Ultraschnell laden zum Spartarif Kia EV6 - das erschwingliche Allround-Elektroauto


Der Kia EV6 polarisiert durchaus mit eigenwilligem Design. Keine Fahrzeugpartie trägt diesen Einschlag besser zur Schau als das Heck mit dem markanten Vorsprung inklusive außergewöhnlich gezeichneter Rückleuchten.
(Foto: Patrick Broich)
Dass gute und praxistaugliche Elektromobilität nicht unendlich teuer sein muss, zeigt Kia mit seinem EV6. ntv.de hat den Koreaner einem umfangreichen Test unterzogen.
Im Kontext mit der Elektromobilität schießen manch potenziellem Käufer bestimmte Schlagwörter durch den Kopf. Ultraschnelles Laden oder 800 Volt sind beispielsweise gemeint. Das sind allesamt Eigenschaften, die man derzeit indes eher teuren Oberklasse-Modellen zuschreiben würde. Weit gefehlt, bei Kia sind sie längst im bürgerlichen Segment angekommen.

Auch die EV6-Front ist markant, wenngleich nicht im gleichen Maße wie das Heck. Hier auch sehr schön zu sehen: die nach hinten abfallende Dachlinie. Der Mittelklasse-Kia steckt generell voller Design-Spielereien.
(Foto: Patrick Broich)
Wobei bürgerlich auch relativ ist. Kia ruft mindestens 46.990 Euro für den EV6 auf. Bestellt man den großen Akku mit 77,4 kWh Kapazität (wie ihn auch der hier besprochene Testwagen hat), werden noch einmal weitere 5000 Euro fällig. Somit ist der 4,68 Meter lange Allrounder allerdings noch in der Förderfähigkeit. Demnach bekommen Privatkäufer selbst nächstes Jahr noch eine Bezuschussung von 3000 Euro vom Bund sowie 1500 Euro Herstelleranteil. Ergo gehört der Mittelklässler jedenfalls nicht zu den abgehoben teuren Offerten.
Aber zu den praktischen. Denn Platz für die Passagiere bietet der EV6 satt, was nicht zuletzt auf seinen fürstlichen Radstand von 2,90 Metern zurückzuführen ist. So wird das Reisen in der zweiten Reihe zur einigermaßen vergnüglichen Angelegenheit - Beine und Kopf können jedenfalls recht ordentlich untergebracht werden. Bleibt letztlich die Frage, was das Gesäß rückmeldet. Gemeinsam mit dem Kreuz zumindest die Info über ganz feine Sitzgelegenheiten, wenngleich der Seitenhalt ein bisschen ausgeprägter sein könnte.

Nicht zuletzt dank des langen Radstands bietet der Kia EV6 jede Menge Beinfreiheit im Fond.
(Foto: Patrick Broich)
Aber gut, der EV6 ist mehr Tourer als Sportwagen. Und als Tourer wirft er unweigerlich die Frage ob, ob mit ihm gute Langstrecken-Mobilität möglich ist. Ein Blick in das Datenblatt lässt aufhorchen: Lediglich 18 Minuten gibt Kia seinem EV6-Akku, um von 10 auf 80 Prozent zu laden. Das klingt ziemlich stramm und klappt sicherlich auch nicht bedingungslos und daher nicht immer. Die erfahrenen Elektroautonutzer unter den Lesern wissen, wovon die Rede ist. Denn selbst wenn die Batterie perfekt temperiert ist, geben nicht alle nominal hochperformanten Ladesäulen immer die maximale Strommenge ab.
Allerdings lädt der EV6 schon beeindruckend fix in der Praxis, wie ntv.de in mehreren Versuchen ermittelt hat. So funktioniert das Laden von 20 auf 80 Prozent schon häufig innerhalb von 20 Minuten - und dann stehen selbst bei niedrigen Temperaturen wieder gut 300 Kilometer auf der Reichweite-Anzeige, was durchaus in Ordnung geht.
Für die Wärmepumpe berechnet Kia 1000 Euro
Trotz Wärmepumpe allerdings (hierfür nimmt Kia 1000 Euro extra) muss bei Autobahnfahrten um Richtgeschwindigkeit herum mit 20 kWh/100 km Stromverbrauch gerechnet werden. Das ist zwar ein akzeptabler Wert, aber auch nicht maximal effizient, zumal es sich hier nicht um die doppelmotorige Variante mit Allradantrieb handelt. Muss übrigens auch nicht, denn Punch hat der Koreaner mehr als genug, auch wenn 229 PS in Elektroauto-Währung fast schon wenig klingen.
Der Hecktriebler schiebt nachdrücklich, erreicht 100 km/h innerhalb von 7,3 Sekunden laut Werk - ein allemal glaubwürdiger Wert nach ausgiebiger Praxiserfahrung. Damit ist er souverän und deutlich flinker als das Durchschnittsauto auf unseren Straßen. Bei den EV6-Modellen unterhalb der starken GT-Ausführung regelt Kia bei 185 km/h ab, für die meisten Nutzer dürfte das reichen. Und immer noch genug Tempo, um den Stromverbrauch in die Höhe schnellen zu lassen.

Als innenarchitektonisches Highlight darf die schwebende Mittelkonsole durchgehen. Darunter befindet sich praktische Ablagefläche.
Ach ja, dass der Zweitonner mit Heckantrieb vorfährt, soll jetzt keine Hoffnungen auf ausgeprägte dynamische Fertigkeiten (so der Ruf) wecken. Er ist eher komfortabel abgestimmt, was für mitreisende Gäste jedoch recht angenehm ist. So bleiben die Unebenheiten vieler Straßen nämlich draußen. Auch die Kia-Lenkung macht keinen Hehl aus ihren wenig sportlichen Ambitionen und passt zum eher sanftmütigen Charakter des Mittelklässlers. Sie mutet gar einen Tick zu synthetisch an. Schwamm drüber. Störender sind eher überambitionierte Assistenten wie die Spurvibration. Hier hilft allerdings die entsprechende Taste am Lenkrad: Bitte lange drücken, dann ist der Spuk vorbei. Allerdings schalten die Systeme stufenweise ab und verwirren mit unterschiedlich farbigen (grün und orange) Symbolen im Kombiinstrument. Nach einer Weile hat man jedoch die für sich individuell passende Einstellung herausgefunden.

Viel Display muss ein Auto heute einfach bieten, um State of the Art zu sein.
(Foto: Patrick Broich)
Apropos Kombiinstrument. Infotainment-Fans freuen sich über insgesamt 24,6 Zoll Bildschirm (serienmäßig). Und über ausgeklügelte Bediensysteme wie beispielsweise die Leiste mit den berührungsempfindlichen Flächen in der Mittelkonsole: Sie sind doppelt belegt, um Platz einzusparen. Mit einem Druck auf das Navigations- oder Ventilator-Symbol lässt sich auswählen, ob man gerade Multimedia- oder vielmehr Klima-Funktionen ansteuern möchte. Aber auch hier ist ein bisschen Eingewöhnung erforderlich. Sonst passiert es, dass man mit dem (gut zur Hand liegenden) Drehregler ungewollt den Maßstab der Straßenkarte statt die Lautstärke der Musik verstellt.
Bei der Kofferraumgröße knausert der Kia EV6

Das Kofferraumvolumen des großen EV6 könnte etwas größer ausfallen. Aber halb so wild, der Koreaner ist ja kein Transporter.
(Foto: Patrick Broich)
Ruhig ein bisschen was draufpacken können hätte Kia beim Kofferraumvolumen. Maximal 1300 Liter bei umgeklappten Rücklehnen ist ein Wert, der in der Mittelklasse nicht vom Hocker haut. Immerhin gibt es eine Ski-Durchreiche. Positiv zu bemerken ist die überaus komplette Ausstattung. Selbst ein Basis-EV6 lässt keine Wünsche offen mit den wichtigsten Gadgets à la Batterieheizung, Bremssystem mit autonomen Funktionalitäten, LED-Scheinwerfern, Lenkradheizung, Navigationssystem, Parkpiepser, Rückfahrkamera, schlüsselloses Schließsystem, Sitzheizung, Smartphone-Integration sowie Tempomat (adaptiv gesteuert).
Ganz schön lange Liste, nicht wahr? Erstaunlich ist allerdings, wie es die Hersteller schaffen, immer noch mehr Gimmicks zu verkaufen. Denn man muss nicht denken, dass Kia keine weiteren Pakete anbieten würde, die mit zusätzlichen Features locken, aber auch das Portemonnaie weiter leeren. Und zugegeben, Head-up-Display plus adaptives LED-Licht sind feine Dinge. Kostenpunkt: 1690 Euro zusätzlich. Dass sich der Kunde dann aber ärgert, weil er feststellen muss, diese Kombination nur wählen zu können, wenn er auch das 2800 Euro teure "Air-Paket" nimmt, ist irgendwie auch verständlich. Ja, hiermit erkaufte Annehmlichkeiten wie elektrischer Heckklappe und Steckdose am Fahrzeug, mit der sich externe Objekte wie E-Bike oder Kaffeemaschine betreiben lassen, sind ja prinzipiell okay. Aber nicht jeder Interessent hält sie für lebensnotwendig.
Datenblatt
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe) | 4,68 / 1,88 / 1,55 m |
Radstand | 2,90 m |
Leergewicht (DIN) | 1985 bis 2085 kg |
Sitzplätze | 5 |
Ladevolumen | 490 bis 1300 l plus 52 l Frunk |
Motorart | Eine Permanentmagnet-Synchronmaschine |
Getriebe | Eine Übersetzung, fest |
Systemleistung | 229 PS (168 kW) |
Antrieb | Heckantrieb |
max. Drehmoment | 350 Nm |
Beschleunigung 0-100 km/h | 7,3 s |
Höchstgeschwindigkeit | 185 km/h |
Akkukapazität | 77,4 kWh |
Maximale Ladeleistung (Gleichstrom) | 240 kW |
Ladeleistung (Wechselstrom) | 11 kW |
Verbrauch (kombiniert) | 16,5 bis 17,2 kWh/100 km (WLTP) |
kombinierte WLTP-Reichweite | 504 bis 528 km |
CO₂-Emission kombiniert | 0 g/km |
Grundpreis | Ab 51.990 Euro |
Fazit: Der Kia EV6 gehört insofern noch zu den Ausnahmeerscheinungen, als dass er mit 800-Volt-Bordnetz im bürgerlichen Segment auftrumpft und sein Akku daher ziemlich zügig lädt. Ansonsten überzeugt der Koreaner mit viel Fahrkomfort sowie einem geräumigen Interieur. Ausgeprägter Fahrkomfort steht einem etwas synthetischen Fahrgefühl gegenüber. Allerdings ist der Mittelklässler auch kein Sportwagen. Für Kia ist der EV6 kein ganz unwichtiges Modell in Deutschland und rangiert innerhalb der Modellpalette immerhin auf dem vierten Platz der Zulassungsstatistik. Und das, obwohl er kein SUV ist.
Quelle: ntv.de