Kino

Schlampe und Parasitin W.E. - eine fast unmögliche Liebe

Sie machen sich keine Vorstellung, wie schwer es ist, die größte Romanze der Welt zu leben.

Sie machen sich keine Vorstellung, wie schwer es ist, die größte Romanze der Welt zu leben.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Madonna macht Musik. Madonna macht Mode. Madonna macht Mätzchen. Madonna macht Männer mürbe. Und Madonna macht Märchen. Sie hat bereits Kinderbücher geschrieben, die nicht so schlecht waren, wie viele hofften. Nun führt sie mal wieder Regie und man kann nicht anders als sagen: "Chapeau"!

Eine Liebe, die so unmöglich war, hat es nicht noch einmal gegeben. Bei unerfüllter und unlebbarer Liebe denken wir sofort an Romeo und Julia und viele andere unglückliche, tragische Liebespaare der Zeitgeschichte; aber so richtig tragisch war nun mal die Geschichte des britischen Königs Edward, der für seine große Liebe, die geschiedene Wallis Simpson, den Thron, das Vaterland, den Ruhm und die Ehre sowieso hinter sich ließ. Allerdings fand ihre Liebe schließlich eine Erfüllung - wenn auch mit vielen Hindernissen und einem Leben auf Reisen: "Wir sind die reichsten Parasiten Europas", soll Wallis Simpson geseufzt haben, als sie mal wieder ihre luxuriösen Zelte abbrechen mussten, um eine neue Zuflucht in einem anderen Land zu finden. Ja, die beiden hatten es vielleicht doch schwerer, als man annimmt.

Edward: "Tanzen alle Amerikanerinnen so gut?" Wallis: "Woher soll ich das wissen? Ich tanze nie mit Amerikanerinnen."

Edward: "Tanzen alle Amerikanerinnen so gut?" Wallis: "Woher soll ich das wissen? Ich tanze nie mit Amerikanerinnen."

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Sieht man aber mal von Edward ab, der nun kein König mehr sein konnte, war da schließlich noch die Frau, für die er das alles tat: "Er hat mich als Ausstieg benutzt", so Simpson, als ihr klar wurde, dass der König auch gar nicht mal so unglücklich darüber war, die Verantwortung für ein Commonwealth abzugeben. Und hat sich eigentlich jemals jemand gefragt, wie es Wallis dabei ging? Immer sprachen alle nur von dem großen Opfer, das ER gebracht habe. Worauf sie alles verzichtet hatte, um ihre Liebe möglich zu machen, davon war nie die Rede. Sie verließ schließlich einen Ehemann, der eine Liaison wahrscheinlich toleriert hätte - schließlich hatte seine Frau was mit dem britischen König - und wenn sie genug gehabt hätte von Edward, dann hätte er sie höchstwahrscheinlich wieder zurückgenommen. Aber der König war der US-Amerikanerin mit dem blitzscharfen Intellekt und der spöttischen Zunge - keine Schönheit übrigens - quasi verfallen. Und so will und kann er nicht mehr ohne sie.

Mit seiner Abdankung wird sein Bruder auf den Thron gesetzt, und diesem Umstand der Geschichte verdanken wir es nun, dass wir just das 60. Thronjubiläum der Queen begehen konnten. Hätte Edward nicht abgedankt, wäre Lizzie nie Königin geworden. Aber darum soll es an dieser Stelle ausnahmsweise einmal nicht gehen, sondern darum, wie die ganze Geschichte, die immer aus der Sicht des verhinderten Königs betrachtet wird, eigentlich aus der Perspektive der Frau aussah, die für ihn schließlich auch ihr ganzes Leben auf den Kopf gestellt hat.

Andrea Riseborough und Abbie Cornish mit ihrer Regisseurin.

Andrea Riseborough und Abbie Cornish mit ihrer Regisseurin.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

In Madonnas Film wird klar, welche Qualen sie, die als oberflächliche Ehebrecherin, als gefährliche Schlampe und Parasitin bezeichnet wurde, erdulden musste. Sie hat sich nicht gewehrt, als der liebesblinde Edward ihr den Hof machte, sie mit Schmuck behängte und bedrängte, seine Frau zu werden. Aber als ihr die ganze Tragweite schließlich bewusst wurde, als Edward seine Abdankung im britischen Rundfunk verlas, da kam ihr das kalte Grausen, und dieses Grausen kann man dank Andrea Riseborough fast quälerisch nachvollziehen.

Die Essenz einer Beziehung

Madonna, von der viele momentan nicht mehr erwarten, als dass sie sich entblößt, hätte man so einen ernsthaften Film vielleicht gar nicht mehr zugetraut. Aber sie sagt selbst: "Ich wollte die Essenz dieser Beziehung einfangen. Wahrheit ist etwas Subjektives, und alles, was ich über den Herzog und die Herzogin zu sagen habe, ist das Ergebnis meiner ausführlichen Recherche. Mir ging es um ein vollständigeres Bild von Wallis als das, was man normalerweise kennt."

Die Crew bei den Filmfestspielen in Italien: James D'Arcy (Edward), Andrea Riseborough (Wallis),Madonna, Abbie Cornish (Wally), Oscar Isaac (Evgeni), Natalie Domer (Elizabeth).

Die Crew bei den Filmfestspielen in Italien: James D'Arcy (Edward), Andrea Riseborough (Wallis),Madonna, Abbie Cornish (Wally), Oscar Isaac (Evgeni), Natalie Domer (Elizabeth).

(Foto: dpa)

Und da sie ja nicht nur die Geschichte von Wallis Simpson erzählt, sondern auch die von Wally, einer jungen Frau, die ein vermeintlich schönes Leben in New York führt, sich aber in Tagträume flüchtet, um ihrem Dasein zwischen zu großer Wohnung, lieblosem Ehemann und aufgegebenem Job zu entkommen,  springt die Geschichte zwischen diesen beiden sich nicht unähnlichen Frauen in zwei Ebenen, zwei Zeitzonen, hin und her.   

Bei ihren Arbeiten für den Film habe sich Madonna von ihrem Ex-Mann, dem Regisseur Guy Ritchie, in manchen Dingen beraten lassen. Er habe ihr Tipps zu Kameras und Filmmaterial gegeben und ihr Kameramänner und Tontechniker empfohlen. "Aber wie ich die Story aufbauen soll, hat mir keiner gesagt", sagt Madonna. Als Madonna ihren Film letztes Jahr auf dem Internationalen Filmfest in Venedig vorstellte, war sie natürlich um keine Antwort verlegen, als man ihr die Frage aller Fragen stellte: "Ob ich auf den Thron verzichten würde aus Liebe zu einem Mann oder einer Frau?", wiederholte die perfekt gestylte 53-Jährige die Frage eines Journalisten. "Ich denke, ich könnte beides haben - oder alle drei!"

"Ich wusste, sie ist genau die Richtige", dachte Madonna, als sie Andrea Riseborough zum ersten Mal sah.

"Ich wusste, sie ist genau die Richtige", dachte Madonna, als sie Andrea Riseborough zum ersten Mal sah.

(Foto: REUTERS)

Einige kritische Stimmen reden schon davon, dass der Film allein der Optik wegen sehenswert sei - und dann klingt heraus, dass inhaltlich große Leere herrscht. Das kann, muss man aber nicht so sehen. Denn tatsächlich lässt sich Madonna in ihrem Film nicht aus der Ruhe bringen, fast quälend ist es manchmal, wenn man mitfühlt, wie sehr sich die beiden Hauptdarstellerinnen durch ihr Leben leiden. Und genauso laut und partyhaft ist es, wenn die geballte Dekadenz der 1930er Jahre sich in Bildern des Überflusses Platz verschafft. Die Frauen sind schön, werden mit Schmuck geködert, trinken zu viel Alkohol und lästern über Männer - genauso wie heute! 

"W.E."- so unterschrieben die Liebenden ihre Briefe  - ist Madonnas zweite Arbeit als Regisseurin. Ihr erster ernst zu nehmender Film "Filth and Wisdom" wurde verrissen, und auch dieser wird seine hämischen Bemerkungen finden. Das Drama um das Finden der großen Liebe und den Kampf dafür hat aber durchaus seine Momente, vor allem witzige, in denen Madonna Unerwartetes zeigt. Sie hat ein Auge für die Kleidung, die Ausstattung, die Ästhetik der Zeit. Die Musik muss erwähnt werden, sie ist wunderschön: Filmkomponist Abel Korzeniowski hat sie geschrieben, orchestriert und produziert. Aufgenommen wurde sie in den legendären Abbey Road Studios in London mit einem 60-köpfigen Orchester unter der Leitung von Terry Davis. Bei den Golden Globe-Awards wurde Madonnas Song "Masterpiece" mit einem Golden Globe in der Kategorie "Best Song - Motion Picture" ausgezeichnet. Vielleicht ein weiterer Beweis dafür, dass Madonnas Wurzeln und Begabungen zum größten Teil nunmal in der Musik liegen - aber wenn sie den Film nicht gedreht hätte, wüssten wir nicht so viel über Wallis Simpson, eine Frau, die noch aus einer Zeit stammte, als es für Mädchen üblich war, zu heiraten und sich ins Schicksal zu ergeben.

Und die Erkenntnis, dass es die perfekte Liebe nicht gibt - selbst bei der größten Liebesgeschichte des letzten Jahrhunderts. "Zur Liebe gehört immer eine Form von Kompromiss. Diese Erkenntnis ist eigentlich der Kern meiner Geschichte", sagt Madonna.

Der Film kommt am 21. Juni in die Kinos - und wer von Liebe und von Tragik nicht genug bekommt, wer schöne Bilder liebt und ein Faible für das englische Königshaus hat - der muss diesen Film sehen.

Quelle: ntv.de

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