut, dass der BMW über eine gestochen scharfe Rückfahrkamera verfügt. Und über die dankbare Funktion, die letzten 50 Meter autonom zurücklegen zu können.
(Foto: Patrick Broich)
Der große Monitor inszeniert sich hier übrigens architektonisch besonders hübsch (genauso wie das sechseckige Designerlenkrad) auf den Armaturen mit adretten Halterungen fixiert. Ach, und bei freier Fahrt zeigt der Screen gar flugs 250 Sachen, denn im Gegensatz zu den schwächeren iX-Versionen - und die sind ehrlich gesagt gar nicht so schwach - lassen die Ingenieure den M60 zumindest bis zum klassischen Limit rennen, auf das sich die Vertreter der Autoindustrie in den Achtzigern mal geeinigt haben.
Allradlenkung und Luftfederung
Mit der abfallenden Dachlinie sowie der extravaganten C-Säule setzt der BMW iX Spots.
(Foto: Patrick Broich)
Aber wie war das noch? Stimmt, das Fahrwerk sollte unter die Lupe genommen werden. Natürlich liegt der iX auf Luftbälgen und man kann das Dämpfungsgeschehen selbstverständlich anpassen - respektive: Es passt sich automatisch an. Erste Tuchfühlung mit Straßenverwerfungen fieserer Art bescheinigt dem Elektro-Komfort-Performer (ha! Da hat sich der Komfort-Gedanke also schon eingeschlichen und spiegelt sich in der Bezeichnung wider) eine ausgeprägt geschmeidige Note. Und das trotz wiederum ziemlich drahtiger P Zero im unglaublichen 22-Zoll-Format mit 40er-Niederquerschnitt. Das sind jetzt nicht unbedingt Räder, die es Dämpfungssystemen leicht macht. Aber sie helfen dabei, den 2,7 Tonnen schweren Brocken - ja, richtig gelesen - behände um die Ecke zu transportieren. Wie gut außerdem, dass der Top-iX serienmäßig mit allen Vieren lenkt.
BMW mal anders, ähm, mal futuristisch: Die schmalen LED-Heckleuchten wirken ihrer Zeit voraus.
(Foto: Patrick Broich)
Haken dran und mental auf das Display stürzen. Hier gibt es nämlich noch etwas, was für elektrisch angetriebene Autos ungewöhnlich ist. Ziemlich ungewöhnlich sogar. Die Spannung steigt. Jaa, ein Drehzahlmessser! Und der zeigt derart fünfstellige Werte (es geht hoch bis über 14.000 Touren) an, angesichts derer Porsche GT3-Fahrer vor Neid erblassen. Wenn da nur die Kleinigkeit mit dem (fehlenden) Sound nicht wäre. Der iX-Fahrer kontert dann eben mit 1015 Newtonmetern Maximaldrehmoment, auch nicht schlecht. Über die Sportanzeigen lassen sich die Mengen der gerade anliegenden Newtonmeter außerdem überwachen plus diverse andere Parameter wie die Leistung in Echtzeit sowie die Kühlmitteltemperatur.
Eine zarte Kritik an dieser Stelle: Der Drehzahlmesser hätte sich richtig gut gemacht als klassische Ausgabe im Kombiinstrument. Denn so muss er immer umständlich über das Aufrufen der Sportanzeigen an den Start gebracht werden. Und die lassen sich im Komfortmodus ohnehin gar nicht aktivieren.
Der iX-Kofferraum fasst maximal 1750 Liter. Damit wird das stylische SUV zum Praktiker.
(Foto: Patrick Broich)
So, zum Schluss mache ich mal etwas, womit man eigentlich nur bei Luxuslimousinen rechnet. Mich nämlich im Fond chauffieren lassen. Denn hier herrscht dank drei Metern Radstand so viel Beinfreiheit (und generell auch Raum), dass man seine Extremitäten wunderbar übereinanderschlagen und sich räkeln oder sonst was kann. Die hinten mit ähnlich herrlichem Flauschfaktor wie vorn ausgerüsteten Sessel eignen sich übrigens perfekt als Ruhezone, während man die netto 105 kWh große Batterie mit 195 Kilowatt Ladeleistung im Peak wieder mit Energie versorgen kann.
Aber wie schlägt sich der Münchener in der Ladeperformance? Wenn der Akku gut temperiert ist und es die Ladesäule gut meint, sind 120 Kilometer Refreshing pro zehn Minuten drin. Mit 136.100 Euro Grundpreis für den iX M60 sollte das Konto ebenso prall gefüllt sein wie der iX-Akku nach 39 Minuten am Schnelllader. Das ist es nur ein schwacher Trost, dass Dienstwagenfahrer ihr privates Mobilitätsgeschehen steuerlich auf Basis des halbierten Bruttolistenpreises abgelten können. Immerhin, wem der iX auch schwächer (ab 326 PS) und mit weniger Akku (71 kWh) reicht, wird "schon" ab 77.300 Euro fündig. Immer noch viel Holz, aber für so manchen Interessenten offenbar machbar. Allein im ersten Halbjahr sind wieder rund 2000 neue iX auf die Straße gekommen.
| Datenblatt | BMW iX M60 |
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe) | 4,95 / 1,97 / 1,70 m |
Radstand | 3,00 m |
Leergewicht (DIN) | 2670 kg |
| Sitzplätze | 5 |
Ladevolumen | 500 bis 1750 l |
| Motorart | Zwei stromerregte Synchronmaschinen |
| Getriebe | Eine Übersetzung, fest |
| Systemleistung | 619 PS (455 kW) |
| Antrieb | Allradantrieb |
max. Drehmoment | 1015 Nm |
Beschleunigung 0-100 km/h | 3,8 s |
Höchstgeschwindigkeit | 250 km/h |
Akkukapazität | 105,2 kWh (netto) |
Maximale Ladeleistung (Gleichstrom) | 195 kW |
Ladeleistung (Wechselstrom) | 11 kW |
Verbrauch (kombiniert) | 21,9 bis 24,7 kWh/100 km (WLTP) |
kombinierte WLTP-Reichweite | 501 bis 564 km |
CO₂-Emission kombiniert | 0 g/km |
| Grundpreis | Ab 136.100 Euro |
Fazit: Was möchte der BMW iX sein? Komfortgleiter und Sportskanone zugleich, ziemlich sicher. Nachhaltig und im Design mehr oder weniger radikal anders demonstriert der große BMW, wie man automobilen Individualismus leben kann. Dafür wird er geliebt oder gehasst - dazwischen gibt es nicht viel. In der Praxis entpuppt sich der luxuriöse Stromer als unfassbar bequemer Langstreckengleiter. Frappierend auch, dass man dem M60 sein hohes Gewicht kaum anmerkt. Leider hat dieses Package einen hohen Preis.
Quelle: ntv.de