Lauterbach ordert weitere Dosen "Gehe davon aus, dass vierte Impfung nötig wird"
22.12.2021, 13:39 UhrAuch eine Booster-Impfung schützt nach Einschätzung des Bundesgesundheitsministers nicht dauerhaft vor einer schweren Covid-Erkrankung. Er gehe davon aus, dass eine vierte Impfung nötig wird, sagt Karl Lauterbach. Für das Frühjahr seien weitere 80 Millionen Dosen Biontech bestellt.
Das Impfen geht auch nach dem Boostern weiter. Damit jedenfalls rechnet Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. "Ich würde persönlich als Wissenschaftler davon ausgehen, dass eine vierte Impfung nötig sein wird", sagte Lauterbach in Berlin. Es könne sein, "dass der Impfschutz nicht allzu dauerhaft ist." Mit Blick auf die neue, hochansteckende Variante des Virus ergänzte er: "Darauf sind wir vorbereitet und haben spezifischen Omikron-Impfstoff bestellt." Es seien bei der Mainzer Firma Biontech 80 Millionen Dosen bestellt worden, mit denen ab April gerechnet werde. Auch mit dem Impfstoff von Moderna will sich die Bundesregierung demnach eindecken.
Die laufende Booster-Kampagne werteten Lauterbach, der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, und der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, auf der gemeinsamen Pressekonferenz als Erfolg. Stand Dienstag hätten in Deutschland 28.100.000 Menschen eine Booster-Impfung erhalten, sagte Gassen und lobte: "Die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte haben zusammen mit ihrem Teams wirklich Großes geleistet." Zudem würden pro Woche mehr als eine halbe Million Menschen erstmals geimpft, darunter 20 Prozent Minderjährige.
"Müssen jetzt mit einer fünften Welle rechnen"
"Unser wichtigstes Bestandteil zur Senkung der vor uns liegenden Omikron-Welle liegt darin, dass wir eine besonders offensive Booster-Kampagne fahren", sagte Lauterbach. "Sie ist das Wichtigste, was man tun kann, um zu verhindern, dass sehr viele Menschen schwer erkranken." Eine Booster-Impfung schütze zu 70 bis 80 Prozent vor einer symptomatischen Erkrankung und zu mehr als 90 Prozent vor einem schweren Verlauf. "Wir gehen davon aus, dass die Wirkung schon eine Woche nach der Impfung einsetzt."
Über die noch von der Delta-Variante geprägte vierte Welle sagte Lauterbach: "Die Maßnahmen, die ergriffen worden sind, wirken." Die Fallzahlen sänken und die Krankenhäuser und Intensivstationen würden entlastet. "Nichtsdestotrotz müssen wir jetzt mit einer fünften Welle rechnen", sagte Lauterbach. Die vorliegenden Daten zeigten, dass sich eine Omikron-Welle in Deutschland nicht mehr verhindern lasse. Deshalb sei es richtig, dass die Ministerpräsidentenkonferenz am Dienstag beschlossen habe, dass alle Bundesländer bis zum 28. Dezember weitere Kontaktbeschränkungen erlassen.
Bitte um wenige Kontakte zur Weihnachtszeit
In Deutschland gebe es 540 bestätigte und mehr als 1800 Verdachtsfälle auf Omikron, sagte Wieler. "Die Daten sind überwiegend ein bis zwei Wochen alt." Über die Feiertage werde aus verschiedenen Gründen weniger getestet, weshalb sich die Datenlage vorerst verschlechtere. "Omikron ist extrem ansteckend und kann dem Immunsystem leichter entkommen", sagte Wieler. "Daher ist zu erwarten, dass sich die Situation in Kürze wieder verschärfen wird."
Wieler und Lauterbach appellierten an die Menschen, freiwillig ihre Kontakte einzuschränken und die Möglichkeit von Selbsttests zu nutzen. "Das Weihnachtsfest soll aber nicht der Funke sein, der das Omikron-Feuer entfacht", sagte Wieler. "Ich bitte Sie deshalb eindringlich: Verbringen sie diese Zeit nur im kleineren Kreis von Freunden und Familie." Auf Nachfrage von ntv.de sagte Lauterbach, nach seinen Informationen könne der Einzelhandel derzeit ausreichend Selbsttests anbieten.
Wieler und Lauterbach üben Schulterschluss
Dass das RKI kurz vor Beginn der gestrigen Ministerpräsidentenkonferenz ein Papier veröffentlichte, in dem umgehend drastische Maßnahmen zur allgemeinen Kontaktreduzierung gefordert wurden, ist nach Angaben von Wieler und Lauterbach kein Ausdruck von Dissens. "Ob ich zu Herrn Wieler noch stehe?", sagte Lauterbach zu einer Frage, "Das lässt sich leicht beantworten: Sonst säße er hier nicht." Die Veröffentlichung, ohne dass Lauterbach vor MPK-Beginn das Papier lesen konnte, sei eher eine Frage interner Abläufe. "In meinem Haus gibt es keine Zensur und das wird es auch nicht geben", sagte Lauterbach. Das RKI spiele weiterhin eine zentrale Rolle.
"Das RKI gibt ja kontinuierlich Empfehlungen heraus, das ist auch unsere Aufgabe", sagte Wieler. Die am Sonntagabend vom Expertengremium der Bundesregierung veröffentlichte Stellungnahme habe nur die Gefahr von Omikron bewertet, aber anders als das RKI keine Handlungsempfehlungen abgegeben. "Insofern ist es ja keinerlei Widerspruch", sagte Wieler über das eigene Papier, das in Bund und Ländern mit Erstaunen aufgenommen worden war. Lauterbach war sichtlich bemüht, das Thema zu beenden: "Diese Diskussion 'War das jetzt günstig platziert oder nicht?': Das finde ich nicht so besonders interessant." Er schaue nach vorn.
Warten auf Totimpfstoff
Da erwartet Lauterbach unter anderem die Lieferung des jüngst zugelassenen Impfstoffs Novavax, bei dem es sich nicht um einen mRNA-Impfstoff handelt. Vier Millionen Dosen seien bestellt worden. Von dem noch nicht zugelassenen "echten Totimpfstoff" Valneva habe das Bundesgesundheitsministerium elf Millionen Dosen bestellt. Lauterbach und Wieler hoffen, dass sich dadurch noch Ungeimpfte gewinnen lassen, die mRNA-Impfstoffe ablehnen. elf Millionen Erwachsene sind in Deutschland noch ungeimpft.
Um die Impfkampagne auch zwischen den Jahren fortzusetzen, sollen die Praxen für jede Spritze 36 Euro statt 28 erhalten, den eigentlichen Sonntagszuschlag. "Ich finde das ein sehr gutes Signal, den Kollegen und Kolleginnen auch eine wirtschaftliche Anerkennung zukommen zu lassen", sagte Gassen hierzu. Insgesamt laufe die Kampagne gut und das Ziel von 60 Millionen Booster-Impfungen bis Ende Januar sei realistisch, sagte Gassen. Er wolle dennoch mit Lauterbach über den Abbau des bürokratischen Aufwands für die Praxen sprechen.
Quelle: ntv.de, shu