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Schwere Gewaltvorwürfe JVA verhängt Betretungsverbot gegen Mitarbeiter

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In der Justizvollzugsanstalt Augsburg-Gablingen sollen Häftlinge nackt in einem Haftraum untergebracht und Opfer tätlicher Übergriffe geworden sein. Der Justizminister und die Opposition fordern "schonungslose Aufklärung". Die JVA kündigt Konsequenzen an, erste Disziplinarverfahren laufen.

Nach Vorwürfen der Häftlingsmisshandlung in der Justizvollzugsanstalt Augsburg-Gablingen sind Disziplinarverfahren gegen die beschuldigten Mitarbeiter eingeleitet worden. Unter anderem wurden Betretungsverbote für die JVA verhängt, wie das bayerische Justizministerium in München mitteilte. Außerdem sei "ein vorläufiges Verbot der Führung der Dienstgeschäfte veranlasst" worden. Wie viele Mitarbeiter von den Disziplinarmaßnahmen betroffen sind, teilte das Ministerium auf Nachfrage nicht mit.

Auch das Justizministerium arbeite daran, die Vorwürfe aufzuklären, sagte eine Sprecherin. "Wir werden insbesondere die Unterbringung in besonders gesicherten Hafträumen auf den Prüfstand stellen", betonte sie. "In der JVA Augsburg-Gablingen ist bis auf weiteres jede Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum ab dem ersten Tag der Anordnung berichtspflichtig."

Gleichzeitig werden Forderungen nach Konsequenzen laut. Toni Schuberl, Sprecher für Recht der Grünen-Fraktion im Landtag, sprach sich dafür aus, die Kontrollmechanismen besser zu prüfen. Die SPD verlangte "schonungslose Aufklärung". "Jedes Blatt muss umgedreht werden, um diese völlig inakzeptablen und eines Rechtsstaats unwürdigen Vorfälle schonungslos aufzuklären - und vor allem auch abzustellen", sagte der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Horst Arnold.

Anwälte weisen Vorwürfe zurück

Am Wochenende war bekannt geworden, dass wegen gravierender Vorwürfe möglicher Häftlingsmisshandlung gegen mehrere Bedienstete der JVA Augsburg-Gablingen ermittelt wird. Dabei geht es um den Anfangsverdacht der Körperverletzung im Amt.

Zu den Beschuldigten gehört auch die stellvertretende Leiterin des Gefängnisses, die die Vorwürfe über ihre Anwälte entschieden zurückwies. "Die Verteidigung der stellvertretenden Anstaltsleiterin der Justizvollzugsanstalt Augsburg-Gablingen nimmt die gegen ihre Mandantin erhobenen Vorwürfe bezüglich der Unterbringung von Häftlingen in "besonders gesicherten Hafträumen" (bgH) sehr ernst und weist diese entschieden zurück", heißt es in einer Mitteilung der Anwälte Holm Putzke und Alexander Stevens.

"Die Anschuldigungen, wonach Inhaftierte durch die Umstände der Unterbringung unter menschenunwürdigen Bedingungen behandelt worden seien, entbehren auf Basis der vorliegenden Informationen jeglicher Grundlage." Ihre Mandantin sehe es "als ihre oberste Pflicht an, für die Sicherheit sowohl der Inhaftierten als auch der Bediensteten zu sorgen und dabei selbstverständlich stets rechtskonform zu handeln".

Die Anwälte schreiben, dass sie "neben einer objektiven Aufklärung" von den Behörden auch erwarten, dass "alle im Justizvollzug tätigen Mitarbeiter gegen unberechtigte Vorwürfe in Schutz genommen werden und der Freistaat Bayern damit seiner Fürsorgepflicht gerecht wird". Die stellvertretende Gefängnisleiterin werde "die vollständige Aufklärung der Sachverhalte unterstützen".

Häftlinge "splitterfasernackt am Boden"

Laut den nun bekannt gewordenen Vorwürfen sollen einzelne Gefangene möglicherweise unbekleidet in einem "besonders gesicherten Haftraum ohne gefährdende Gegenstände" untergebracht worden sein, ohne dass Voraussetzungen für diese Maßnahme vorlagen, wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft mitteilte.

Anzeige erstattet hat laut dem Bayerischen Rundfunk unter anderem eine Augsburger Rechtsanwältin. Die Juristin berichtete über die Erfahrungen eines ihrer Mandanten in der JVA: "Loch im Boden, wo er seine Geschäfte verrichten muss", sagte die Verteidigerin im BR. "Keine Matratze, splitterfasernackt am Boden." Auch eine zeitweilig in dem Gefängnis tätige Ärztin sprach mit dem Sender und berichtete, sie habe in dem besonders gesicherten Haftraum 80 Prozent der Häftlinge ohne Unterhose, ohne Matratze und ohne Decke erlebt.

Zudem verfolgt die Anklagebehörde Vorwürfe, denen zufolge es zu tätlichen Übergriffen einzelner Beschäftigter auf Gefangene gekommen sein soll. Justizminister Georg Eisenreich will die Vorwürfe rückhaltlos aufklären lassen, kündigte der CSU-Politiker an. "Sollte es zu Straftaten durch Bedienstete gekommen sein, werden diese strafrechtlich konsequent verfolgt und auch dienstrechtlich konsequent geahndet", sagte er. Straftaten im Justizdienst seien inakzeptabel. Eisenreich betonte aber auch, dass bis zum rechtskräftigen Abschluss der Verfahren die Unschuldsvermutung gilt.

Zu den Einzelheiten des Ermittlungsverfahrens äußerte sich der Justizminister nicht, da die Ermittlungen in der Hand der Augsburger Staatsanwaltschaft liegen. Diese gab an, dass im Zusammenhang mit den Vorwürfen am Donnerstag Räumlichkeiten des Gefängnisses von Polizei und Staatsanwaltschaft durchsucht wurden. Weitere Einzelheiten nannte die Ermittlungsbehörde am Wochenende nicht. So ist etwa unbekannt, gegen wie viele JVA-Mitarbeiter sich die Vorwürfe richten.

Wie ist die Lage in anderen JVAs?

Nicht bestätigt ist zudem, ob auch eine mögliche Beteiligung von Vorgesetzten überprüft wird. In der JVA Gablingen sind viele Untersuchungshäftlinge untergebracht. Ein prominenter Insasse war nach seiner Inhaftierung 2020 der frühere Wirecard-Chef Markus Braun. Der Manager sitzt nach wie vor in U-Haft, allerdings seit mittlerweile fast zwei Jahren in München.

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Aus Sicht der Opposition ist Aufklärung dringend nötig. "Wir erwarten, dass der Justizminister dem Landtag unverzüglich über die Vorfälle in der Justizvollzugsanstalt Augsburg-Gablingen und über die Lage in anderen bayerischen JVAs berichtet", sagte Schuberl. Die Landtags-Grünen wollten einen entsprechenden Antrag demnächst in den Justizausschuss einbringen.

Ähnliche Vorwürfe habe es bereits an der JVA Kaisheim gegeben, teilten die Grünen mit. "Das nährt den Verdacht, dass es sich nicht um einen Einzelfall handelt." Sie kritisierten, dass es "kein staatliches Register gibt, das Problemsituationen in den Gefängnissen dokumentiert". Auch die SPD kündigte einen Antrag an. Die Staatsregierung müsse "möglichst schnell schriftlich wie mündlich Rede und Antwort stehen". "Das Innere eines Gefängnisses darf kein rechtsfreier Raum sein", betonte Arnold. "Rechtsstaat bedeutet auch: Schutz vor Übergriffen des Staates. Davon sind inhaftierte Straftäter nicht ausgenommen."

Quelle: ntv.de, vr/dpa

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