Verzug weckt Zweifel an Inzidenz Gesundheitsämter kommen nicht mehr hinterher
01.12.2021, 16:15 Uhr
Die Chefin der Amtsärzte, Ute Teichert, geht davon aus, dass "die gemeldeten Zahlen nur ein Teil der positiven Nachweise sind".
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Schon zum zweiten Mal in Folge meldet das Robert-Koch-Institut eine sinkende Sieben-Tage-Inzidenz. Eine Entspannung in der Pandemie sei aber nicht in Sicht, sagt die Chefin der Amtsärzte, Ute Teichert. Viele Gesundheitsämter arbeiteten am Limit, die Verzögerung verzerre die Zahlen.
Viele Gesundheitsämter kommen derzeit beim Bearbeiten von positiven Corona-Nachweisen laut der Verbandschefin der Amtsärzte nicht mehr hinterher. "Ich gehe davon aus, dass die gemeldeten Zahlen nur ein Teil der positiven Nachweise sind", sagte die Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD), Ute Teichert.
Die Gesundheitsämter können demnach - mit regionalen Unterschieden - eingehende Meldungen von Corona-Fällen nicht mehr zeitnah an das zuständige Robert-Koch-Institut (RKI) weitergeben, eine Untererfassung sei die Folge. Das stellt die Aussagekraft der aktuellen Sieben-Tage-Inzidenzen infrage, die eine Entspannung der Corona-Lage suggerieren. So gab das RKI den Wert der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche am heutigen Mittwochmorgen mit 442,9 an. Das ist etwas niedriger als an den beiden Tagen zuvor.
Die Gesundheitsämter bräuchten mehr Personal angesichts der hohen Infektionszahlen. "Da muss jetzt etwas passieren. Ich sage das ja schon lange, aber jetzt ist es an der Zeit, dass noch mal deutlich zu wiederholen." Auch die Kontaktnachverfolgung und das Anordnen von Quarantäne seien derzeit stark eingeschränkt, sagte Teichert.
Auch Labore schlagen Alarm
In der "Rheinischen Post" forderte die Amtsärztechefin alle, die jetzt in die Gesundheitsämter hineingehen könnten, wieder an Bord zu holen. "Das heißt eben auch die Bundeswehr. Das hat ja schon einmal gut geklappt. Wir brauchen zusätzlich Containment-Scouts, Studierende, Beschäftigte aus den anderen Verwaltungsbereichen - wie in den ersten drei Wellen."
Teichert verlangte zudem flächendeckende Kontaktreduzierungen: "Wir sind lange über den Punkt hinaus, wo wir das differenzieren könnten. Das Virus verbreitet sich unkontrolliert in der Bevölkerung und wir haben keinen Durchblick mehr, wo die Erkrankungen am meisten weiterverbreitet werden."
Schon gestern warnten Experten vor einer Überbewertung der aktuellen Entwicklung der Sieben-Tage-Inzidenz. "Ich wäre sehr vorsichtig, aus zwei tagesaktuellen Inzidenzwerten einen Trend abzuzeichnen", sagte der Vorstandschef des Verbands Akkreditierte Labore in der Medizin (ALM), Michael Müller, in einer Videoschalte. Die Auslastung der Facharztlabore liege an der Belastungsgrenze, teils darüber, hieß es vom Verband. "In Ländern wie Sachsen, Bayern, Baden-Württemberg oder Thüringen steht die Ampel nun schon seit längerer Zeit wieder auf Rot." Im Unterschied zu vorigen Wellen betreffe der Engpass nun das Personal. Es sei nicht die Zeit für PCR-Tests für Zwecke wie einen Friseurbesuch, man müsse vielmehr Priorität auf den medizinischen Bedarf legen, sagte Müller.
Quelle: ntv.de, ses/dpa