
Spricht zu Hause anders als in der Öffentlichkeit: TV-Legende Thomas Gottschalk
(Foto: picture alliance/dpa)
Was war die Aufregung groß, als der Entertainer bei seiner letzten "Wetten, dass..?"-Show sagte, er würde zu Hause anders reden als in der Öffentlichkeit! Mimimi, "misogyner" Thommy! Über Gottschalks vermeintliche Gestrigkeit und Moralwächter, die die Meinungsfreiheit preisen. Natürlich nur, solange sie der eigenen Vorstellung entspricht!
"Mimimi, alter weißer Mann (…), das macht man nicht, (…), das sagt man nicht (…), das ist drüber (…), jetzt ist aber auch mal gut." Am 25. November moderierte Thomas Gottschalk zum allerletzten Mal "Wetten, dass..?". Parallel wurde die Kult-Show vor allem auf X (ehemals Twitter) von vielen Kommentatoren, Journalisten und Kritikern begleitet, die in anprangernder Art vom Sofa aus darüber frotzelten, wie man(n) sich in der heutigen Zeit angemessen zu verhalten habe. Gern preisen die selbsternannten Moralwächter dabei die Meinungsfreiheit, aber natürlich nur, wenn die Meinung mit der eigenen konform geht.
Über 12 Millionen Zuschauer wohnten Gottschalks Abschied von einer Sendung bei, die er 36 Jahre lang moderierte. Eine traumhafte Quote fürs ZDF, eingefahren von einem, über den man heute nicht selten sagt, er sei "von gestern".
Komiker und Spaßvögel, die "von gestern" sind, so die Kritiker, hatten ihre Zeit im TV und sollten nun Platz machen für die Jugend. Dabei wird allzu gern gegen all jene ausgeteilt, die in der TV-Legende einen Entertainer sehen, der auch mit 73 Jahren an seiner Schlagfertigkeit nichts eingebüßt hat. Diese Boomer seien bestimmt auch allesamt - mimimi - misogyn! Denn, hey, habt ihr das gesehen: Thommy hat einer Frau ein oberflächliches Kompliment gemacht und ihr dabei die Hand getätschelt! Skandal!
Die ganze Republik spricht zu Hause anders
Viele Kritiker waren ebenfalls der Meinung, der Moderator hätte sich seine letzten Worte in der Show, nämlich zu Hause anders zu sprechen als in der Öffentlichkeit, sparen können. Die Sache ist nur die: Gefühlt spricht die ganze Republik zu Hause anders als in der Öffentlichkeit! Vor allem in Zeiten wie diesen, in der unsere Regierung sich immer mehr den Vorwurf einer "Ampel des Grauens" gefallen lassen muss.
Deutschland aber hat nicht nur ein Problem mit seinen Komikern und Entertainern, Deutschland hat per se ein Problem mit seinen Prominenten. Und das im Grunde genommen schon sehr lange. Die deutsche Presse ist oft Richter und Henker zugleich. Verständlich, dass viele echte Promis keine Lust (mehr) haben, Zeigefinger-Kritiken von moralinsauren Haltungsjournalisten zu lesen, deren großes Ego meist auf ihrer aufgeblähten Social-Media-Reichweite beruht und darauf, dass ihnen, aus Angst vor ihrem Netzwerk, kaum jemand widerspricht. Diese So-läuft-der-Hase-heute-Leute verharren meist in ihrer eigenen Bubble, während sie anderen gleichzeitig vorwerfen, doch bitte häufiger "ihre Privilegien zu checken" und über den Tellerrand zu gucken.
Der deutsche Medien-Sud aus Klüngel und Doppelstandards ist dickflüssig und klebrig. Und natürlich gelten die Maßstäbe nicht für die Freunde aus der eigenen Clique. Die dürfen ruhig schlechte Witze reißen, beispielsweise über "kurze Penisse" von Politikern oder adipöse und "hässliche" Frauen, die plötzlich morgens im Bett neben einem liegen. Das ist dann Comedy.
"Wetten, dass..?" und wilde Spekulationen
Wenn aber "alte, weiße Männer" wie Gottschalk Scherze machen, wird genau hingehört und hingeschaut. Darauf, wo man noch was finden kann, über das es sich zu empören lohnt. Herrlich irrwitzig ist auch, wie man "Wetten, dass..?" als eine angestaubte Show abwatscht, die "jetzt aber auch wirklich wegkann", während man gleichzeitig kein Problem damit hat, wenn peinliche Protagonisten von Reality-TV-Sendungen erst ihr "Gesicht vor ganz Deutschland verlieren" und dann als große Newcomer gelten.
In den vergangenen Jahren hat das Fernsehen immer mal wieder Sendungen und Shows neu aufgelegt. Und längst ist weitestgehend bekannt, dass "Wetten, dass..?" nicht mit Thomas Gottschalk enden wird. Obschon sich das ZDF bedeckt hält, sollen die Vorbereitungen für eine Neuauflage der Kult-Show bereits auf Hochtouren laufen. Wie eine große Boulevard-Zeitung Ende November schrieb, habe sich der Sender "ein umfangreiches Rechtepaket an der Marke beim Deutschen Patent- und Markenamt gesichert." Und zwar bis 2032!
Nicht erst seitdem gibt es wilde Spekulationen über mögliche Nachfolger von Thomas Gottschalk. Etliche Showgrößen waren und sind bereits im Gespräch, etwa wie das Moderatoren-Duo Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf aber auch Giovanni Zarrella oder Barbara Schöneberger.
Sogar die Musiker-Zwillinge Tom und Bill Kaulitz haben sich ins Gespräch gebracht. Als Gottschalk die beiden in seinem Podcast mit Kumpel Mike Krüger als "Heidis Adoptiv-Söhne" bezeichnete, tönte die Presse unverzüglich, er würde "wettern" und "ätzen." Was aber ist so schlimm daran, dass ein Mensch, der jahrzehntelang das Gesicht einer der größten deutschen TV-Shows gewesen ist, nur schwer loslassen kann und sich dafür interessiert, wer künftig in seine Fußstapfen treten wird? Derlei Interesse: vollkommen menschlich.
Fakten aussprechen ist jetzt "wettern"
So sagte der Herbstblonde: "Ich habe natürlich gleich nachgefragt, ob dem so ist, weil es mich natürlich interessiert, was aus dieser Sendung wird. Das ZDF führt keinerlei Gespräche, weder mit dem einen noch mit dem anderen Kaulitz und auch nicht mit Heidi Klum, die ja sozusagen erziehungsberechtigt ist für die beiden. Also insofern ist das eine Art von Ente und es wäre, glaube ich, auch nicht die richtige Entscheidung. (…)"
Und er "wettert" auch nicht, sondern spricht schlicht Fakten aus, wenn er weiter ausführt, dass die eigene Sendung der Musiker-Zwillinge schon nach wenigen Folgen wieder abgesetzt wurde. Und Krüger bekundet: "Das ist natürlich immer das Problem, dass Leute dann immer alles vom Prompter ablesen und dann wird's auf längerer Strecke schwierig, weil er hakt oder zu schnell oder zu langsam läuft".
Bei einer Podcast-Produktion Ende 2022 ging sogar das Gerücht um, dass Jeremy Fragrance als neuer Moderator im Gespräch sein könnte. Der Parfümeur hatte zu diesem Zeitpunkt im TV-Knast "Promi Big Brother" für beste Einschaltquoten gesorgt. Schlussendlich ist es natürlich richtig und wichtig, Platz für die nächste Generation zu machen. Aber bitte für jemanden, der es sich nicht nur zutraut, weil er ein vom Netzwerk gepampertes, überbordendes Ego mitbringt, sondern eben auch das Talent, Menschen zu unterhalten und vor den Bildschirmen zu vereinen.
Quelle: ntv.de