Prozess um Hungertod Anakins"Ich hätte meinen Kindern nie was angetan"

Anakin wurde nur zwei Jahre alt. Völlig abgemagert brachte seine Mutter ihre beiden Kinder ins Krankenhaus. Die Tochter überlebte, doch den kleinen Jungen konnten die Ärzte nicht mehr retten.
Die Mutter spricht mit tränenerstickter Stimme, als sie sich vor Gericht an den Tod ihres kleinen Sohnes Anakin erinnert. Der Zweijährige wog am Ende nur noch wenig über sechs Kilogramm. Er war unterernährt, abgemagert bis auf die Knochen und dehydriert. Seine neun Monate alte Schwester hatte Glück. Als die Mutter sie einen Tag vorher im Februar 2014 zum Arzt brachte, rief der Mediziner einen Krankenwagen und schickte sie direkt in die Kinderklinik. Das Baby konnte gerettet werden. Als die Mutter Anakin am nächsten Tag ins Krankenhaus brachte, weil der Junge nörgelig war und sein Essen ausspuckte, konnte ihm nicht mehr geholfen werden.
Im Prozess am Landgericht Arnsberg weist die Mutter von neun noch lebenden Kindern den Vorwurf des Vorsatzes zurück. Ihr sei zu keinem Zeitpunkt bewusst gewesen, dass etwas passieren könne, sagt die 40-Jährige zum Prozessauftakt. Sie muss sich wegen des Vorwurfs der vorsätzlichen Körperverletzung mit Todesfolge vor dem Landgericht Arnsberg verantworten.
"Ich liebe meine Kinder", sagt sie. Als sie später die Bilder von ihren beiden kleinen Kindern gesehen habe, habe sie sich selbst erschrocken. "Ich hätte niemals meinen Kindern etwas angetan. Ich werde mir mein Leben lang Vorwürfe machen deswegen", fügt die schmale 40-Jährige mit gesenktem Kopf hinzu.
"Er war schon immer zierlich"
Anakin sei schon immer ein zierliches Kind gewesen. Er habe aber gegessen, keine Riesenportionen, aber auch nicht wenig, beteuert die Mutter. Sie zählt zunächst alles auf, was seit ihrer Jugend passiert ist. Gymnasium und Lehre abgebrochen, schwanger geworden in ihrer Heimat Niedersachsen, mit dem Vater des Kindes zusammengeblieben. Er habe sich später geändert, sei aggressiv und gewalttätig geworden, vor allem gegenüber den Kindern, sagt sie. Nach dem Umzug nach Sachsen sei der Älteste zum Jugendamt gelaufen und habe erklärt, er werde nicht zurück in die Wohnung mit dem Papa gehen. Er kam in eine Wohngruppe.
Die Mutter trennte sich vom neunfachen Vater und zog nach Winterberg im Hochsauerland. Das Jugendamt in Sachsen gab noch einen Hinweis an die Kollegen in Richtung Unterernährung. Die älteren Kinder gingen in die Schule. Für die Mittleren gab es keine Kitaplätze. Sie wurden zeitweise bei einer Tagesmutter betreut. Anakin und die Jüngste blieben zuhause.
Im Frühjahr war noch eine Mitarbeiterin des Jugendamtes wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Das Gericht gab ihr eine Mitschuld, weil sie bei den Kindern nicht genau genug hingeschaut habe. In dem Fall kommt es noch zu einer Berufungsverhandlung. Die kleine Tochter lebt inzwischen in einer Pflegefamilie. Die Mutter hat inzwischen mit einem anderen Mann ein weiteres Kind bekommen.