Panorama

Mordprozess nach 42 JahrenDDR-Kindstod kommt vor Gericht

08.04.2016, 15:46 Uhr
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Schwedt (Oder) nach der Wende: Wohnungsleerstand und Arbeitslosigkeit prägten das Stadtbild. (Foto: REUTERS)

Es ist einer der ältesten Kriminalfälle aus der DDR-Zeit: Eine Frau aus Schwedt (Oder) soll vor 42 Jahren ihren Sohn ermordet haben - die Polizei legt den Fall damals als Unglück zu den Akten. Doch dann meldet sich Jahrzehnte später ein anonymer Hinweisgeber.

Ein rätselhafter Todesfall aus der DDR-Zeit beschäftigt mehr als 40 Jahre später die brandenburgische Justiz. Eine Frau aus Göttingen muss sich ab Ende April vor dem Landgericht in Neuruppin verantworten, weil sie 1974 in Schwedt (Oder) ihren damals achtjährigen Sohn ermordet haben soll. Laut Anklage hat die heute 74-Jährige ihr Kind mit Kohlenmonoxid vergiftet. Ihrem Arzt hatte sie damals erklärt, sie habe den Jungen morgens tot in seinem Bett gefunden. Die Vergiftung sei ein Unfall gewesen.

Dass der Fall jetzt erneut vor Gericht kommt, hat einen Grund: Bereits 2009 hatte jemand anonym Strafanzeige gegen die Frau gestellt. Daraufhin nahm sich die Staatsanwaltschaft in Frankfurt (Oder) die Ermittlungsakte noch einmal vor - und ist nun überzeugt davon, dass die Mutter ihr Kind ermordet hat. Demnach soll sie den schlafenden Jungen in der Tatnacht aus seinem Bett geholt und vor dem Ofen abgelegt haben, wo er das giftige Gas einatmete. Danach habe sie den Achtjährigen wieder zurückgebracht.

DDR-Morde verjähren nicht

Bis heute behauptet die Angeklagte, die 1987 - noch vor der Wende - mit ihrer Tochter in die Bundesrepublik ausreiste, sie sei unschuldig. Offenbar stützt sich die Anklage aber auf Aussagen vom Vater des Jungen und mehrerer Zeugen. Die Mutter soll mit der Erziehung des Kindes überfordert gewesen sein und habe auch finanzielle Probleme gehabt, heißt es laut "B.Z." in der Anklageschrift.

Laut DDR-Strafrecht wäre der Mord eigentlich nach 25 Jahren verjährt gewesen - also seit 1999. Doch nach der Wiedervereinigung war festgelegt worden, dass auch Morde aus der DDR-Zeit keiner Klagefrist unterliegen sollen. So konnte 2012 auch Anklage gegen eine Frau aus Weißenfels in Sachsen-Anhalt erhoben werden, die 1988 ihren Liebhaber erstochen haben soll. Der Fall war damals als Selbstmord zu den Akten gelegt worden und erst wieder aufgerollt worden, als sich die Tochter Jahre später einem Staatsanwalt offenbarte.

Quelle: ntv.de, jug

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