Ahorn erschlägt Kind Augsburger Richterin spricht Baumkontrolleur frei
25.09.2023, 17:20 Uhr Artikel anhören
Drei Gutachter schätzten die Verantwortung des Kontrolleurs vor dem Amtsgericht in Augsburg unterschiedlich ein.
(Foto: picture alliance/dpa)
Auf einem Spielplatz in Augsburg trifft ein umfallender Ahornbaum ein Kleinkind und dessen Mutter. Die 20 Monate alte Tochter stirbt. Nun entscheidet ein Gericht über einen Strafbefehl gegen einen städtischen Baumkontrolleur. Hätte der Experte das Unglück vorhersehen müssen?
Nach dem Tod eines Kleinkindes auf einem Spielplatz durch einen umstürzenden Baum ist der für den Ahorn verantwortliche Kontrolleur vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freigesprochen worden. Das Amtsgericht Augsburg entschied, dass der Mitarbeiter der Stadt Augsburg den durch einen Pilzbefall verursachten Baumsturz nicht habe vorhersehen können.
Im Juli 2021 war der 23 Meter hohe Ahornbaum auf dem Spielplatz umgestürzt und hatte eine Wippe getroffen, auf der gerade eine Mutter mit ihrer 20 Monate alten Tochter spielte. Beide wurden schwer verletzt, das Mädchen starb später in der Augsburger Uniklinik. Eine ältere Tochter der Frau spielte etwas entfernt und blieb körperlich unversehrt.
"Es war ein furchtbarer, tragischer Unfall, für den Sie aber nicht die Schuld tragen", sagte Richterin Alexandra Lehner bei der Urteilsverkündung zu dem angeklagten Gärtner. Der Mann hatte den deutlich schräg wachsenden Baum zuletzt 14 Monate vor dem Unglück untersucht. Den Pilz und die damit einhergehende innere Fäule des Baumes, die zu dem Sturz führte, hatte er nicht erkannt.
Gutachterstreit über Verantwortung des Kontrolleurs
Der Kontrolleur sei durch das Unglück stark mitgenommen, sagte sein Verteidiger. Der 58-Jährige ist seitdem arbeitsunfähig und in psychotherapeutischer Behandlung. In dem Prozess hatten drei Baumgutachter ausgesagt - und sie waren zu unterschiedlichen Bewertungen der Verantwortung des Kontrolleurs gekommen.
Ein Sachverständiger warf dem 58-Jährigen vor, dass er eine weitergehende technische Untersuchung des Ahorns hätte veranlassen müssen, um der Sicherheit des Baumes auf den Grund zu gehen. Die beiden anderen Gutachter widersprachen. Die vom Baumkontrolleur vorgenommene Routineüberprüfung sei ausreichend gewesen und entspreche den Vorgaben. "Ich hätte den auch nicht großartig eingehend untersucht", sagte einer der Sachverständigen über den Baum.
Der Verteidiger des Kontrolleurs hatte zu Beginn erklärt, dass sein Mandant das Problem nicht habe sehen können. Der Schrägstand des Baumes sei seit Jahren unverändert gewesen. Der Ahorn habe keine Einschränkungen bei der Vitalität gezeigt, sagte der Anwalt. Der Pilzbefall sei äußerlich nicht sichtbar gewesen.
Zu viele Bäume, zu wenig Personal
Ein Sachverständiger meinte, dass dennoch die vorhandenen Anzeichen wie eine auffällige Wurzelbildung bei der Kontrolle im Mai 2020 Anlass für eine genauere Untersuchung des Baumes hätten sein müssen. Dem widersprach der zweite Gutachter: Ein Kontrolleur müsse eine Gefahrenabschätzung machen. Aber es bleibe letztlich immer ein Restrisiko, dass es doch einmal zu einem tragischen Unglück komme. Er sagte, Städte müssten sonst Tausende Bäume immer mit großem Aufwand untersuchen. Dafür hätten die Kommunen überhaupt kein Personal. Ansonsten müssten große Teile der Baumbestände gefällt werden, meinte der Experte. Letztlich forderten sowohl der Verteidiger als auch der Staatsanwalt einen Freispruch für den 58-Jährigen. Das Urteil wurde sofort rechtskräftig.
Erst vor einer Woche war es auch in Würzburg zu einem tödlichen Baumsturz gekommen. Eine 59 Jahre alte Radfahrerin war von einer Buche getroffen worden und starb ebenfalls im Krankenhaus. Auch dort wird nun ermittelt. Dass Bäume unvorhergesehen umfallen, kommt in den Städten immer wieder vor. In den meisten Fällen führen allerdings Unwetter zu Baumstürzen.
Quelle: ntv.de, rwe/dpa