Bücher

Heimathafen Bar Die Melancholie des Erwachsenwerdens

"Tender Bar" ist Moehringers Debüt.

"Tender Bar" ist Moehringers Debüt.

(Foto: Fischerverlage)

JR wird in Manhasset groß und als vom Vater verlassenes Einzelkind braucht er eine Familie, ein Zuhause und vor allem Männer.

JR heißt ganz amerikanisch wie sein Vater, nur eben Junior. Doch da sein Vater die Familie schon vor Jahren verlassen hat, will der Junge auch nicht mehr so wie der Alte heißen, auch wenn er ihn noch so schmerzlich vermisst, also JR. Aber heikel ist die Namenssache dennoch, und sie begleitet den Heranwachsenden, wie viele andere Probleme auch, beim Erwachsenwerden.

Der Junge wächst eigentlich mit der Mutter auf, die alles gibt, um für sich und den Jungen zu sorgen. Doch immer mal wieder sind die Kreditkarte weg und das Konto gesperrt, und dann ziehen Mutter und Sohn wieder bei den Großeltern ein. Dieses Haus der Großeltern ist allerdings auch speziell, der Opa hat jede Art von Instandhaltung weitgehend eingestellt, und die Oma hat genug damit zu tun, die Lebenskatastrophen ihrer verschiedenen Kinder zu verdauen.


Außer JR und seine Mutter wohnen nämlich auch Tante Ruth und ihre Kinder immer mal wieder im Haus und Onkel Charlie lebt sowieso immer noch da. Außerdem haben Opa und Oma eine Art kontinuierlichen Ehehass aufeinander. JRs Leben ist also reich gefüllt mit Menschen und Möglichkeiten.

Geballte Männlichkeit, um Mann zu werden

ANZEIGE
Tender Bar: Roman (Fischer Taschenbibliothek)
123
10,00 €
Zum Angebot bei amazon.de

Doch das alles wäre nichts ohne die Bar, in der Onkel Charlie arbeitet und in der der Junge seine Reise ins Männerleben beginnt. Der fehlende Vater wird ihm hier durch die geballte Männlichkeit mehr als bewusst, aber auch mehr als kompensiert. Jeder der Männer lehrt ihn seine Lektion, Steve und Fuckembabe, Sooty und Sledge, Rifleman und Skeezix. Später kommen noch die Buchhändler Bill und Bud hinzu, die JR eine Welt hinter den Rauchschwaden der Bar und den Drinks zeigen. In ihrem Laden arbeitet der Junge und entdeckt das Lesen.

So wächst inmitten vieler Umzüge und Barbesuche in ihm der Wunsch nach mehr Bildung, er bewirbt sich in Yale und wird sogar angenommen und macht auch seinen Abschluss. Er sucht und findet seinen Vater, verliert ihn wieder und schafft seine eigene Form der Versöhnung mit dem Vater. Angespornt von den Männern im "Publicans" und vom immerwährenden Liebeskummer schafft JR es schließlich bis zum Volontariat bei der "New York Times". JR verfällt der Bar und irgendwie auch den Drinks.


Aber er verliert sein Ziel nie aus den Augen, ein Buch über seinen Kindheitsort Manhasset und die Bar zu schreiben. Indem man das Buch nun in den Händen hält, weiß man, dass ihm auch das gelungen ist. J.R Moehringer hat ein sehr berührendes Buch über Jungs und Männer geschrieben, voll zärtlicher Liebe für seine Familie und seine Figuren und mit einer gewaltigen Liebe und Hochachtung für seine Mutter. Für seine Geschichte hat er eine unprätenziöse, aber sehr präzise Sprache gefunden, sehr behutsam übersetzt von Brigitte Jakobeit.

Ein wunderbar liebenswürdiges Buch und ein toller Debütroman, in dem Männer voller Mitgefühl sind, Frauen unheimlich stark und Kinder selbst im größten Chaos gar nicht so schlecht aufgehoben.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen