Was ist los in Söders Freistaat? Bayerischer Landkreis knackt 1000er Inzidenz
10.11.2021, 14:44 Uhr
Rottal-Inn belegt Platz eins in der Liste der Landkreise und Städte mit den höchsten Inzidenzwerten im Bundesgebiet.
(Foto: picture alliance/dpa)
In Bayern explodieren die Infektionszahlen. Einen neuen Negativrekord stellt der Landkreis Rottal-Inn auf. Dort liegt die Inzidenz bei 1104 - der höchste jemals gemessene Wert in Deutschland. Aber auch viele weitere bayerische Regionen liegen nur knapp darunter. Was läuft schief im Freistaat?
Ein weißer Fleck im Südosten Bayerns an der österreichischen Grenze: Für den Landkreis Rottal-Inn hat das Robert-Koch-Institut (RKI) in seinem Corona-Dashboard nicht einmal mehr eine Farbe ausgewiesen. Denn die Sieben-Tage-Inzidenz liegt dort aktuell bei 1104. Das ist die höchste jemals berechnete Inzidenz in ganz Deutschland.
Rottal-Inn belegt damit Platz eins in der Liste der Landkreise und Städte mit den höchsten Inzidenzwerten im Bundesgebiet. Das Landratsamt vermeldete 1.802 derzeit positive Fälle und einen neuen Todesfall seit dem gestrigen Dienstag. Insgesamt verzeichnet der Landkreis damit 11.086 Corona-Fälle, allein heute sind 434 dazugekommen. Laut DIVI-Intensivregister werden in Rottal-Inn aktuell mehr als 40 Covid-Patienten im Krankenhaus behandelt. Zehn davon liegen auf der Intensivstation - sieben müssen invasiv beatmet werden. Im zuständigen Leitstellenbereich Passau liegt die Auslastung der verfügbaren Intensivbetten bei 90,2 Prozent.
Der bayerische Landkreis mit seinen rund 120.000 Einwohnern scheint mit der eskalierenden Corona-Lage überfordert zu sein: "Die Kontaktermittlung kommt kaum noch hinterher", sagte Bettina Rapp von der Pressestelle des Landkreises Rottal-Inn der Mediengruppe Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung. Daher hätten sie auch das interne Dashboard stilllegen müssen. "Dafür haben wir keine Zeit mehr. Wir müssen rund 400 Personen kontaktieren", erklärte Rapp. Dabei könnten die hohen Infektionen nicht auf ein einzelnes Infektionsgeschehen zurückgeführt werden. "Man kann nicht erkennen, wo es herkommt. Es gibt einfach extrem viele Infektionen im Landkreis."
Doch nicht nur in Rottal-Inn explodieren derzeit die Corona-Zahlen. In der Top-Ten-Liste der größten Hotspots Deutschland finden sich fast nur bayerische Landkreise wieder. Traunstein kratzt mit rund 949 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner ebenfalls an der 1000er Marke, gefolgt von Dingolfing-Landau (894), Miesbach (875), Regen (868), Berchtesgadener Land (823), Oberallgäu (806), Mühldorf am Inn (795), Bad Tölz-Wolfratshausen (791). Nur den zehnten Platz belegt ein Thüringer Landkreis, und zwar Sonneberg mit 787 Fällen. Was ist also los im Bundesland von CSU-Chef Markus Söder?
Sehr niedrige Impfquote im Kreis Rottal-Inn
Auffällig ist, dass viele der bayerischen Landkreise mit besonders hohen Inzidenzen, wie Rottal-Inn, direkt an der Grenze zu Österreich liegen. Laut der Virologin Ulrike Protzer von der Technischen Universität München haben die vielen Corona-Infektionen mit Grenzpendlern zu tun, aber auch mit Urlaubern oder Wochenendtouristen. Durch sie gebe es "Überträge aus den Nachbarländern, in denen es eine höhere Inzidenz als bei uns gibt", sagte Protzer in der ARD. In den deutschen Grenzregionen seien die Zahlen deswegen immer vergleichsweise hoch gewesen. Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zeigen auch: In Bayern arbeiten mit 46.000 Menschen deutschlandweit die meisten Grenzpendler mit einem Wohnsitz im Ausland.
Doch auch die Impfquote könnte eine Rolle spielen. Die ist nämlich im Landkreis Rottal-Inn auffallend niedrig. Laut Landratsamt sind derzeit 53,2 Prozent aller Bürgerinnen und Bürger im Landkreis vollständig geimpft. Damit liegt die Impfquote deutlich unter dem bayerischen Durchschnitt. "Das ist natürlich eine relativ schlechte Impfquote", räumt ein Pressesprecher des Landratsamts gegenüber dem Bayrischen Rundfunk ein. Jedoch gehe er davon aus, dass sich Bürger des Landkreises möglicherweise auch an deren Arbeitsplätzen in anderen Landkreisen haben impfen lassen. Diese erscheinen nicht in der Statistik.
Ein weiterer Faktor für die drastisch steigenden Infektionszahlen könnte auch die Corona-Müdigkeit sein. "Natürlich sind die Menschen nach eineinhalb Jahren Pandemie auch mürbe", sagte der Pressesprecher dem Sender. "An der einen oder anderen Stelle hat vielleicht die Vorsicht nachgelassen."
Corona-Ampel springt auf Rot
Bayern hatte zuletzt, wie andere Bundesländer, seine Corona-Regeln gelockert. Seit Anfang September gibt es keine Kontaktbeschränkungen mehr. Mit 3G-Nachweis gibt es unter anderem Zutritt zu Restaurants und Theatern. Zur Begründung hatte der CSU-Politiker auf die Impfquote verwiesen und darauf, dass es sich um "eine Pandemie der Ungeimpften und Jüngeren" handle. Vor allem bei den Jüngeren gebe es die Chance auf mildere Krankheitsverläufe.
Doch momentan steht gerade Bayern in der Pandemie im bundesweiten Vergleich eher schlecht da: Die Quote der vollständig Geimpften ist mit 65,2 unterdurchschnittlich - in Bremen beträgt sie fast 79 Prozent, im Saarland 73. Und auch die Sieben-Tage-Inzidenz ist mit 395,8 im Freistaat besonders hoch. Nur Thüringen (454,9) und Sachsen (459,4) liegen noch darüber.
Nun spielen die Inzidenzen offiziell in der Pandemiebekämpfung nicht mehr die Hauptrolle. Hospitalisierungen und Intensiv-Belegungen stehen inzwischen im Vordergrund. Doch auch hier sieht Bayern schwarz - besser gesagt rot. Denn die Corona-Ampel zeigt seit Montag Alarmstufe rot an. Das bedeutet, dass der Grenzwert von 600 mit Covid-Patienten belegten Intensivbetten überschritten wurde. Ab diesem Wert drohen die Kliniken des Bundeslandes an ihre Kapazitätsgrenzen zu stoßen.
Ministerpräsident Markus Söder hat inzwischen schärfere Maßnahmen angekündigt. Bayernweit gilt weitgehend 2G. Dazu gehört die Testpflicht am Arbeitsplatz für Beschäftigte von Betrieben mit mehr als zehn Mitarbeitern. Entsprechende Kontrollen sollen massiv ausgeweitet werden. Zudem sollen alle Impfzentren des Landes jetzt wieder hochgefahren werden, der Fokus liegt dabei auf schnellen Booster-Impfungen.
Quelle: ntv.de