Ermittler suchen nach Motiv Copilot reißt 149 Menschen mit in den Tod
26.03.2015, 18:28 Uhr
Ein Ende der Bergungsarbeiten ist vorerst nicht abzusehen.
(Foto: dpa)
Die Fakten zum vorsätzlichen Absturz des Germanwings-Airbus in Südfrankreich sorgen für Fassungs- und Sprachlosigkeit: Es war kein Unfall, sondern eine absichtliche Tat. Für die Angehörigen ist dies ein weiterer Schock. Denn es stellt sich nun vor allem eine Frage: Warum?
Es war eigentlich nicht vorstellbar, dass die Fassungslosigkeit nach dem Flugzeugunglück in Südfrankreich noch größer werden könnte. Doch dann präsentierten die französischen Ermittler ihre ersten Ermittlungsergebnisse – und die sprechen eine eindeutige Sprache: Der Copilot hat den Airbus 320 mit 150 Menschen an Bord absichtlich an einer Felswand zerschellen lassen. Wie das Auswärtige Amt mitteilte, sind darunter 75 Deutsche.
Viele Details sind noch ungeklärt, doch die Staatsanwaltschaft in Marseille legte zumindest eine grobe Chronologie der Katastrophe dar: Nachdem der Germanwings-Flieger die Reisehöhe von 38.000 Fuß erreicht hatte, verließ der Pilot das Cockpit, vermutlich, um die Toilette aufzusuchen. Der 27-jährige Copilot Andreas Lubitz blieb alleine zurück - und leitete bewusst den letztlich tödlichen Sinkflug ein. Als der Pilot wieder ins Cockpit zurückkehren wollte, blieb Lubitz ohne Reaktion. Der Flugkapitän begann, heftig an die Tür zu schlagen, vermutlich, um sie aufzubrechen. Erfolglos. Die Ermittler schließen aus, dass der Copilot bewusstlos war - sein regelmäßiges Atmen sei bis zum Aufprall des Flugzeuges zu hören.
Der Ablauf wirft viele Fragen auf. Zum Beispiel, warum es dem Piloten trotz Sicherheitscode nicht gelang, wieder ins Cockpit zu kommen. Offenbar verweigerte Lubitz ihm bewusst den Zutritt. Die Lufthansa und andere Airlines haben bereits reagiert: Schnellstmöglich soll nach dem Beispiel von US-Airlines die "Zwei Personen-Regel" eingeführt werden, nach der sich kein Pilot mehr während des Fluges allein im Cockpit aufhalten darf.
Copilot unterbrach Ausbildung
Vor allem bei der Frage nach dem Motiv sind die Ermittler ratlos. Es gibt Spekulationen darüber, dass Lubitz psychisch labil gewesen sein soll. Lufthansa-Chef Carsten Spohr teilte auf einer Pressekonferenz mit, der Copilot habe alle Eignungstests, die Piloten durchlaufen müssen, bestanden. Er wies jedoch auch darauf hin, dass Lubitz seine Ausbildung einige Zeit unterbrochen hatte - über die Gründe schwieg Spohr und verwies auf die ärztliche Schweigepflicht.
Einen terroristischen Hintergrund schließen alle mit den Ermittlungen vertraute Personen aus. Die Vorgeschichte des Copiloten weist auf keine entsprechenden Verbindungen hin: Bundesinnenminister Thomas de Maizière etwa sagte, alle Crewmitglieder seien auf solche Kontakte und sonstige Sicherheitsbedenken hin überprüft worden. "Die waren alle negativ", sagte der Minister. Routinemäßige Überprüfungen der Luftaufsicht hätten keinerlei Auffälligkeiten bei dem 27-Jährigen zutage gefördert.
Ermittler haben inzwischen die Durchsuchung der beiden Wohnsitze des Copiloten abgeschlossen. Sowohl sein Elternhaus in Montabaur als auch seine Wohnung in Düsseldorf wurden genau unter die Lupe genommen. Vor allem persönliche Dokumente sollen Auskunft über ein mögliches Tatmotiv geben. Die Auswertung möglicher Beweismittel werde "einige Zeit in Anspruch nehmen". Gerüchte über einen möglichen Abschiedsbrief bestätigte die Staatsanwaltschaft nicht.
Trauer, Wut, Fassungslosigkeit
All diese neuen Details belasten die Hinterbliebenen und Freunde der Opfer zusätzlich. "Es ist noch viel, viel schlimmer, als wir gedacht haben. Es macht uns wütend, ratlos und fassungslos", sagte der Leiter des Joseph-König-Gymnasiums in Haltern am See, Ulrich Wessel. 16 Schülerinnen und Schüler sowie zwei Lehrerinnen der Schule sind durch den vorsätzlich herbeigeführten Absturz ums Leben gekommen. "Ich frage mich, wann dieser Alptraum endlich aufhört", sagte der Bürgermeister des Ortes, Bodo Klimpel.
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel trat erneut vor die Presse. Sie sagte, die Vorkommnisse gingen über jedes Vorstellungsvermögen hinaus. "Wir stehen alle unter dem Schock des Flugzeugabsturzes", sagte sie. Die Ermittlungsergebnisse seien eine weitere "furchtbare Belastung" für die Angehörigen der Opfer.
Auch Lufthansa-Chef Carsten Spohr zeigte sich fassungslos, er sprach von einem "unglaublich tragischen Einzelfall" und dem "furchtbarsten Ereignis in der Geschichte des Konzerns". Worte für das Ereignis fand er nicht. Er sagte: "Wenn jemand 149 andere Menschen mit in den Tod nimmt, ist das für mich ein anderes Wort als Selbstmord."
Die Bergungsarbeiten an der Unglücksstelle nahe des französischen Ortes Seyne-les-Alpes könnten sich noch lange hinziehen. Angaben der Polizei zufolge kann es bis zu zwei Wochen oder länger dauern, bis die Arbeiten in dem schwierigen Gelände abgeschlossen werden können. Zentimeter für Zentimeter durchkämmen Helfer das Gelände. Dutzende DNA-Spezialisten und Rechtsmediziner arbeiten an der Identifizierung der Leichen. Viele Angehörige sind vor Ort, abgeschirmt von der Öffentlichkeit. Sie dürfen nicht an die direkte Unglücksstelle. "Das ist viel zu gefährlich", sagte der Unterpräfekt von Aix-en-Provence.
Quelle: ntv.de, fma