Sechs Tote bei Feiertags-Parade Ermittler rätseln über Motiv für Bluttat
05.07.2022, 15:34 Uhr
Der Schütze zielte offenbar von einem Hausdach aus gezielt auf Menschen.
(Foto: IMAGO/ZUMA Wire)
Die US-Stadt Highland Park steht einen Tag nach den tödlichen Schüssen auf eine Feiertags-Parade unter Schock. Dringend tatverdächtig ist ein 21-Jähriger, der bisher zu den Vorwürfen schweigt. Laut Medienberichten sind die Beweise gegen ihn erdrückend. Doch die Frage nach dem Warum bleibt.
Auch nach der Festnahme eines 21-jährigen Verdächtigen bleibt das Motiv für die Ermordung von sechs Menschen bei einer Feiertags-Parade zum 4. Juli in den USA ungeklärt. Der Mann wird verdächtigt, mit einem "leistungsstarken Gewehr" vom Dach eines Geschäftsgebäudes aus wahllos auf eine feiernde Menschenmenge geschossen zu haben. Ereignet hatte sich die Tat in einem Vorort Chicagos im Bundesstaat Illinois. Mehrere im Internet veröffentlichte Musikvideos, die Szenen von Waffengewalt zeigen, werden dem Verdächtigen zugeschrieben. Er konnte Stunden nach der Tat festgenommen werden.
Viele Anwohner hatten sich am Vormittag des 4. Juli, an dem der Unabhängigkeitstag der USA landesweit gefeiert wird, im Zentrum der 30.000-Einwohner-Stadt Highland Park versammelt. Sie wollten gemeinsam feiern. Doch schon kurze Zeit nach Beginn der Parade fielen die ersten Schüsse. Augenzeugen berichteten später in US-Medien, sie hätten die Geräusche zunächst für Feuerwerk gehalten. "Mir fehlen die Worte, um diese Art von Monster zu beschreiben, das auf der Lauer liegt und in eine Menge mit Familien mit Kindern schießt", schrieb der Gouverneur des Bundesstaates, Jay Robert Pritzker, auf Twitter.
Der mutmaßliche Todesschütze konnte Medienberichten zufolge anhand der Waffe identifiziert werden. Ermittler hätten DNA-Spuren an dem Gewehr gefunden, das der Verdächtige am Ort des Geschehens zurückgelassen habe, berichtete der US-Sender NBC News. Ein Onkel des festgenommenen Verdächtigen sagte dem Sender CNN, er habe bei diesem keine Warnzeichen für eine solche Gewalttat erkannt. "Ich bin untröstlich. Ich habe keine Anzeichen dafür gesehen, dass er so etwas tun würde." Er habe seinen Neffen nie gewalttätig erlebt oder ein besorgniserregendes Verhalten bei ihm gesehen. "Ich kann nichts Schlechtes über ihn sagen."
"Er ist ein einsamer, ruhiger Mensch"
Er beschrieb den jungen Mann als zurückgezogenen Menschen: "Er ist ein ruhiges Kind. Er ist normalerweise allein. Er ist ein einsamer, ruhiger Mensch, er behält alles für sich." Der Verdächtige soll laut US-Medien versucht haben, sich einen Namen als Rapper zu machen. Mehrere Social-Media-Konten, von denen anzunehmen ist, dass sie dem jungen Mann zuzuordnen sind, wurden inzwischen gesperrt. In archivierten Versionen sind - anscheinend selbst gedrehte - Videos des mutmaßlichen Schützen zu sehen. Sie wurden unter einem Pseudonym veröffentlicht.
Die USA haben seit Langem mit einem gigantischen Ausmaß an Waffengewalt zu kämpfen. Erst Ende Mai richtete ein 18 Jahre alter Schütze an einer Grundschule in Texas ein Massaker an: Er tötete in der Kleinstadt Uvalde 19 Kinder und 2 Lehrerinnen, bevor er von der Polizei erschossen wurde. Gut eine Woche zuvor hatte ein 18-Jähriger in Buffalo im Bundesstaat New York 10 Menschen erschossen, die Ermittler gehen von einem rassistischen Motiv aus. Die Amokläufe entfachten die Diskussion über schärfere Waffengesetze neu. In den USA sind Schusswaffen oft leicht erhältlich.
Waffengesetz ist nur Minimalkompromiss
US-Präsident Joe Biden zeigte sich "schockiert über die sinnlose Waffengewalt, die an diesem Unabhängigkeitstag wieder einmal Trauer über eine amerikanische Gemeinde gebracht hat". In seiner Mitteilung hieß es: "Ich werde den Kampf gegen die Epidemie der Waffengewalt nicht aufgeben." Biden und seine Demokraten fordern seit Langem schärfere Waffengesetze. Weitreichende Reformen scheitern aber immer wieder am Widerstand der Republikaner im Kongress und am Einfluss der mächtigen Waffenlobby-Organisation NRA.
Im vergangenen Monat beschloss der Kongress unter dem Eindruck der Amokläufe von Texas und anderer Bluttaten parteiübergreifend ein Gesetz gegen Schusswaffengewalt, das aber weit hinter Bidens Reformvorschlägen zurückblieb. Experten werteten die Verschärfung des Waffenrechts zwar als die wichtigste seit Mitte der 1990er. Das Gesetz ist inhaltlich allerdings nur ein überparteilicher Minimalkompromiss, den Kritiker als völlig unzureichend rügen.
Das von Biden Ende Juni unterzeichnete Gesetz sieht eine intensivere Überprüfung von Waffenkäufern vor, die jünger als 21 Jahre sind. Zudem geht es darum, Gesetze aus Bundesstaaten auszuweiten, um potenziellen Gefährdern Waffen abnehmen zu können. Illegaler Waffenhandel soll auf Bundesebene bestraft werden können. Zudem sollen Milliarden Dollar in psychische Gesundheitsvorsorge und Anti-Gewalt-Programme fließen. Auch für die Sicherheit von Schulen sind weitere Mittel vorgesehen. Das von Biden und seinen Demokraten geforderte Verbot von Sturmgewehren fehlt in dem Gesetz.
Quelle: ntv.de, jug/dpa