Panorama

Ein Leben in Balance"Hej!" - Schwedisch essen mit "Lagom"

04.12.2025, 18:01 Uhr 20210831-145536Von Heidi Driesner
Tafel
Ob Mittsommer oder Weihnachten - in Schweden wird das Jahr mit viel Essen gefeiert. (Foto: Melina Kutelas)

Zora Klipp ist 20 Jahre alt, als ein Sommerurlaub in Schweden zum Wendepunkt wird: Sie macht einen radikalen Schnitt - Job gekündigt, Beziehung beendet, Auto verkauft, Wohnung gekündigt, Möbel zu Mama - und als Au-pair zurück nach Schweden. Heute betreibt die TV-Köchin in Hamburg zwei Restaurants - mit schwedischer Wärme und Gelassenheit.

Zora Klipp, geboren im Schwarzwald und aufgewachsen im niedersächsischen Zeven, ist gerade 20 Jahre alt, als sie mit ihrem Vater eine Reise macht, das Auto mit ordentlich Proviant vollgepackt, wie immer ohne Plan, einfach der Nase nach. Fest steht nur: Gen Norden soll es gehen. Dass dieser zweiwöchige Zelturlaub im Sommer 2010 Zoras Leben entscheidend verändern würde, ahnt niemand.

15 Jahre später führt Zora Klipp mit der "Weidenkantine" und dem "Blattgold" zwei Restaurants in Hamburg, ist Fernsehköchin und Kochbuchautorin - und hat im Juli einen Sohn auf die Welt gebracht. Nein, "einfach so" ist das alles nicht passiert. All die Schritte und Etappen, die Zora Klipp geht, bedeuten Leidenschaft und Mut, Mühe und Engagement, aber auch Leichtigkeit und Freude am Leben. "Lagom" heißt diese Lebensart, die schwedische Kunst der Ausgewogenheit für ein Leben mit Maß und innerer Zufriedenheit: nicht zu viel, nicht zu wenig.

Zora Klipps neuestes Kochbuch erzählt von dem Beginn ihrer großen Liebe zu Schweden. Das Buch ist im Brandstätter Verlag erschienen und enthält die Lieblingsrezepte der Autorin, bodenständig und saisonal, echt schwedisch oder von schwedischem Essen inspiriert. Es trägt den Titel "Hej!" - das ist das erste Wort, das Zora und ihr Vater 2010 im Norden hören: Kein trübseliges "Hej", wie man es aus Norddeutschland als recht elanloses "Moin" kennt, heißt es im Buch. "Es war ein HEJ! Schon alleine bei der Aussprache ist der Mund dazu angehalten, die Mundwinkel nach oben zu ziehen - und dir ein Lächeln ins Gesicht zu malen. Ich war fasziniert von diesem Wort, von der Freundlichkeit und der Offenheit, mit der wir ab diesem Moment während der gesamten Reise konfrontiert wurden." Dieses inspirierende Lächeln zieht sich auch durch das Buch, zeigt sich in Melina Kutelas' wunderbaren Fotos und reicht bis zu den Rezepten, die einfach zum Gute-Laune-Kochen einladen. Ein rundum gelungenes Buch, in dem zu lesen Freude macht. Ganz offensichtlich nicht nur mir, denn "Hej!" gewann Ende November Gold beim Deutschen Kochbuchpreis in der Sparte Skandinavische Kochbücher.

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Välkommen till Sverige

Nach dem alles verändernden Schweden-Urlaub steht für Klipp fest: Sie braucht eine Pause von langen Schichten als Hotelköchin; schon während der Ausbildung sind viele Freundschaften daran zerbrochen. Köchin ist ihr Traumberuf - aber sie will mehr. Nur was? Sie macht Nägel mit Köpfen: Job gekündigt, Beziehung beendet, Auto verkauft, Wohnung gekündigt, Möbel zu Mama - und zurück nach Schweden: "Als Au-pair. Ich hatte nicht viel mehr als einen Koffer, als ich in den Zug nach Südschweden gestiegen bin. Dass ich nach Schweden ging, war also kein lang gehegter Lebenstraum, sondern eher eine Reaktion auf das, was nicht mehr passte. […] Ich hatte keine großen Erwartungen - und vor allem keinen konkreten Plan, was danach kommt. Ich wusste nur, dass es sich richtig anfühlte, loszugehen." Klipp landet in Älmhult, einer kleinen Stadt in Südschweden, taucht ein in den Alltag, die Sprache, die Kultur. "Ich habe die beste Familie bekommen, die ich mir nur hätte wünschen können", schreibt sie.

"Gebeizter Lachs mit Sauerkirschen" ist ein typisches schwedisches Festessen. (Foto: Melina Kutelas)

Die drei Kinder von Malin und Claes, Klipps Gasteltern, sind acht, sechs und anderthalb Jahre alt. Klipp geht ein Jahr lang zur Schule, jeden Tag von acht bis zwölf Uhr, um Schwedisch zu lernen. Sie lernt schwedische Freunde kennen, geht ins Fitnessstudio, erlebt alle wichtigen schwedischen Traditionen: Midsommar mit Blumenkränzen im Haar, Kräftskiva mit jeder Menge Flusskrebsen, Bier und Schnaps, Lucia mit dem Schulchor und reichlich Lussekatter, genießt all die Köstlichkeiten zu Ostern und zu Weihnachten. Und natürlich die Fika, die sprichwörtliche Kunst, eine Kaffeepause zu genießen - "ob am Vormittag, am Nachmittag oder ganz spontan zwischendurch".

Kulinarische Leidenschaft mit schwedischer Leichtigkeit

Das Buch ist in drei große Abschnitte unterteilt: 1. Vorspeisen, Snacks und Smörgås; 2. Das Herz der schwedischen Küche; 3. Fika - die Kunst der Kaffeepause. Im ersten Teil geht es um alles, was schnell begeistert. Das kunstvoll belegt Butterbrot "Smörgås" darf hier keinesfalls fehlen, denn es ist fester Bestandteil der skandinavischen Esskultur. Hier gibt es auch ein Rezept für "Polarbröd", ein süßes weiches Fladenbrot, und eins für vegetarischen "Lachs" aus Karotten. Im dritten Teil finden Sie alles, was zu einer richtig guten Kaffeepause gehört: "Kaum ein Gebäck steht so sehr für Schweden wie die klassische Kanelbulle - und gleichzeitig gibt es unzählige köstliche Varianten davon", heißt es in diesem Buchabschnitt. Klipp zeigt uns ihre liebsten Schnecken-Variationen, mal mit Kardamom, mal mit Walnüssen.

Das Krabbensandwich "Toast Skagen" ist ein echter Klassiker der schwedischen Küche. (Foto: Melina Kutelas)

Die meisten Rezepte im Buch, auch für vegetarische und vegane Gerichte, sind unkompliziert, aber einige benötigen doch eine gewisse Fingerfertigkeit. Wenn Sie zu den vielen Fans schwedischer Zimtschnecken gehören sollten, wissen Sie, dass da vor dem Genuss Fummeln angesagt ist. So eine "kanelbulle" rollt sich schließlich nicht von allein! Und da die Herstellung für Ungeübte doch nicht ganz einfach ist, gibt's Step-by-step-Fotos für diese wirklich kompliziert aussehenden "Kardamomknoten". Sie können's auch schwedisch gelassen angehen - so wie ich. Mein Favorit ist nämlich der "Zimtschnecken-Kuchen", da wird nicht gerollt, sondern nur gerührt. Nur eine Napfkuchenform (Gugelhupfform) bracht man, und die habe ich schließlich!

Das Herz der schwedischen Küche

Der zweite Teil des Buches ist am umfangreichsten, denn hier heißt Sie die Autorin im Herzstück der schwedischen Küche willkommen: "Hier geht's um all das, was die schwedische Alltagsküche so besonders macht: ehrlich, sättigend, überraschend einfach - und dabei immer mit einem Hauch nordischer Gemütlichkeit. Ob deftige Klassiker, schnelle Lieblingsrezepte oder Gerichte für große Feste: Dieses Kapitel ist eine Liebeserklärung an das, was in Schweden tagtäglich auf den Tisch kommt - und oft schon seit Generationen gekocht wird. Mach's dir hyggelig, schnapp dir die Kartoffeln, und los geht's!" Dieser zweite Rezeptteil ist in sieben Abschnitte unterteilt: Deftig schwedisch; Köttbullar; Einfach und schnell; Korvbröd; Schwedisches Festessen; Suppen, Eintöpfe und Aufläufe; Einwecken und Einmachen. Hinter den auch hierzulande beliebten Köttbullar ("Schöttbüllar" ausgesprochen) steckt "viel mehr als nur ein Möbelhaus-Klischee", schreibt die Autorin, denn es gibt diese Hackfleischbällchen in verschiedenen Varianten - von elegant bis zu vegetarisch.

"Ofenhuhn mit Wurzelgemüse" macht satt, wärmt und schmeckt ein bisschen nach Geborgenheit. (Foto: Melina Kutelas)

Hotdog-Fans werden bei "Korvbröd" fündig, und wer noch ein festliches Gericht für die Weihnachtsfeiertage sucht - auch solche Rezepte gibt's in "Hej!", zum Beispiel den "Schwedischen Weihnachtsschinken". Für die Silvesterfeier kann ich mir gut den "Gebeizten Lachs mit Sauerkirschen" vorstellen. Auch diese vielen Gläser mit süßsauren Zwiebeln, Preiselbeeren, Senfkaviar oder eingelegten Karotten - sie lassen sich gut vorbereiten und sind vielleicht am Neujahrsmorgen eine willkommene Hilfe gegen den Kater. Sie gehören zu schwedischen Gerichten einfach dazu und sind "eine Liebeserklärung an das Vorratsregal und an das kleine Glück, im richtigen Moment genau das richtige Glas aufschrauben zu können".

"Zurück in Schweden - für dieses Buch, für ein Stück Zuhause"

"Für dieses Buch bin ich noch einmal zurück nach Schweden gereist. Es war mir wichtig, die Atmosphäre, die ich damals erlebt habe, nicht nur zu beschreiben, sondern auch visuell einzufangen - so, wie sie sich für mich angefühlt hat: ruhig, weit, natürlich, herzlich", schreibt Klipp. "Zusammen mit der Fotografin Melina Kutelas bin ich durch den Süden des Landes gefahren. Wir sind an kleinen Seen vorbeigekommen, durch Wälder, an roten Holzhäusern entlang - und immer wieder haben wir angehalten, weil das Licht, die Landschaft oder einfach der Moment so typisch schwedisch waren." Es ist keine normale Arbeitsreise für Klipp, es ist eine Reise zu dem Ort, an dem so viel ins Rollen gekommen ist. Die Begegnung mit der ehemaligen Gastfamilie ist so wie damals; herzlich, vertraut, unkompliziert - nur die Kinder sind groß und gehen ihre eigenen Wege. Dieses Gefühl von Angekommensein will Klipp mit ihrem Buch rüberbringen, denn es geht nicht nur um Rezepte, sondern auch um das, was damit verbunden ist: Wärme, Gemeinschaft, Gelassenheit und eine gewisse Leichtigkeit.

Heute, 15 Jahre nach ihrem Leben in Älmhult, gibt es in ihrer "Weidenkantine" in Hamburg jeden Morgen frische Kanelbullar genau nach dem Rezept, das sie als Au-pair von Malin bekommen hat. "Ich schaue noch immer schwedische Serien, lese schwedische Bücher und habe bis heute Kontakt zur Familie. Was mir aber am meisten geblieben ist, ist das Gefühl, wie viel Veränderung möglich ist, wenn man den Mut hat, einfach mal einen ganz neuen Schritt zu gehen."

Krabbensandwich Skagen

"Ein echter Klassiker der schwedischen Küche, der einfach immer geht. Frisch, cremig, knusprig und mit einem Spritzer Zitrone genau das Richtige für einen nordischen Lunch oder als feine Vorspeise. Ich habe ihn bei meinem letzten Schwedenbesuch wieder neu für mich entdeckt - so einfach, so gut und einfach typisch Skandinavisch."

Zutaten für 4 Personen:

1 EL Butter

4 Scheiben Brioche (alternativ Toast)

Erbsenkresse zum Garnieren

Für den Belag

1 rote Zwiebel

½ Bund Dill

70 ml Milch

1 TL Senf

Salz

Pfeffer aus der Mühle

½ Zitrone, Saft

ca. 180 ml Öl

150 g Krabben oder Eismeergarnelen

Zubereitung:

Die Zwiebel in feine Würfel schneiden. Den Dill fein hacken.

Die Milch mit Senf, Salz und Pfeffer sowie Zitronensaft in einen Messbecher geben. Einen Pürierstab hineinstellen und während des Pürierens langsam das Öl einfließen lassen, bis eine Mayonnaise entstanden ist.

Krabben oder Eismeergarnelen, Dill und Zwiebelwürfel unterheben und abschmecken.

Die Butter in einer Pfanne schmelzen und die Briochescheiben darin anrösten.

Den Krabbensalat auf den gerösteten Brotscheiben verteilen und mit Kresse garniert servieren.

Ofenhuhn mit Wurzelgemüse

"Dieses Gericht war ein absoluter Dauerbrenner in meiner Au-pair-Zeit. Es stand so oft auf dem Tisch, dass es irgendwann wie ein Geruch von Zuhause war. Besonders die Butter mit den gerösteten Haselnüssen ist mir im Gedächtnis geblieben - ich habe sie geliebt. Sie machte aus einem simplen Blechgericht etwas Besonderes. Ein Essen, das satt macht, wärmt und immer ein bisschen nach Geborgenheit schmeckt."

Zutaten für 4 Personen:

Für das Ofenhuhn:

3 Karotten

2 Pastinaken

1 Süßkartoffel

2 EL Olivenöl

1 Zweig frischer Thymian

2 Knoblauchzehen, zerdrückt

Salz

Pfeffer aus der Mühle

4 Hähnchenschenkel

1 unbehandelte Zitrone, in Scheiben geschnitten

Für die Kräuterbutter:

2 EL ganze Haselnüsse

1–2 Knoblauchzehen

2 EL Petersilie

100 g Butter, weich

Salz

Pfeffer aus der Mühle

Zubereitung:

Den Backofen auf 200 Grad Umluft vorheizen.

Das Wurzelgemüse in grobe Stücke schneiden, dann in eine Auflaufform geben. Mit Olivenöl, Thymian, Knoblauch, Salz und Pfeffer würzen und gut vermischen. Die Hähnchenschenkel obenauf legen, mit den Zitronenscheiben belegen und ebenfalls mit Salz und Pfeffer würzen. Im vorgeheizten Ofen 40-50 Minuten backen, bis das Huhn goldbraun und durchgegart ist.

In der Zwischenzeit die Kräuterbutter zubereiten. In einer kleinen ofenfesten Form die Haselnüsse etwa 8 Minuten mit im Ofen rösten. Dann grob hacken und auskühlen lassen. Den Knoblauch fein reiben, die Petersilie hacken. Die weiche Butter in eine Schüssel geben. Den Knoblauch und die Petersilie zusammen mit den Haselnüssen zu der Butter geben und alles gut vermengen. Mit Salz und Pfeffer abschmecken.

Das Ofenhuhn aus dem Backofen nehmen und mit der Kräuterbutter servieren.

Gebeizter Lachs mit Sauerkirschen

Zutaten für 500 g Lachs:

100 g Sauerkirschen (frisch oder tiefgekühlt)

60 ml Rote-Bete-Saft

10 g frischer Dill

50 ml Gin

4 Wacholderbeeren

1 unbehandelte Zitrone, Abrieb

20 g frischer Meerrettich, grob zerkleinert

20 g Meersalz

30 g Vollrohrzucker

1 EL bunter Pfeffer

500 g Lachsseite

Zubereitung:

Frische Kirschen entsteinen, tiefgekühlte Kirschen auftauen lassen, dann in einen Mixer geben und klein hacken.

Rote-Bete-Saft, Dill, Gin, Wacholderbeeren, Zitronenabrieb, Meerrettich, Meersalz und Vollrohrzucker dazugeben und alles zu einer Paste zerkleinern. Mit buntem Pfeffer abschmecken.

Die Hälfte der Mischung in einer Auflaufform, die groß genug für den Lachs ist, verteilen. Die Lachsseite darauflegen und mit der restlichen Mischung bedecken. Die Form gut mit Frischhaltefolie abdecken und für mindestens 24 Stunden in den Kühlschrank stellen.

Anschließend die entstandene Flüssigkeit abgießen, den Lachs vom Salz befreien und in feine Streifen schneiden.

Viel Freude bei der Entdeckung der schwedischen Leichtigkeit wünscht Ihnen Heidi Driesner.

Quelle: ntv.de

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