Musik

Muss man gehört haben Wut als Antrieb - die Hits des Herrn Rotten

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(Foto: picture alliance / dpa)

Als Sänger der Sex Pistols 1977 zum Antihelden der Popkultur aufgestiegen, wurde John Lydon zum Postpunk-Visionär, Lyriker, Moderator und Dschungelcamp-Bewohner. Zur neuen Autobiografie von Lydon alias Johnny Rotten hier seine größten Klassiker.

Aus der Jukebox dröhnt "School's Out" von Alice Cooper, dazu singt und greint und windet sich ein pickliger Teenager mit schlechten Zähnen, die Füße der wenigen Zuhörer wippen, man nickt zustimmend. Der ist es. Den nehmen wir. So oder ähnlich muss es wohl gelaufen sein, jenes historische, nennen wir es der Form halber Casting, mit dem Macolm McLaren Mitte der 1970er-Jahre einen Sänger für seine Band, die Sex Pistols, suchte. Ort des Geschehens: McLarens Boutique "Sex", die er mit Vivienne Westwood unterhielt - Keimzelle, Treffpunkt und Outfit-Schmiede für den aufkommenden Sound der Stunde, den man kurze Zeit später Punkrock nannte.

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Als widerwillige Lichtgestalt der Bewegung nannte John Lydon sich fortan Johnny Rotten, zusammen mit Drummer Paul Cook, Bassist Glen Matlock und Gitarrist Steve Jones zog man sich in den Proberaum in der Londoner Denmark Street zurück, jammte auf Songs von den Small Faces und Jonathan Richman. Und schrieb kurze Zeit später mit "Anarchy in the UK" und "God save the Queen" zwei der historischsten Kurz-Epen des pophistorischen Kanons.

Nach seinem unrühmlichen Austritt 1978 erfand er mit Public Image Ltd. den Postpunk, wurde später zum notorischen Nörgler vom Dienst, flirtete mit Electro, schrieb und schimpfte und schaute auch beim Dschungelcamp rein, bevor er sich Ende der nuller Jahre mit Werbespots für britische Butter das Comeback seiner Herzensband PIL finanziell erarbeitete. Für den Herbst sind ein neues Album und Liveshows in Deutschland angekündigt. Jetzt ist mit "Anger is an Energy" seine Autobiografie, die zweite nach "No Irish, No Dogs, No Blacks" (1993), auf Deutsch erschienen.

Zeit für ein Date mit Johnnys Jukebox - hier sind seine zehn prägendsten Songs:

1. "Anarchy in the UK" (1976)

Der "Ruf zu den Waffen", wie Manager McLaren den Song nannte, ein Fixstern im Planetensystem von Punk et al. Die Lyrics hastig auf Schmierpapier gekritzelt und "Anarchist" reimte sich einfach zu gut auf "Anarchist". Never mind the Bollocks - dies sind die Sex Pistols.

2. "God Save the Queen" (1977)

Wie versaut man der Königin das 25-jährige Thronjubiläum am besten? Man schreibt eine alternative Nationalhymne. Mission Accomplished. Die BBC fälschte der Legende nach sogar die UK-Charts, um den Royals die komplette Schmach zu ersparen und hievte Rod Stewarts "The first Cut is the Deepest" statt des Pistols-Songs auf Platz eins. Und der Terminus "No Future" geriet fortan zum zeit- und generationenübergreifenden Mittelfinger-Slogan. Alles richtig gemacht, Johnny!

3. "Pretty Vacant" (1977)

Aus "Vacant" wurde "Vacunt" - wieder schmuggelte Rotten bis dato Unerhörtes in die sogenannten Charts. Der NME macht den Song zur Single des Jahres 1977.

4. "Public Image" (1978)

Aus Rotten wurde nach dem Pistols-Exit wieder Lydon, mit der ersten Single seiner neuen Formation Public Image Ltd. sorgte er qua selbstbetiteltem Fanal für den besten Song des Postpunk ever. Schneidend in den Lyrics, Wobbles Bass unerreicht, Keith Levenes Gitarre  von kristalliner Schärfe. Drei Minuten für die Ewigkeit.

5. "Death Disco" (1979)

"Public Image" täuschte Hitpotenzial vor, die Todeshymne für seinen sterbenden Vater schließlich gab einen Ausblick in die harte, schwerverdauliche Realität des Shape of Postpunk to Come.

7. "This is not a Love Song" (1983)

Plötzlich purzelte der Band ein Welthit aus dem pieksigen Nähkästchen. Unwiderstehlich, augenzwinkernd, ironisch - und in seiner Eingängigkeit wie gemacht für die 80er.

8. "Rise" (1985)

Und noch so ein Wurf. Für das schlicht "album" betitelte Werk holte Lydon Koryphäen anderer Lager ins Boot: Ginger Baker on drums, Steve Vai gniedelte die Gitarre und Bill Laswell von Material sorgte für den dicksten Sound bis dato.

8. "World Destruction" (1984, mit Afrika Bambaata)

Die Liebeshochzeit von Hip-Hop und Postpunk, eine dampfende Crossover-Perle zwischen Faith No More, Jello Biafra und Public Enemy, ihrer Zeit voraus.

9. "Open Up" (1993, mit Leftfield)

Seine Kooperationen wählte Lydon sparsam, es musste halt passen. Und das hier, fürwahr, es passte. Technoides Punk-Update, eine tanzbare Wurzelbehandlung erster Kajüte, ein Frontalangriff auf Nerven und Tanzbein.

10. "This is PIL" (2012)

Lydon ließ sie alle zetern - Ausverkauf! TV-Werbung! Für Butter! - und baute von der Gage das beste PIL-Album seit Dekaden zusammen. Wie schon 1978 gerät das selbst betitelte Mission Statement zur verlässlichen Richtungsanzeige. PIL waren wiedergekommen. Um zu bleiben.

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Quelle: ntv.de

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