Qualvoller Tod durch Ersticken? Alabama plant erste Hinrichtung mit Stickstoff


Bisher starben die Todeskandidaten hier durch Giftinjektionen.
(Foto: dpa)
Tod durch den Strang, elektrischer Stuhl, Giftinjektion. Die USA waren schon immer erfindungsreich in den Methoden, verurteilte Todeskandidaten hinzurichten. In dieser Woche soll eine neue Variante hinzukommen. Ein 58-Jähriger soll an reinem Stickstoff ersticken.
Im US-Bundesstaat Alabama soll am Donnerstag ein Mann hingerichtet werden. Alabama vollstreckt jedes Jahr zwischen einer und drei Todesstrafen. Dieses Mal soll der Todeskandidat jedoch auf eine Art ums Leben kommen, die noch nie angewandt wurde und die höchst umstritten ist. Denn Kenneth Smith soll in der Justizvollzugsanstalt Holman in Atmore nicht durch die bisher übliche Giftspritze sterben, sondern durch Stickstoff.
Am 10. Januar machte ein Bundesrichter den Weg für die neue Hinrichtungsmethode frei. US-Bezirksrichter Austin Huffaker begründete seine Entscheidung damit, dass er nicht überzeugt sei, dass das ungeprüfte Verfahren für den Todeskandidaten ein "untragbares Schadensrisiko" darstelle.
Damit rückt der Zeitpunkt näher, an dem das erste Mal ein Mensch durch Stickstoff hingerichtet werden könnte. Drei Bundesstaaten haben die Hinrichtungsmethode schon zugelassen, Alabama, Mississippi und Oklahoma, zum Einsatz gekommen ist sie aber noch nicht. In einem Land, das Tod durch Stromstöße und Vergiften als legitim betrachtet, wird die Stickstoff-Methode kontrovers diskutiert, auch weil es das erste Mal seit 1982 ist, dass eine neue Hinrichtungsart eingeführt wird.
Ungewisse Nebenwirkungen
Smith soll für die Hinrichtung auf einer Trage festgeschnallt werden, wo ihm dann eine Atemschutzmaske über Nase und Mund gelegt wird. Nach der Verlesung des Todesurteils und einer abschließenden Inspektion der Maske würde das Stickstoffhypoxie-System von einem anderen Raum aus aktiviert. Der Stickstoff ersetzt die Atemluft, was dazu führen würde, dass Smith an Sauerstoffmangel stirbt. Das reine Stickstoffgas soll 15 Minuten lang oder bis fünf Minuten nach einer Null-Linie im EKG verabreicht werden, "je nachdem, welcher Zeitraum länger ist", heißt es in dem geplanten Ablauf.
Nach den Vorstellungen des Generalstaatsanwalts von Alabama, Steve Marshall, führt der Sauerstoffentzug "innerhalb von Sekunden zur Bewusstlosigkeit und innerhalb von Minuten zum Tod". In den Gerichtsunterlagen wird die Hinrichtungsmethode mit Arbeitsunfällen oder Selbsttötungen verglichen, bei denen Menschen ohnmächtig wurden und starben, nachdem sie Stickstoffgas ausgesetzt waren. Das farb- und geruchlose Gas macht 78 Prozent der normalen Atemluft aus und ist harmlos, wenn es mit ausreichend Sauerstoff eingeatmet wird.
Smiths Anwälte bewerten das ganz anders. Für sie verstößt die Tötung durch Stickstoff gegen das verfassungsmäßige Verbot grausamer und ungewöhnlicher Strafen. Das neue Hinrichtungsprotokoll stecke voller unbekannter und potenzieller Probleme. So sei die verwendete Maske, die über Nase und Mund angebracht ist, nicht luftdicht. Der eindringende Sauerstoff könnte dazu führen, dass der Hinrichtungsprozess verlängert oder den Todeskandidaten in einem vegetativen Zustand zurücklässt, anstatt ihn zu töten. Ein Arzt sagte den Gerichtsunterlagen zufolge aus, dass die sauerstoffarme Umgebung Übelkeit verursachen könne, sodass Smith an seinem eigenen Erbrochenen ersticken könne.
Die Maske würde Smith zudem daran hindern, in seinen letzten Augenblicken laut zu beten oder vor Zeugen eine letzte Aussage zu machen. Daraufhin wurde der Ablauf dahin gehend geändert, dass der spirituelle Beistand die Todeskammer betreten soll, bevor Smith die Maske aufgesetzt wird.
Todesstrafe statt lebenslang
Der inzwischen 58-jährige Kenneth Smith wurde 1988 gemeinsam mit John Forrest Parker wegen des Auftragsmordes an Elizabeth Sennet verurteilt. Der damals 22-jährige Smith und sein Mitangeklagter erhielten nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft jeweils 1000 US-Dollar dafür, die Frau eines Pastors zu töten. Der Auftrag sei von Sennets Ehemann gekommen, der hoch verschuldet war und durch den Tod seiner Frau in den Genuss von Geld aus einer Versicherung gelangen wollte. Charles Sennett nahm sich eine Woche nach dem Mord an seiner Frau das Leben, als sich die Mordermittlungen auf ihn als Verdächtigen konzentrierten.
Smiths Mitangeklagter wurde bereits 2010 durch eine tödliche Injektion hingerichtet. Die Verurteilung von Smith wurde 1989 zunächst aufgehoben, 1996 wurde er jedoch erneut vor Gericht gestellt. Obwohl die Geschworenen mit 11 zu 1 Stimmen eine lebenslange Haftstrafe empfahlen, verurteilte der Richter Smith zum Tode. Seine Hinrichtung durch eine Giftspritze hätte bereits im November 2022 vollzogen werden sollen, wurde aber in letzter Minute abgesagt, weil es Probleme mit der Einführung der Infusion in seine Venen gab.
Laut seinen Anwälten verbrachte Smith fast vier Stunden festgeschnallt auf der Trage, während unklar war, ob die Hinrichtung stattfinden würde. Den Gefängnisärzten zufolge zeigte Smith danach Symptome eines schweren Traumas, unter anderem Schlaflosigkeit, Migräne, Depressionen und Angstzustände. Inzwischen sind Hinrichtungen durch die Giftspritze, wie sie lange üblich waren, nicht mehr möglich. Europäische Arzneimittelhersteller weigern sich seit Jahren, ihre für Narkose und Heilung gedachten Medikamente zur Tötung von Menschen in US-amerikanische Gefängnisse zu liefern.
Sedierung nur für Schweine
Während in Atmore alles für die Hinrichtung vorbereitet wird, ruft der Fall inzwischen die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Ravina Shamdasani, auf den Plan. Sie bezeichnete in einer Stellungnahme die vorgesehene Tötungsmethode als "Erstickung durch Stickstoffgas". Shamdasani argumentierte, die American Veterinary Medical Association (AVMA) empfehle, "großen Tieren ein Beruhigungsmittel zu verabreichen, wenn sie auf diese Weise eingeschläfert werden". Das Protokoll von Alabama sehe dies für die Hinrichtung eines Menschen durch diese Methode hingegen nicht vor. In den tierärztlichen Richtlinien der Vereinigten Staaten gilt der Einsatz von Stickstoff lediglich bei Geflügel als akzeptabel und selbst bei ihm wird Stickstoffhypoxie "aus Tierschutzgründen als unbefriedigende Euthanasiemethode" bezeichnet.
Die Anwälte von Smith haben den Obersten Gerichtshof der USA gebeten, die Hinrichtung auszusetzen, um mehrere Fragen zu prüfen. Dazu gehört der Punkt, ob Alabama mit der Stickstoffhypoxie gegen das Verbot grausamer und ungewöhnlicher Strafen verstößt, aber auch, ob ein zweiter Hinrichtungsversuch überhaupt zulässig ist, nachdem Smith einen bereits überlebt hat. Zudem liefen noch Berufungsverfahren, sodass die Hinrichtung weiterhin nicht angesetzt werden dürfe. Dabei geht es darum, ob die Überstimmung der Jury durch den Richter Bestand hat. Inzwischen ist das in Alabama nicht mehr erlaubt.
Noch ist unklar, ob und wann der Oberste Gerichtshof sich mit dem Fall beschäftigen wird. Sollte Smith durch Stickstoff hingerichtet werden, könnten auch andere Bundesstaaten beginnen, Hinrichtungen auf diese Weise anzusetzen.
Quelle: ntv.de