Feuerwerksverkauf startet früher Versinkt Deutschland zu Silvester erneut im Böller-Nebel?
27.12.2024, 18:07 Uhr Artikel anhören
Großeinkauf beim Feuerwerksverkauf.
(Foto: dpa)
Am Samstag vor Silvester startet der Feuerwerksverkauf. Händler rechnen offenbar mit einer großen Nachfrage. In den Städten könnte das erneut für dicke Luft sorgen. Umweltverbände und Rettungskräfte warnen vor einer explosiven Mischung.
Am 28. Dezember startet in Deutschland der offizielle Verkauf von Feuerwerkskörpern. Das ist ein Tag früher als üblich, weil in diesem Jahr - wie auch schon 2023 - ansonsten einer der drei erlaubten Verkaufstage auf einen Sonntag fallen würde. Los geht es also schon an einem Samstag. Im Handel laufen die Vorbereitungen auf den großen Ansturm schon seit Monaten.
Laut den Zahlen des Statistischen Bundesamtes wurde allein im dritten Quartal eine Rekordmenge an Feuerwerkskörpern nach Deutschland importiert. Das meiste davon kommt aus China. Ob die Pyrotechnik-Importe auch in der Jahressumme das Niveau der Vor-Corona-Zeit übersteigen werden, bleibt abzuwarten. Die Zahlen für das letzte Quartal werden erst im kommenden Jahr veröffentlicht.
Die Nachfrage nach Silvester-Böllern und -Raketen ist seit den ruhigen Corona-Jahren jedenfalls spürbar gestiegen, bestätigt die Branche. "Insbesondere in Zeiten hoher Belastungen ist das Feuerwerk zum Jahreswechsel für viele Menschen von besonderer Bedeutung", sagt der Vorstand des Pyrotechnik-Bundesverbands Ingo Schubert. "Feuerwerk bedeutet einen Lichtblick und markiert einen kurzen und besonderen Moment der Ausnahme vom Alltag."
Krisenjahr 2025: Verbände warnen vor einer explosiven Mischung
Kritiker der Silvestertradition hingegen warnen vor einer sprichwörtlich explosiven Mischung zum Neujahrsfest 2025. "Gerade in Zeiten, in denen verschiedene Konflikte teils auf offener Straße ausgetragen werden, grenzt es an Wahnsinn, den Menschen hochexplosive Sprengkörper in die Hand zu drücken", sagte Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH) bereits im November bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der Bundesärztekammer und der Polizeigewerkschaft. Zusammen mit anderen Medizinfachverbänden sowie Umwelt- und Tierschutzorganisationen machen sie sich für ein bundesweites Böllerverbot stark.
Gerade Polizei und Rettungskräfte sind meist die ersten, die die negativen Auswirkungen der Silvesterböllerei hautnah erleben. Vor allem in den Großstädten herrscht in der Nacht zu Neujahr zum Teil Ausnahmezustand. Während Einsatzkräfte ausrücken, um Verletzungen zu behandeln oder Brände zu löschen, hat die Polizei damit zu tun, Angriffe mit Böllern und Raketen abzuwehren. Auswertungen von Krankenhausdaten zeigen zudem, dass in den Notaufnahmen zu Silvester und Neujahr besonders viele Fälle mit schweren Hand- oder Augenverletzungen behandelt werden müssen.
Messdaten zeigen: Zu Neujahr herrscht oft schlechte Luft
Hinzu kommen medizinische Bedenken hinsichtlich der Feinstaubbelastung. Durch das Abbrennen der Feuerwerkskörper gelangen in kürzester Zeit hohe Mengen an feinen Dreckspartikeln in die Atmosphäre. Je nach Wetterlage kann das zu einer potenziell gesundheitsschädlichen Konzentration führen und die Atemwege reizen. Vor allem Asthmatiker, Allergiker, Kinder und ältere Menschen leiden darunter.
Im Messnetzwerk des Umweltbundesamtes werden in der Neujahrsnacht quer durch Deutschland stets Jahreshöchstwerte verzeichnet. Laut der Behörde werden allein durch das Abbrennen von Feuerwerkskörper jährlich rund 2050 Tonnen Feinstaub freigesetzt, der größte Teil davon in der Silvesternacht. Am höchsten ist die Feinstaubkonzentration in der Atemluft demnach um kurz nach Mitternacht. In den Stunden nach dem Jahreswechsel treten örtlich Messwerte von bis zu mehreren 1000 Mikrogramm pro Kubikmeter auf. Zum Vergleich: Im Jahresmittel bewegen sich die Werte normalerweise zwischen 15 und 18 Mikrogramm pro Kubikmeter.
Je nach Wetterlage können sich die beim Abfeuern entstandenen Schwebeteilchen sehr lange in der Luft halten und wie eine Dunstglocke über eine Region legen. Dadurch werden auch im Tagesmittel oft jene Grenzwerte überschritten, die als potenziell gesundheitsschädigend gelten und deshalb sorgfältig überwacht werden. Tagesmittelwerte von mehr als 50 Mikrogramm pro Kubikmeter dürfen den EU-Vorgaben zufolge an höchstens 35 Tagen im Jahr auftreten.
Flächendeckende extreme Feinstaubwerte wurden zuletzt in der Neujahrsnacht 2020/2021 gemessen. Damals herrschte im ganzen Bundesgebiet nahezu Windstille, wodurch sich ein stundenlanger Raketen- und Böllernebel über die Städte legte. Zum Jahreswechsel 2023/2024 hingegen kam es nur vereinzelt zu starken Grenzwertüberschreitungen in den städtischen Zentren.
Auffallend sauber war die Luft auch am 1. Januar 2022. Es war das zweite Corona-Jahr in Folge, in dem keine neuen Feuerwerkskörper mehr in Umlauf gebracht werden durften und das Abfeuern von Raketen und Böllern im öffentlichen Raum weitgehend untersagt war. Das Neujahrsfest 2022/2023 war das erste nach der Pandemie, in dem wieder ohne Auflagen gefeiert werden durfte. Der Nachholbedarf war offenbar groß: Die Feuerwerksbranche freute sich zum Jahresabschluss über einen Rekordumsatz von 180 Millionen Euro.
Dabei stehen die meisten Menschen in Deutschland der Silvester-Böllerei ablehnend gegenüber, wie eine Yougov-Umfrage aus dem letzten Jahr zeigt. Gut ein Drittel hält demnach rein gar nichts von Böllern und Raketen. Ein Viertel der Befragten würde sogar ein allgemeines Verbot befürworten. Nur eine Minderheit von 14 Prozent zählt zu den eingefleischten Fans, die den Brauch "voll und ganz" unterstützen.
Quelle: ntv.de