Eltern und Lehrer überfordert Jeder fünfte Schüler wird Opfer von Cybermobbing
23.10.2024, 12:20 Uhr Artikel anhören
Cybermobbing meint "die Beleidigung, Bedrohung, Bloßstellung oder Belästigung von Personen mithilfe von Kommunikationsmedien".
(Foto: picture alliance / dpa)
Immer mehr Kinder und Jugendliche werden im digitalen Raum bedroht, belästigt und bloßgestellt. Eine aktuelle Befragung zeigt: Eltern und Schulen sind häufig mit dem Phänomen überfordert.
Einer aktuellen Erhebung zufolge sind fast ein Fünftel aller Schülerinnen und Schüler in Deutschland von Cybermobbing betroffen. Das entspricht mehr als zwei Millionen Kindern und Jugendlichen, wie aus der aktuellen "Cyberlife"-Studie des Bündnisses gegen Cybermobbing in Kooperation mit der Barmer Krankenkasse hervorgeht, die in Berlin vorgestellt wurde.
Demnach ist der Anteil der Schülerinnen und Schüler zwischen 7 und 20 Jahren, die nach eigenen Aussagen schon mindestens einmal Cybermobbing erlebt haben, im Vergleich zur Vorgängerstudie von 2022 um 1,8 Prozentpunkte auf aktuell 18,5 Prozent gestiegen. Über einen längeren Zeitraum betrachtet, sehen die Experten eine klare Verschärfung der Lage: Im Jahr 2017 hatten noch 12,7 Prozent der befragten Schülerinnen und Schüler entsprechende Angaben gemacht.
Schulen reagieren zu zögerlich
Unter Cybermobbing fällt nach Angaben des Bundesjugendministeriums "die Beleidigung, Bedrohung, Bloßstellung oder Belästigung von Personen mithilfe von Kommunikationsmedien". Der Vorstandsvorsitzende des Bündnisses gegen Cybermobbing, Uwe Leest, äußerte sich besorgt über die Entwicklung und forderte die Politik zum Handeln auf. Die gesellschaftlichen Auswirkungen würden aus seiner Sicht immer noch stark unterschätzt. Eltern seien "überfordert, die Lehrkräfte zu wenig darauf vorbereitet und die Schulen zu zögerlich in der Reaktion", heißt es als Fazit in der Studie.
- Bei Suizidgefahr: Notruf 112
Deutschlandweites Info-Telefon Depression, kostenfrei: 0800 33 44 5 33
- Beratung in Krisensituationen: Telefonseelsorge (0800/111-0-111 oder 0800/111-0-222, Anruf kostenfrei) oder Kinder- und Jugendtelefon (Tel.: 0800/111-0-333 oder 116-111)
- Bei der Deutschen Depressionshilfe sind regionale Krisendienste und Kliniken zu finden, zudem Tipps für Betroffene und Angehörige.
- In der Deutschen Depressionsliga engagieren sich Betroffene und Angehörige. Dort gibt es auch eine E-Mail-Beratung für Depressive.
- Eine Übersicht über Selbsthilfegruppen zur Depression bieten die örtlichen Kontaktstellen (KISS).
Für die aktuelle Analyse wurden zwischen Mai und Juni dieses Jahres 4.213 Schülerinnen und Schüler, 637 Lehrer und 1061 Erziehungsberechtigte repräsentativ nach Bundesländern online befragt.
Jeder vierte Betroffene hat Suizidgedanken
Was die Experten besonders alarmiert: 13 Prozent der teilnehmenden Kinder und Jugendlichen gaben an, aus Verzweiflung schon einmal zu Alkohol, Tabletten oder Drogen gegriffen zu haben. Mehr als jeder vierte Betroffene (26 Prozent) habe Suizidgedanken geäußert. Das entspreche in absoluten Zahlen mehr als 500.000 Schülern, erklärte Leest. "Eine sehr erschreckende Zahl, die in den letzten Jahren leider weiter gestiegen ist."
Das Bündnis fordert, bereits in den Grundschulen mit der Präventionsarbeit zu beginnen. Es brauche auch eine bessere Ausbildung von Lehrkräften und mehr Anlaufstellen, heißt es. Die Politik sei außerdem gefordert, ein Gesetz zum Schutz vor Cybermobbing zu beschließen. Im Gegensatz zu Ländern wie Frankreich und Österreich und trotz der hohen Betroffenenzahlen hat Deutschland ein solches Gesetz bislang nicht.
Quelle: ntv.de, kse/dpa