Praxistest

ID.3-Wettbewerber aus Frankreich Renault Mégane E-Tech - ist er auch mega?

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Zackiges Tagfahrlicht: Mit den ausdrucksstarken LED-Blitzen oberhalb der Frontschürze fällt der Mégane E-Tech selbst bei helllichtem Tag auf.

(Foto: Patrick Broich)

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Nachdem Renault mit dem Zoe jahrelang gezeigt hat, wie man kleine Elektroautos baut, kommen die Franzosen mit ihrem Kompakten deutlich später um die Ecke. Doch das muss kein Nachteil sein. ntv.de hat den Mégane E-Tech auf Herz und Nieren geprüft.

Es gibt in der Wirtschaftsgeschichte viele Beispiele dafür, dass ein besonders früher Start kein Garant für den Erfolg eines Produktes ist. Umgekehrt kann auch ein späterer Start sehr wohl zum Erfolg führen. So war auch Nokia mit seinem Smartphone namens Communicator lange vor Apples iPhone auf dem Markt - der Ausgang ist bekannt. Ganz so schlimm ist es in der elektrisch angetriebenen Kompaktklasse natürlich nicht. Aber mal eben im Vorbeigehen wird Renault hier nicht zur Marktführerschaft kommen. Somit wird der elektrische Mégane vermutlich nie an die Bekanntheit eines Zoé herankommen.

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Der Mégane E-Tech wirkt gestreckt, ist aber lediglich 4,20 Meter lang.

(Foto: Patrick Broich)

Nichtsdestotrotz ist der 4,20 Meter lange Mégane E-Tech ein ordentlicher Wurf, aber er setzt eben auch keine Akzente. Ladeleistung? Mit maximal 130 Kilowatt okay, aber auch nicht herausstechend. Vielleicht musste Renault auch die Kosten im Zaum halten, denn mit einem Einstieg von 46.600 Euro (ohne Förderung) ist die 60-kWh-Variante jetzt auch kein Sonderangebot. Volkswagen startet hier unter 40.000 Euro - allerdings auch mit schlechterer Ausstattung. Dinge wie adaptiver Tempomat, Rückfahrkamera oder Wärmepumpe gibt es bei Renault frei Haus, kosten in Wolfsburg dagegen extra.

Geräumig und komfortabel

Das ist schon mal eine gute Basis für eine lang anhaltende automobile Freundschaft. Los gehts! Ganz ordentlich konturiertes Mobiliar erwartet die Passagiere zur Sitzung, keine französisch-weichen Klischeestühle also - gut so! Seitenhalt gibt es nicht im Übermaß, aber Langstreckenfähigkeit dafür durchaus.

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Display, wohin das Auge reicht. Infotainment-Freunde kommen hier garantiert nicht zu kurz.

(Foto: Patrick Broich)

Der Blick der Mitfahrer in der ersten Reihe fällt unweigerlich auf Display, woraus die Konsole von links bis zur Mitte nämlich vorwiegend besteht. In einer umgedrehten L-Form erstreckt sich die Bildschirmfläche bis zur Mittelkonsole, die darüber hinaus endlich mal ein gut erreichbares Fach mit induktiver Ladefunktion für Smartphones bereithält. So banal das klingt, so selten findet man es vor. Oft bekommt man das Telefon kaum in die Ladefächer und entsprechend schwierig auch wieder heraus.

Dafür muss man sich mit diversen Vibrationen und viel Gebimmel herumschlagen, wenn man den Mégane beispielsweise nicht ganz sauber in der Spur hält. Und das ist auch nicht so einfach abzustellen und erfordert tiefere Eingriffe in das Menü. Aber so ist eben das Autojahr 2023. Dafür ist der Franzose schön geräumig vorn und hinten, bietet genau die richtigen Voraussetzungen, um mal einen Tick weiter zu reisen.

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In der zweiten Reihe des Mégane geht es durchaus geräumig zu.

(Foto: Patrick Broich)

Wenn da nicht das Thema mit dem Laden wäre. Es ist ja so: Die meisten Kunden einer Kompaktklasse dürften jetzt nicht allzu viele Kilometer am Stück abspulen. Aber spätestens vor der ersten Urlaubsfahrt kommt die Reichweiten-Frage dann schon auf. Hier nennt das Werk 450 Kilometer nach WLTP - aber bei kühlen Temperaturen rangiert sie allenfalls im moderaten 300er-Bereich. Mit etwas Pech sind es sogar nur knapp unter 300 Kilometer. Außerdem kommen insbesondere diejenigen Kunden, die zu Hause nicht laden können (von denen gibt es eine ganze Menge), selten in den Genuss eines vollständig geladenen Akkus. Denn ab 90 Prozent Füllstand verringert sich das Ladetempo drastisch, da verlässt man die Säule in der Regel.

Schnelles Laden ist nicht die Sache des Mégane E-Tech

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Das Kofferraumvolumen des Mégane E-Tech ist nicht herausragend. Immerhin lassen sich die Rücksitze asymmetrisch umklappen.

(Foto: Patrick Broich)

Stichwort Schnellladesäule: Der Selbstversuch bei temperiertem Akku und Start mit zehn Prozent State of Charge an einem 150-Kilowatt-Ladepunkt ergibt ein Plus von 59 Prozent nach 45 Minuten. Die Reichweite ist in dieser Zeit von 33 auf 198 Kilometer gestiegen - also 165 Kilometer binnen einer Dreiviertelstunde. Das ist eben auch die Realität elektrischer Antriebe. Mag sein, dass die Ladesäule nicht so gut performt hat oder in dieser Region zu dieser Zeit gerade nicht mehr Strom verfügbar war - aber das ist nun einmal der Alltag in der batterieelektrischen Mobilität.

Alltag mit elektrischem Antrieb heißt aber auch: unglaublich flinkes Vorankommen. Mit seinen 218 PS beschleunigt der Franzose binnen 7,4 Sekunden auf 100 km/h. In der Praxis bedeutet das sanfter Druck auf die Rücken der Passagiere, wenn das rechte Pedal Richtung Bodenblech wandert - aber bei nicht ganz trockenem Asphalt oder ein bisschen Lenkwinkel auch scharrende Vorderräder.

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Markantes LED-Leuchtband und die ansteigende Gürtellinie sind so die optischen Finessen des Mégane E-Tech.

(Foto: Patrick Broich)

Richtig souverän wird der Mégane E-Tech allerdings gar nicht wegen seiner nachdrücklichen Beschleunigung, sondern durch die Tatsache, dass es keine Zugkraftunterbrechung gibt (das Getriebe hält bloß eine einzige Übersetzung vor). Demnach wird die Lastanforderung durch das Fahrpedal quasi verzögerungsfrei in Vortrieb umgesetzt. Dass der Kompakte eher komfortabel ausgelegt ist, passt zu seinem Naturell. Eine betont leichtgängige Servolenkung und die damit verbundene, etwas synthetische Anmutung der Lenkung stört in diesem Segment nicht weiter.

Der Testwagen in "Dezir"-Rot (950 Euro extra) mit schwarzer Dachlackierung (400 Euro plus) kommt besonders cool rüber in diesem Ton. Dazu passen die 20 Zoll großen Aluräder. Dann landet man aber schnell bei über 50.000 Euro Listenpreis. Immer an Bord sind Features wie insgesamt 21 Zoll Display (Mittelkonsole und Tacho), LED-Scheinwerfer, beheiztes Lenkrad, Parkpiepser, schlüsselloses Schließsystem, recycelte Stoffpolster, Sitzheizung, Smartphone-Integration, Tempomat mit adaptiver Steuerung und Verkehrszeichenerkennung. USB-C-Ports sogar im Fond dürfte die Herzen der Infotainment-Fans erobern. Renault setzt bei den Sonderausstattungen insbesondere auf Pakete und erlaubt kaum, einzelne Optionen zu wählen. Damit muss man leben.

Datenblatt

Renault Mégane E-Tech EV60 220hp

Abmessungen (Länge/Breite/Höhe)

4,20 / 1,77 / 1,51 m

Radstand

2,69 m

Leergewicht (DIN)1783 kg
Sitzplätze5
Ladevolumen389 l
Motorart

Elektrosynchronmotor, fremderregt

Getriebe

Eine Übersetzung, fest
Systemleistung

218 PS (160 kW) bei 5743 bis 11.688 U/Min

AntriebVorderradantrieb
max. Drehmoment

300 Nm bei 100 bis 4714 U/Min

Beschleunigung 0-100 km/h

7,4 Sekunden

Höchstgeschwindigkeit

160 km/h

Akkukapazität

60 kWh
Maximale Ladeleistung130 kW

Ladeleistung (Wechselstrom)

22 kW

Verbrauch (kombiniert)

15,7 kWh/100 km (WLTP)

kombinierte WLTP-Reichweite

450 Kilometer

CO₂-Emission kombiniert

0 g/km
Preisab 46.600 Euro

Fazit: Wer den Renault E-Tech wählt, bekommt ein ausgewogenes Fahrzeug mit ordentlichen Produkteigenschaften. Das ist zwar nicht mega, aber solide. Allerdings fallen die Werksangaben zum Ladegeschehen optimistisch aus bezüglich Reichweite und Tempo. Wer häufig lange Strecken abspult, sollte also ein bisschen Geduld haben. Aber das bringen elektrische Antriebe eben mit sich. Hier wäre also noch Luft nach oben.

Quelle: ntv.de

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