Über Teufelsaustreibungen weiß man nur wenig. Eines ist aber so sicher wie das Amen in der Kirche: Es gibt sie. Dabei ist kein Exorzismus wie der andere. Das gilt auch für den "letzten", denn der war erst der Anfang und mittendrin steckt ein unschuldiges junges Mädchen.

Eine 1,8-Millionen-Dollar-Produktion gilt im Blockbuster-Hollywood als Low-Budget-Streifen. Wenn die weltweiten Einspielergebnisse aber bereits nach der Kinoverwertung fast 70 Millionen Dollar betragen, ist der Film aber vor allem eines: ein Kassenknüller und Überraschungserfolg. Was darauf folgt, ist meist ein zweiter Teil, vielleicht sogar ein dritter. Bei "Der letzte Exorzismus" ist das der Fall. Studiocanal bringt "Der letzte Exorzismus: The Next Chapter" nun auf DVD und Blu-ray heraus.

Dass das geschieht, ist nicht selbstverständlich. Der Grund: Die 5 Millionen Dollar teure Produktion kam bei den Kinozuschauern bei Weitem nicht so gut an wie der erste Film. Dennoch spielte auch er mit rund 17 Millionen Dollar sein Budget locker wieder ein. Statt eines fadenscheinigen Aufwärmens der Story aus Teil eins, einem billigen Abklatsch also, macht Teil zwei des letzten Exorzismus seinem Beinamen wirklich Ehre: Willkommen zu "The Next Chapter".

Wie alles begann ...

Man muss "Der letzte Exorzismus" nicht unbedingt gesehen haben, um "The Next Chapter" zu verstehen. Hilfreich ist es aber dennoch. Erst dann erkennt man als Zuschauer die wirkliche Weiterentwicklung der Story, das Reifen der Hauptfigur Nell Sweezer (Ashley Bell; "The Day", "The Walking Dead"). Im ersten Teil ist sie noch ein junges Mädchen, lebt in den Südstaaten auf einer abgelegenen Farm mit Bruder und Vater und trauert um ihre zu früh gestorbene Mutter. Sie ist vollkommen rein, unverdorben, unschuldig - also wie geschaffen für das Böse. Das sucht auch schon bald die Farm heim. Tiere sterben, werden blutig abgeschlachtet. Der berühmte Prediger Cotton Marcus (Patrick Fabian ; "General Hospital", "Bad Ass"), der von klein auf das Wort Jesu verbreitet hat und nicht uncharismatisch ist, soll sich der Sache annehmen, denn Nells Vater weiß nicht mehr weiter.

Das Problem dabei: So recht glaubt Marcus nicht mehr an Gott und dessen Wort, und schon gar nicht mehr an den Exorzismus. Er will das Ganze als Scharlatanerie bloßstellen und wird deshalb von einem Fernsehteam begleitet. Mit allerlei Tricks macht er dem Vater glauben, dass Nell nach einer gefakten Exorzismus-Sitzung gerettet ist. Doch da hat Marcus die Rechnung ohne den dämonischen Wirt gemacht.

Marucs und sein TV-Team werden nicht nur Zeuge von unglaublichen körperlichen Verrenkungen Nells, sondern sie finden auch heraus, dass Nell Teil von etwas viel Größerem und abgrundtief Bösen geworden ist. Und damit erst einmal vielen Dank an den Hamburger Regisseur Daniel Stamm, der "Der letzte Exorzismus" eindrucksvoll inszeniert hat und an Eli Roth ("Hostel", "Cabin Fever", "Aftershock"), den Produzenten des Films.

... und das Grauen geht weiter

Roth ist es auch zu verdanken, dass die Geschichte von Nell in vollkommen neuem Gewand weitererzählt wird. In "The Next Chapter" ist Nell in psychologischer Behandlung und beginnt als Jugendliche in einem Frauenhaus in New Orleans ein neues Leben. Sie lernt, die Vergangenheit zu verarbeiten. Je mehr ihre Ängste weichen, desto stärker drängen ihre natürlichen Bedürfnisse in den Vordergrund. Sie entdeckt die pulsierende Energie der Großstadt, hört Musik, genießt mit ihren Freundinnen Mardi Gras. Sie ist eine stinknormale Jugendliche. Ein kleiner Nebenjob als Zimmermädchen in einem Hotel, eine kleine Liebelei mit einem Kollegen. Das neue Leben könnte so schön sein.

Aber die Vergangenheit holt sie schlagartig ein: Nell träumt von ihrem Vater, der einst auf der Farm als letzten Ausweg nur ihren Tod gesehen hat. Das Unnatürliche bahnt sich langsam, aber unaufhaltsam einen Weg zurück in ihr Bewusstsein. Der Dämon Abalam ist wieder da - und hat es immer noch auf Nell abgesehen - und das aus einem ganz bestimmten Grund.

Statt eines klassischen Predigers bekommt Nell diesmal Hilfe von einer kleinen Vereinigung, deren Wurzeln auch im Voodoo liegen. Aber Abalam ist stärker als die neuen Beschützer Nells. Und so nimmt das Unheil seinen Lauf.

Gefühle und verdrehte Rücken

Ed Gass-Donnelly ("Small Town Murder Songs") heißt der Regisseur von "The Next Chapter". Das war laut Produzent Roth auch so gewollt: neues Blut, neue Ideen. Und das hat funktioniert. Ob "The Next Chapter" noch als Horrorfilm durchgeht, steht da schon auf einem anderen Blatt. Klar, wenn im Filmtitel "Der letzte Exorzismus" prangt, sollte dieser dann auch nicht zu kurz kommen. Für den einen oder anderen dürfte das aber genau passiert sein. Allerdings wartet "The Next Chapter" mit so viel Gefühl, Ruhe und purer Schönheit der Bilder auf, dass man den Grusel auch gern einmal hintenanstellt.

Überragend spielt erneut Ashley Bell. Die bereits für den ersten Teil mit Preis-Nominierungen (Spirit Award, MTV Movie Award) Überhäufte reizt auch in "The Next Chapter" ihr schauspielerisches Können voll aus und bringt dabei gleichzeitig ihren Körper an die absolute Schmerzgrenze - ein Schlangenmensch ist nichts dagegen. Dass die Dreharbeiten hart waren und sie danach noch lange an den Folgen der körperlich aufreibenden Arbeit zu leiden hatte, gesteht sie offen im Interview ein, das zu den Special Features der DVD und Blu-ray gehört. Auch Eli Roth darf seine Sicht der Dinge ausführlich schildern.

Was bei "The Next Chapter" aber vor allem hängenbleibt, ist das Ende. Klar lässt es Platz für Spekulationen über einen weiteren Teil. Und auch der sähe dann ganz anders aus als alles bisher Gesehene. Heil Abalam!

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