Unterhaltung

Bayreuth - wie es ist Winifred ebnete Weg

Mit ihrem Verzicht auf die Festspielleitung hat Hitler-Freundin Winifred Wagner vor 60 Jahren den Weg frei gemacht für den Wiederbeginn der Richard-Wagner-Festspiele nach dem Zweiten Weltkrieg. Ihre Söhne Wieland und Wolfgang legten 1951 den Grundstein für "Neu-Bayreuth" und das weltweite Renommee des einzigartigen Festivals.

Mit der Schwiegertochter des Komponisten verbindet sich das dunkelste Kapitel der über 130-jährigen Festspielgeschichte. Die Historiker Bernd Mayer und Helmut Paulus beschreiben Winifred Wagner als jene Frau, "die den jungen Revoluzzer Hitler erst salonfähig machte". US-Spezialagent John H. Lichtblau stellte 1946 in seinem Vernehmungsprotokoll fest: "In politischer Hinsicht war Winifred Wagner eine der frühesten und standhaftesten Unterstützer Adolf Hitlers. Sie und ihr Mann (Siegfried, + 1930) lernten ihn (Hitler) im Jahr 1923 kurz vor der Münchner Bierkeller-Revolte kennen und wurden sofort gute Freunde."

Onkel Wolf

Bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges ging "Onkel Wolf" in der Villa Wahnfried, dem Domizil der Wagner-Familie, ein und aus. Der "Grüne Hügel" wurde nach 1933 zum Schauplatz der Nazi-Prominenz und der Nazi-Ideologie. Richard Wagners Oper "Die Meistersinger von Nürnberg" wurde zur Repräsentationsoper der braunen Machthaber. "Bayreuth sinkt auf den moralischen Nullpunkt", heißt es in einer Festspielchronologie von MDR-Kulturradio. "Nacht über Bayreuth" lautet der Titel der Erinnerungen von Friedelind Wagner, die sich als einzige der vier Kinder während der NS-Zeit von ihrer Mutter Winifred distanzierte.

"Das gesamte Werk Wagners war in Misskredit geraten und - vor allem in den USA - fast geächtet", schreiben Mayer und Paulus in ihrem Buch über die Entnazifizierung der NS-Hochburg Bayreuth nach 1945. "Namhafte Wagner-Dirigenten fanden kein Engagement mehr. Fast schien es so, als müsste Richard Wagner selbst noch entnazifiziert werden, bevor seine Werke wieder salonfähig wurden."

Keine Fahnen im Festspielhaus

Im Rahmen der Entnazifizierungsverfahren beantragte der öffentliche Kläger im Mai 1947, Winifred Wagner in die Gruppe der Hauptschuldigen im Sinne des "Gesetzes zur Befreiung vom Nationalsozialismus und Militarismus" aufzunehmen. Als eine der fanatischsten und treuesten Anhängerinnen Hitlers habe die Wagner- Schwiegertochter das Erbe Richard Wagners den ideologischen Weltanschauungen des Nationalsozialismus zur propagandistischen Ausbeutung ausgeliefert. Winifred Wagner führte zu ihrer Verteidigung an, auch während des "Dritten Reiches" seien im Festspielhaus keine Hakenkreuzfahnen aufgezogen worden. Hitler selbst habe sich jede Art von politischen Kundgebungen vor und nach den Aufführungen verbeten.

Zwei Monate später stufte die Spruchkammer Winifred Wagner in die Gruppe der Belasteten (Aktivisten) ein. 60 Prozent ihres Vermögens und damit auch das von der US-Armee beschlagnahmte Festspielhaus sollten eingezogen werden. Unter diesen Umständen wäre ein Neubeginn der Festspiele undenkbar gewesen. Mit dem beginnenden Kalten Krieg fielen die Urteile milder aus. "Selbst mutmaßliche Aktivisten wurden nun als Minderbelastete oder Mitläufer eingestuft", schreiben Mayer und Paulus. So wurde auch Winifred Wagner vom Berufungssenat am 8. Dezember 1949 als Minderbelastete eingestuft.

Von Winifred zu Wolfgang und Wieland

"Die Bahn war endlich vom Eis befreit", kommentierte Wolfgang Wagner die formelle Unterschrift seiner Mutter unter die Erklärung vom 21. Januar 1949: "Ich verpflichte mich hiermit feierlich, mich jedweder Mitwirkung an der Organisation, Verwaltung und Leitung der Bayreuther Bühnenfestspiele zu enthalten." Winifred Wagner übertrug die Verantwortung auf ihre Söhne Wieland (+ 1966) und Wolfgang. Sechs Wochen später hob die Bayerische Staatsregierung auch die angeordnete Vermögenssperre auf.

Winifred Wagner blieb zwar bis zur Gründung der Richard-Wagner-Stiftung 1973 formalrechtlich Eigentümerin des Festspielhauses, zog sich aber weitgehend aus dem öffentlichen Leben zurück. Ihre Gesinnung behielt sie bei. Noch 1975 bekannte sie sich in einem Interview des Filmemachers Hans-Jürgen Syberberg als ungebrochene Freundin Hitlers: "Wenn der Hitler zum Beispiel heute zur Tür hereinkäme, ich wäre genauso fröhlich und glücklich, ihn hier zu sehen und zu haben wie immer (...)." Winifred Wagner starb am 5. März 1980.

Von Manfred Präcklein, dpa

Quelle: ntv.de

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